Marlen Schachinger: Martiniloben. Rez.: Klaus Ebner

 

Klaus Ebner
Auftakt

Marlen Schachinger: Martiniloben
Roman, 504 Seiten
Septime Verlag, Wien 2016
ISBN 978-3-902711-58-8

Die Universitätsdozentin Mona zieht aus der Stadt aufs Land, weil sie dem Stress und alltäglichen Gehässigkeiten entkommen möchte. In ihrem neuen Heimatort wurden Flüchtlinge untergebracht, und von Beginn an wird sie mit der Ablehnung der Bevölkerung konfrontiert, die sich immer offener gegen die Flüchtlinge richtet und schließlich auch gegen Mona selbst, die versucht, Flüchtlingsfamilien zu unterstützen und sich sogar mit einer Syrerin und deren Tochter anfreundet.

Natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen Konflikte wie Unterdrückung von Frauen und Gewalt – ein gefundenes Fressen für die voreingenommenen Dorfbewohner. An der Uni kämpft Mona derweil um einen Professorenposten, und sie steht hier wie da auf verlorenem Posten.

Was wie ein begrenzter Schauplatz rund um die Thematik der Flüchtlingsaufnahme und des Zusammenlebens beginnt, ufert im letzten Drittel des Romans immer mehr aus. Übergriffe von Seiten der Bevölkerung werden häufiger, die Gewalt eskaliert, Exekutive und Behörden verlieren die Kontrolle. Schließlich gibt es einen Umsturz in der Hauptstadt. Die Kommunikation kommt teilweise zum Erliegen, keiner weiß, wo man noch sicher ist, Nachrichten fehlen, und was man hört, ist – nicht zuletzt für Lesende – geradezu unglaublich.

Der in Niederösterreich lebenden Autorin Marlen Schachinger gelang es, den in unserem Land leider latenten und durch die Flüchtlingsproblematik hell auflodernden Fremdenhass in die Geschichte einer Frau zu verpacken, die vermeint, sich in eine ländliche Idylle zurückzuziehen.

Die Brutalität, mit der Schachinger zeigt, wie das gesamte gesellschaftliche Gefüge eines – unseres – Landes aus dem Ruder läuft, ist verstörend, und im Nachwort weist die Autorin darauf hin, dass die Realität manche ihrer Einfälle inzwischen überholt hat. »Martiniloben« ist ein wichtiges Buch. Und wichtig wäre nun, dass viele es läsen.
 

Mehr Kritiken aus der Kategorie: