Jazz im Hof St.P. August 2020

Liberti/Riebler

 Jazz im Hof Festival St. Pölten
Auch zu Corona-Zeiten 2020

 

Das Jazz im Hof Festival in St. Pölten schafft jedes Jahr ein Programm voller musikalischer Grenzgänge und musikalischer Visionen – rund um internationale und nationale Ikonen des Jazz, junge Wilde, rund um unterschiedliche Stilrichtungen und rund um Ungeahntes wie Ungewöhnliches. St. Pölten ermöglichte auch 2020 ein Aufeinandertreffen der KünstlerInnen aus Nah und Fern. „Als klar war, dass wir wieder auf die Bühnen dürfen, haben wir innerhalb kürzester Zeit ein Programm auf die Beine gestellt, dass musikalischen Optimismus auf die Bühnen zurückgeholt hat“, freut sich die künstlerische Leiterin Caroline Berchotteau über den erfolgreichen Jazz im Hof-Reigen, der sich von 20. bis 22. August mit 6 Konzerten zu Buche geschlagen hat.

 

Eröffnet wurde das Festival durch das belgisch-französische Duo Philip Catherine und Kevin Seddiki. Der Gitarrist Philip Catherine ist eine europäische Jazzlegende, der nicht zuletzt wegen seines unbestechlichen Gespürs für Zeit, selbst atemberaubende Tempo-Passagen relaxt und locker wirken lässt. Nicht weniger Saitenzauber an diesem Abend vollbrachte Seddiki. Er war es auch, der Catherine immer wieder zurück an die Jazzgitarre holte, wenn der zwischendurch heitere Anekdoten zum Besten gab.

 

Der Ausnahmekünstler Krzysztof Dobrek reiste für das Abendprogramm beim zweiten Konzert mit seinem Akkordeon durch sein persönliches Polen. Und das in einer für ihn bislang unbekannten Formation: Mit Jelena Popržan (Viola, Gesang), Christoph Pepe Auer (Klarinette, Saxophon), Alexander Lackner (Kontrabass), Ingrid Oberkanis (Schlagzeug, Perkussion) als musikalisches Umfeld, schaffte Krzystof einen präzisen wie musikalisch stimmungsvollen Klangbogen, der das Publikum begeisterte. 

 

Schwerpunkt Improvisation: Es gibt wohl kaum noch etwas, das man über den Klarinettist Louis Sclavis nicht schon geschrieben oder gesagt hätte. Der Franzose erweitert sein Universum immer mehr, überschreitet etablierte Genres und Stile, tastet sich vor, um dann auf Bekanntes und Traditionelles zu treffen. Sclavis brachte am zweiten Konzertabend sein 13. Soloalbum „Characters On A Wall“ live auf die Bühne. Mit ihm eine Instrumentalkonstellation, die der Klarinettist schon seit langem nicht mehr benutzt hatte: Benjamin Moussay am Piano, Sarah Murcia am Bass und Christoph Lavergne am Schlagzeug. Ein Jazzgenuss mit zweifacher Zugabe.

 

Der US-amerikanische Tubist Jon Sass präsentierte ein Programm mit einer vielfältigen Mischung afroamerikanischer Musik und bewegte sich zwischen Jazz, Funk, Soul, R&B und Hip-Hop. Begleitet wurde der „Tausendsassa an der Tuba“ von Angus Bangus Thomas am Bass, Alex Deutsch an den Drums und von Geri Schuller an den Tasten. Der Sänger Ola Egbowon war die Überraschung des Abends. Die wohl souligste Stimme Österreichs brachte Emotionen nonstop von der Bühne direkt ins Publikum. Das Programm war George Perry Floyd Jr. und dem Ruf nach Gerechtigkeit für Afroamerikaner gewidmet.

 

Am dritten Abend wechselte das Jazz im Hof Festival wetterbedingt in den frei:raum

St. Pölten. Um 19.30 startete Andreas Schaerer stimmgewaltig, gilt der Schweizer doch als einer der interessantesten Gesangskünstler der Musikszene weltweit. Und mit Luciano Biondini am Akkordeon, hat der Stimmjongleur nicht nur seine „anima gemella“ – Seelenverwandten – gefunden, sondern auch ein perfektes Gegenüber für musikalische Zwiegespräche. Das, was dort auf der Bühne abging, war ein feuriger Dialog in den verschiedensten Stimmlagen und Stilen, gepaart mit Beatboxrhythmen und Geräuschen. Biondini verstand es perfekt, die polyphon übereinander getürmten stimmlichen Instrumente Schaerers mit Eigenkompositionen und leidenschaftlichen canzoni zu verstärken. Bravo.

 

Mit einer Reise durch Ahnenklänge und modernen Jazz, die von Standing Ovations aus dem Publikum begleitet wurden, verabschiedete sich das Jazz im Hof Festival 2020. Für das Projekt „Dream Weavers“ haben sich drei internationale Jazzgrößen zusammengefunden, die im Stande sind, sich von den archaischen Stimmen der Insel Sardinien bis zur traditionellen Musik Vietnams musikalisch auszudehnen – und auch vor den Liedern Ägyptens bis zum Jazz Manouche nicht Halt machen. Der sardische Saxophonist und Polyinstrumentalist Gavino Murgia, der französische Gitarrist und Bassist Nguyên Lê sowie der herausragende Perkussionist und Tabla-Spieler Prabhu Edouard haben es verstanden, mit vielfach kontrapunktierenden melodischen Varianten und Rhythmik zu begeistern.

 

Wir gratulieren Caroline Berchotteau zu diesem tollen Programm!

 

 

Mehr Kritiken aus der Kategorie: