Paul Nizon: Sehblitz

Gertraud Artner

Paul Nizon: Sehblitz
Almanach der mod. Kunst

Hrsg. P. Dietiker /K.Tobler
Suhrkamp, Berlin
2018, 302 S.
ISBN 978-3-518-46833-3

Vom Sehblitz getroffen. Ausgezeichnet mit dem Erich-Fried- und Gert-Jonke-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ist der „Pariser Schriftsteller deutscher Sprache mit Schweizer Pass“, wie sich Paul Nizon selbst einmal nannte, hierzulande trotzdem nur einer Minderheit begeisterter Leser bekannt. Bereits vor acht Jahren hat der Suhrkamp-Verlag aus Anlass von Nizons 80. Geburtstag sein gesamtes literarisches Werk ediert, nun ist auch ein Teil seiner kunsttheoretischen Arbeiten erschienen. Schließlich ist Nizon promovierter Kunsthistoriker und zumindest in den Anfangsjahren als freier Schriftsteller half ihm die Arbeit als Kunstkritiker immer wieder über finanzielle Engpässe. Und dennoch hat seine Kunstwahrnehmung und Betrachtung so gar nichts Nüchtern-Geschäftliches an sich. Voll Empathie und Leidenschaft, jenseits jeder normierten Sehweise begegnet er KünstlerInnen, um immer wieder Wahlverwandtschaften und „Wunschbrüder“ zu entdecken. Allen voran Vincent van Gogh, über dessen frühe Zeichnungen er dissertierte und dem er „die eigentliche Schule des Sehens“ dankte. Da kennt seine Begeisterung keine Grenzen: „Man möchte sich an das Geschaute hängen wie die Biene an den Blumenkelch“,schreibt er. Mit dieser Offenheit begegnet er all den Größen der Moderne, ob Malewitsch oder Matisse, Chagall oder Picasso, Warhol oder Pollock … um nur einige zu nennen. Paul Nizons Essays und Porträts fügen sich in diesem Auswahlband zu seinem ganz persönlichen Museum moderner Kunst. Wer diesen Teil der Kunst-geschichte bereits als „hinreichend“ bekannt abgehakt hatte, wird eines Besseren belehrt. „Sehblitze“ eröffnen neue Sehräume und Sehweisen. Auch wenn uns die Protagonisten bekannt sind, Nizon macht uns mit ihnen vertraut. An den „Sehblitzen“ teilzuhaben, ist in der Tat ein beglückendes Erlebnis.

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