Der Mann der die Welt aß: Nis-Momme Stockmann. Rez.: Johannes Schmid
Johannes Schmid
Wider den Egoismus
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Der Mann der die Welt aß
Nis-Momme Stockmann
Landestheater NÖ, Theaterwerkstatt
Premiere: 10.03.2012, 19.30 Uhr
Österreichische Erstaufführung
Regie: Antje Hochholdinger
Ensemble des Landestheaters:
Elisabeth Luger, Katharina von Harsdorf
Klaus Haberl, Oliver Rosskopf, Othmar Schratt, Hendrik Winkler
Bühne und Kostüme: Dorothea Wimmer
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause
Stockmann zeigt in seinem Drama eines sehr eindrücklich, dass eine gewinnorientierte Gesellschaft, in der Altern und Siechtum, Verlust des Arbeitsplatzes und Erfolglosigkeit als Schwäche gelten und tabuisiert werden, auf Dauer keinen Bestand haben kann; der Einzelne, der lediglich seinen Vorteil im Auge hat und seine Mitmenschen verächtlich zur Seite drängt oder in ihrem Unglück allein lässt, wird letztlich selbst Opfer seiner rücksichtslosen Egomanie.
Ein Mann, ungefähr 35 Jahre alt, scheint ganz und gar den Erwartungen zu entsprechen, welche die heutige Gesellschaft an einen Menschen stellt: Er profiliert sich in seinem Beruf, strebt nach Erfolg und Anerkennung und lebt in überdurchschnittlichen Verhältnissen. Von seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er getrennt, denn Sorge um die Familie und Verantwortung als Vater erscheinen als obsolete Werte. Die Welt dieses erfolgsverwöhnten Egozentrikers bricht jäh zusammen, als er gekündigt wird und ihm die Aufgabe zukommt, sich um den dementen Vater zu kümmern. Wie ein Ertrinkender schlägt er um sich: Er misshandelt den kranken Vater, demütigt die geschiedene Ehefrau, bricht mit seinem besten Freund und ignoriert seinen Bruder, der nach einem Asthmaanfall zum Komapatienten wird. Oliver Rosskopf spielt überzeugend den Egoisten. Lebensecht wirkt der Wandel vom Erfolgsverwöhnten zum psychischen Wrack. Othmar Schratt verkörpert mit größtem Einfühlungsvermögen den dementen Vater, der unablässig den Kränkungen und Attacken seines Sohnes ausgesetzt ist. Katharina von Harsdorf geht auf in der Rolle der feinfühligen, stets um Versöhnung bemühten Geschiedenen. Hendrik Winkler stellt gekonnt den jüngeren Bruder Philipp dar. Klaus Haberl brilliert als Freund Ulf und als Firmenchef Bogensee. Elisabeth Luger mimt die Sekretärin Bogensees und eine Patientin.
Resümierend muss gesagt werden, dass wohl kaum ein anderes Theater über ein Ensemble verfügt, dessen Darstellungskunst und Zusammenspiel so vollendet sind, wie dies beim Landestheater Niederösterreich der Fall ist. Der Erfolg dieser Aufführung geht nicht zuletzt auch auf die hervorragende Regiearbeit von Antje Hochholdinger zurück. Den Freunden zeitkritischer Dramatik sei Stockmanns Stück gerade in dieser Besetzung und in dieser Inszenierung nachdrücklich empfohlen.