Thomas Northoff: KRANK / EIN- UND AUSBILDUNGEN IM LEBEN

Klaus Ebner

Thomas Northoff:
KRANK / EIN- UND AUSBILDUNGEN IM LEBEN

Lyrik der Gegenwart 72,
Verlag: Edition Art & Science;
2017, 150 Seiten
ISBN-13: 978-3902864796

Bitte nicht erstick. Geher radelt / Gib-Gummi-Autofahrer / Cuts BlutamBoden / Rippen Stücke / Lungen- Hälfte plattt / Handy-Boys: / bist bsoffn? / Rettungda. Der Dichter Thomas Northoff macht aus seinem Unfall kein großes Drama, nicht einmal aus seiner Alkoholisierung ein Geheimnis, bloß die Sprache zerbricht, zerstiebt gleichsam in dem Ereignis und muss sich fortan neu zusammensetzten, was ihr nie mehr gelingen wird. Es ist logisch, dass in der Bemühung um das Wesentliche das weniger Wichtige wegbleibt, dass nur ein Gerüst übrigbleibt. Klobig, schicksalhaft kommt das Unheil, kommen die Rückschläge, Eigenschaftswörter, die abrunden oder wohlig färben würden, sind spärlich. Wie auch nicht, wenn da einer, der Geher, auf sein Kreatürliches zurückgeworfen ist, etwa auf die Schwere des Atmens. Wir befinden uns wie meist bei diesem Autor in der Intensivstation der Sprache. Da fließen die Worte so wenig wie die Luft durch die Kehle, da ist nicht ausreichend Atem für lange Beschwörung der Angst, da heißt es ‘Bitte bitte nicht erstick’n. Es wirkt, als wären von einem Film karge Kader ausgestellt, Kader, die freilich knapp beieinander liegen und aussagekräftig genug sind, dass man sich die Geschichte zusammenstellen, aber nie auf die Idee kommen kann, das wäre alles. Da kann man auffüllen und auffüllen mit seiner Vorstellung, das Fragmentarische der Sprache bezeugt einem die Unvollständigkeit. Dennoch entsteht eine geschlossene Geschichte mit besorgter Mutter, hilfreicher Freundin, fragwürdigen Zimmergenossen. Das Erzählerische ist bis zur Genesung letztlich fein ausgestaltet. Biographisches, Northoff betont dies mit seinem Stil, ist immer nur ein Teil und Ausschmückung ist verdächtig. In diesem Buch überwältigt er mit solchem Gewicht der Ereignisse, stellt Idylle und Schrecken so schroff nebeneinander, dass man vergisst, andere Lesarten zu versuchen, zb. die Gesellschaft als Unglücksfall oder Krankheit, worauf der Buchtitel hinweist. Doch damit kommt man nicht allzu weit.

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