Amphitryon und sein Doppelgänger nach Heinrich von Kleist. Rez.: Johannes Schmid
Johannes Schmid
Gekonntes Verwirrspiel
Amphitryon und sein Doppelgänger
nach Heinrich von Kleist
Landestheater Niederösterreich
Großes Haus, 14.2.2014
Beginn: 19.30 Uhr
Dauer: 2 Stunden (keine Pause)
Gastspiel Schauspielhaus Zürich
Mit Carolin Conrad, Fritz Fenne,
Michael Neuenschwander,
Schwarz und Marie Rosa Tietjen
Jener bunte und schon vom antiken Menschen als grotesk und komisch empfundene Mythos, den Kleist seinem Drama in der Nachfolge von Plautus und Moliere zu Grunde gelegt hat, verfehlt auch heute seine Wirkung nicht, zumal wenn er so gekonnt bearbeitet wird wie vom Schauspielhaus Zürich. Alkmene erwartet sehnsüchtig ihren aus dem Krieg heimkehrenden Gatten Amphitryon; an seiner statt aber kommt Jupiter zu ihr, in Gestalt und Aussehen dem Gatten gleich, und genießt Liebesfreuden. Sosias, der Diener Amphitryons, den sein Herr in tiefer Nacht vorausgeschickt hat, um Alkmene sein Kommen anzukündigen, stößt auf Merkur, der Sosias aufs Haar gleicht und ihn mit Prügeln aus dem Haus treibt. Die Rückkehr des wirklichen Amphitryon stürzt Alkmene in Ungewissheit und Zweifel, ja lässt sie fassungslos zurück; denn ein Zerwürfnis mit dem Gatten kann nicht ausbleiben; vollends absurd wir die Situation, als Jupiter um seiner selbst willen geliebt sein möchte. Wer ist der wirkliche Gatte? In der Regie von Karin Henkel (Schauspielhaus Zürich) wird das Verwirrspiel um ein Vielfaches ausgeweitet und auf die Spitze getrieben; aus einer Person werden gleich vier oder der Mann schlüpft in die Rolle der Frau und vieles mehr. Ziel dieser Veränderungen ist die Übersteigerung des komischen Elements; eine Farce entsteht, die aber bei aller Komik die Identitätsproblematik nie aus dem Auge verliert, ja vielmehr erst wirklich glaubhaft macht und zeitgemäß deutet. Die schauspielerische Leistung ist enorm; zu Recht ernteten die Darsteller reichlich Applaus und Bravo-Rufe. Man wünscht sich mehr solche Gastspiele.