Die letzten Tage der Menschheit: Karl Kraus. Rez.: Eva Riebler
Eva Riebler
... UND DER DUMME PÖBEL MEINT
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DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT
Karl Kraus
Hans Hollmann liest
Landestheater NÖ, Großes Haus
20.01.12, 19.30 Uhr
Dauer: ca. 2 Stunden 15 Minuten inklusive Pause, Pause nach 1 Stunde
Hans Hollmann ist in St. Pölten seit der Uraufführung Thomas Bernhards „Verstörung“ 2010 im Landestheater als Fürst Saurau bekannt. Dieses Mal wollte Hollmann die Spuren Helmut Qualtingers als legenderen Interpreten des Herrn Karl aus unserem Gedächtnis löschen. Lassen wir beide berechtigt nebeneinander bestehen, denn Die letzten Tage der Menschheit sollen von jeder Generation live gehört und erlebt werden. Sind es doch die Vertreter des Volkes selbst, die den (Klein)-Geist der Zeit auf der Zunge tragen. Sie entlarven ihre Dummheit und die Doppelbödigkeit der Worte durch ihren nachlässigen Gebrauch der Sprache. Martin Luther schaute dem Pöbel noch aufs Maul, um seine Bibelübersetzung oder seine Aufrufe volksnahe und verständlich darzubringen. Karl Kraus geht den umgekehrten Weg und enttarnt das Volk, vor allem das Wiener-Volk mittels seiner Sprache. Es kommen der Nörgler, ein Alter Ego Karl Kraus, und der Optimist, die Journalisten und die Schauspielerin, die am Eck Ringstraße/Sirkgasse herumstehen und u.a. den Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 unsinnig kommentieren und oft auf den einfachen Nenner zu bringen sind: Wir sind korrupt, dumm oder berechnend bzw. Wir san wir. Andere Gesprächsteilnehmer wie der Feldkaplan, Admiräle und Soldaten schüren die Dummheit mit kurzen Statements, wie: „Ein jeder Russ – ein Schuss; jeder Franzos – ein Stoß: jeder Brit` – ein Tritt! - Ist doch der Krieg die natürlichste Beschäftigung des Mannes! – Die Sache, wofür wir ausgezogen sind, ist eine gerechte!“
Tatsächlich stammen die Zitate zu einem Drittel aus originalen Leitartikeln und Kriegsberichten, militärischen Tagesbefehlen, Gerichtsurteilen, Predigten und Theaterkritiken.
Und leider ist auch heute die Dummheit noch nicht ausgerottet, der Pöbel und der Wiener Mundl nicht enttarnt. Der Theaterabend diente allerdings dazu und war ein Schritt in die richtige Richtung. Hans Hollmann sollte ob seines tragisch-komischen Darstellungsvermögens mit diesem Programm live in unseren Klassenräumen Einzug halten!