Sigrid Katharina Eismann: Das Paprikaraumschiff.

Cornelia Stahl

Das Paprikaraumschiff. 2020.

Ulm: danube books.157 Seiten.

ISBN:  ISBN 978-3-946046-18-9.

 

 

Mit der „Elektrischen“ durch Temeswar

In Temeswar (Temeschburg), einer Stadt in Westen-Rumänien, Timişoara heißt sie auf Rumänisch, siedelten sich vor über 300 Jahren Deutsche an. Die erste Bekanntschaft mit dieser Stadt machte ich in „Women Stories“ (danube books). Sigrid Katharina Eismanns´s Roman „Das Paprikaraumschiff“ spürt den Leerstellen dieser, ihrer Stadt, nach, füllt sie mit Erinnerungen und Gegenwartsbezügen.

In kurzweiligen Erzählungen erkunden Lesende das Rumänien der Siebziger Jahre. Die Autorin lässt uns teilhaben am Alltagsgeschehen. Kapitelüberschriften wie „Die Fernwehnummer aus der Abhörzentrale“ (S.13) oder „Ein balkanisches Fahrtenbuch“ (S.65) decodieren und erschließen ein ganzes Universum an Geschichten. Im Mittelpunkt steht die „Elektrische“, die Straßenbahn, die von Station zu Station tuckert, Gäste ein- und wieder ausatmet, im Wissen um ihre verborgenen Träume, und mitunter Ängste, und sie „spann Erzählfäden um Haltestellen … zwischen Hessen und Temeswar“ (S.26). Die an Metaphern reiche Sprache wirkt atmosphärisch verdichtet: „Akazienduft hängt in der Luft. Vaters Schatten huscht ins heimliche Gässchen“ (S.13). (Kindheits)Erinnerungen an Zeiten des Kalten Krieges werden zwischen den Zeilen lebendig: „Hinter der Milchglasscheibe laufen die Drähte heiß“ (S.13), etwa, wenn Eismann von Telefonaten in den „Westen“ (nach Deutschland – Anm. d.Verf.) erzählt, und von der in unmittelbarer Nähe befindliche Temswarer Abhörzentrale, die zeitgleich ihre Arbeit aufnimmt. Ohne Pathos, mit viel Witz, schlängeln wir mit der „Elektrischen“ durch Temeswar, und verweilen mit den Augen der Autorin an Beobachtungsobjekten: „Das Krebsspital … lächelt mit aufgefrischtem Teint“ (S.27). Eine Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die Einblicke gewährt in die siebenbürgische Landschaft und Mentalität.

Sigrid Katharina Eismann, geboren 1965, emigrierte 1981 nach Deutschland, veröffentlichte 2017 den Lyrikband „Reise durch die Heimat- von Offenbach nach Temeswar“ (Größenwahn-Verlag). Eine wichtige poetische Stimme! Unbedingt lesen!

 

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