Adrian Kasnitz: Im Sommer hatte ich eine Umarmung

Gerald Jatzek

Adrian Kasnitz:
Im Sommer hatte ich eine Umarmung

Parasitenpresse, Köln
2023, 90 S.
ISBN: 978-3-988050-09-0

Poetische Vielfalt. Adrian Kasnitz ist zunächst einmal Brückenbauer. Mit der Parasitenpresse stellt er übersetzte Lyrik aus zahlreichen Kulturen vor, darunter auch aus sogenannten kleinen Sprachen wie Albanisch, Birmanisch, Dänisch, Griechisch oder Lettisch. Mit dem Wissen um eine Vielfalt an Traditionen und Stilen entscheidet sich Kasnitz bei den eigenen Gedichten in vielen Fällen für eine an lyrische Prosa angenäherte Form.
Nicht wenige Texte gehen im Sinne Charles Olsons vom Autor, respektive seinem lyrischen Ich aus: „Weil ich keinen Kaffee hatte, geh ich nicht ans Telefon / wenn du anrufst und von Berlin erzählst, der Hype ist doch / längst vorbei (…)“, beginnt ein Text rund um den Morgen eines Verlegers.
Dabei findet der Autor freilich in surrealistischer Tradition poetische Wörter und kombiniert sie mit Slapstick- Einlagen: „Habe mir Reis aufgehäuft und Fleischbällchen dir / versuche meiner Tochter zu erklären, was ein Oxymoron sei / ein Wort in der Nachbarschaft und Okapi / er wohnt im fernsten Ozean, den noch niemand entdeckt / habe mit Fleischbällchen dich hast mit Reis mich beworfen (…)“
In Texten, in denen Rhythmus und Melodie stärkere Bedeutung haben, finden sich lakonische Formulierungen, die – vermutlich seit Leonidas – das beste Mittel gegen Pathos darstellen: „In die südliche Stadt kommen die Leute / aus dem Winter, fassen sich an die Brust (…) dann kommen sie langsam auf dumme Gedanken / und schauen den Einheimischen hinterher“.
Der Band hat freilich noch viel mehr zu bieten, was hier nur aufgezählt werden kann: das – selbstverständlichgebrochene – Naturgedicht, die Reflexion der Lyrik auf sich selbst, parodistische Anklänge an Liebesgedichte inklusive und das vorauseilende Epitaph für Insassen der Intensivstation Instagram. Wobei viele Texte andere Sichtweisen erlauben als meine. Denn: „Jeder hat eigene / Interessen in einem Traum“.

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