Paulus Hochgatterer: Fliege fort, fliege fort

Gabriele Müller

Paulus Hochgatterer:
Fliege fort, fliege fort

Deuticke in der Wien: Paul Zsolnay
2019
251 Seiten
ISBN 978-3-552-06406-5

„Come in“. Im Morgengrauen wird Tobias von seinem Vater, dem Psychiater Raffael Horn, bei der Scheune mit einer Axt in der Hand angetroffen. „Was hast du vor?“, fragt Horn. „Ein paar Leute erschlagen“, ist die Antwort. Das tue man doch um diese Zeit. Irgendwie scheint der Sohn des Fachmanns für menschliche Abgründe in die mysteriösen Vorgänge verwickelt, die sich in der Kleinstadt Furth am See ereignen.
Erst behauptet ein alter Mann, vom Baum gefallen zu sein; seine Verletzungen weisen aber auf Schlimmeres hin. Ein rechtsradikaler Bursche geht während der Fronleichnamsprozession durch das Geschoß einer Steinschleuder zu Boden. Dann wird eine ehemalige Ordensschwester aus dem Seniorenheim ins Spital eingeliefert. Ihr sei ein wenig schlecht geworden. Der Mageninhalt weist jedoch auf ein ungewöhnliches Abendessen hin.
Schließlich ein Mädchen entführt.
Wie in den beiden Vorgängerromanen, „Die Süße des Lebens“ (2006) und „Das Matratzenhaus“ (2010), ermitteln Kommissar Kovacs und Psychiater Horn. Es stellt sich heraus, dass die Ereignisse in ein ehemalige Kinderheim zurückreichen.
Einer der Hauptschauplätze ist das Jugendzentrum „Come in“, das die Jugendlichen lieber „Gosse“ oder „Sauhaufen“ genannte hätten. Doch die Stadtverwaltung hat sich durchgesetzt, ohne dass deswegen mehr Geld für die Jugendlichen fließt.Hochgatterer spielt mit Zeiten und Erzählperspektiven. Zwei Personen, die Sozialarbeiterin und der Entführer, werden in der Ich-Form erzählt. Die am längsten zurückliegenden Ereignisse und das (vorläufige) Ende der Geschichte finden in der Gegenwart statt. Wie das zusammenhängt, muss der Leser herausfinden. Denn die Geschichte endet überraschend, ehe der Kommissar seine Ermittlungen beenden kann. Freunde simpler Kriminalgeschichten werden mit der komplexen Erzählform keine Freude haben.
Liebhaber guter Literatur umso mehr!

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