Eva Riebler: Weltblick

Florian Müller

Eva Riebler:
Weltblick

Texte und Grafiken
Wien: Verlagshaus
Hernals 2022,
111 Seiten,
ISBN: 978-3-903442-31-3

Am Anfang war das Bild. Kann ein literarisches Werk in Zeiten von E-Books und verschickten PDFs ohne ein Buch zwischen zwei Deckeln existieren? Im Falle von Eva Rieblers „Weltblick“ ist die Antwort klar: Nein. Das Rohmaterial des Gesamtkunstwerks waren 63 Gedichte und 36 Grafiken. Daraus geworden ist ein haptisches Erlebnis in Quart, in dem die bildende Künstlerin und die Lyrikerin Eva Riebler friedlich und frei assoziierend gelungen koexistieren.
„Am Anfang war das Bild“, müsste man bei Eva Riebler sagen, denn aus der bildenden Künstlerin hat sich die Lyrikerin entwickelt. Ihre Grafiken entstehen zumeist in Serien mit manchmal nur minimalen Abweichungen von Bild zu Bild. Mit wenigen Ausnahmen dominieren warme Farben wie Rot oder Braun. Die figurativen Darstellungen spielen lustvoll mit den Grenzen zur Abstraktion. Wie der versierte Kunstkenner Carl Aigner treffend in seinem Nachwort anmerkt, machen Eva Rieblers Grafiken auch die Experimentierfreudigkeit im Verfahren aus. Schade ist, dass die Titel der Grafiken erst im Anhang zu finden sind, wie übrigens eine beeindruckende Liste bereits stattgefundener Ausstellungen.
Aber vielleicht war das auch eine taktische Überlegung, um den notorischen Titelstarrern einen Bildgenuss zu ermöglichen.
Eva Rieblers Gedichte sind auch widersrüchliche Antworten zu Zeilen Robert Schindls oder Karl Kraus.
Gleichzeitig ist ein selbstbewusstes „ich bin“ Leitmotiv vieler der freien Verse. Wenn sich das lyrische Ich zu aktuellen Themen wie dem Ukraine-Krieg oder zum Lockdown äußert, dann sind es durchaus pessimistische Perspektiven.
Auf Titel mit harmonischer Vorahnung folgen oft Zeilen mit schmerzhaften Auseinandersetzungen. Alltagsbilder wie Naturerlebnisse oder die Schreibmaschine oder das Stillleben eines vollgestapelten Schreibtisches lassen in das von Elfriede Bruckmeier in einem Nachwort beschriebene umtriebige Leben der Autorin einblicken.

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