Ein Sportstück: Elfriede Jelinek. Rez.: Gisela Linschinger
Gisela Linschinger
Sports Play – „Ein Sportstück“ in Watte gepackt
Eine Theaterkritik, die ohne Schleef-Vergleich auskommen will. Und schon ist es passiert.
![]() |
|
Delia Remy als Frau. (Foto: Ian Hughes) |
Ein Sportstück
Elfriede Jelinek
LICA (Nuffield Theater) am Campus der University of Lancaster
11.07.2012
Regie: Vanda Butkovic
Buch:
Ein Sportstück: Elfriede Jelinek. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1998
Sports Play: Elfriede Jelinek. London: Oberon Books, 2012
Übersetzung: Penny Black mit einem Vorwort von Karen Jürs-Munby
Gisela Linschinger bereiste 2012 England und nahm als einzige Nicht-Vortragende an der Jelinek-Konferenz in Lancaster teil.
Diesen Sommer waren auffällig viele Läuferinnen und Läufer auf österreichischen Gehsteigen, Parkwegen, Forststraßen, Straßenrändern und Laufbändern unterwegs. Auffällig, auffällig. Da muss doch etwas vorgefallen sein. Solche Massenbewegungen treten sonst nur in Zusammenhang mit großen Sportveranstaltungen auf. Das ist verdächtig. Schauen wir uns doch einmal das Fernsehprogramm vom Juli an – tatsächlich! Olympische Spiele!
Seltsame Dinge passieren in so einem Jahr. Sogar das Österreichische Kulturforum in London hat begonnen, sich für Sport zu interessieren und „Ein Sportstück“ von Elfriede Jelinek ins Englische übersetzen lassen, damit es in Großbritannien auf Tournee gehen kann. Dabei bräuchten die Briten gar nicht über den Stolz auf ihre Sportler nachzudenken, denn der blieb ja unverletzt.
Trotzdem schickte man sie durch das Purgatorium „Sports Play“ in der Übersetzung von Penny Black, dessen Premiere am 11. Juli 2012 im LICA (Nuffield Theater) am Campus der University of Lancaster im Rahmen der Konferenz „Jelinek in the arena: sport, cultural understanding and translation to page and stage“ (11.-13. Juli 2012) gefeiert wurde. Obwohl man sagen muss, dass Dank der Übersetzungsherausforderungen der Text nicht-nacherzählbaren Inhalts vereinfacht wurde – ja, manche Stellen richtig ins Ohr gehen und als Slogan funktionieren: „Where you are not, that is where your happiness is“, heißt es bei Black, im Original „Dort wo du nicht bist, dort ist für dich das Glück.“
Jelineks 1998 in Reaktion auf den Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien erschienenes Stück, mit dem sie ihre Angst vor der emotionalen Aufladung sportlicher Massenveranstaltungen ausdrückte, Sport als eine Form von Krieg in Friedenszeiten interpretierte und den Fitnesswahn karikierte, wurde für diese Aufführung auf das Hauptthema Sport verkürzt, ohne die kompositionale Architektur zu zerstören, so Karen Jürs-Munby in ihrem Vorwort zur englischen Ausgabe, die bei Oberon Books erschienen ist. Und trotzdem sprach die englische Kritik von einer gewaltigen Anstrengung für Schauspieler – „A marathon effort lifted by humour“, Donald Hutera/The Times – und Zuschauer – „watching it is an endurance sport itself“, Elisabeth Mahoney/The Guardian. Etwa zwei Stunden lang kehrten sechs mit Besen bewaffnete Akteurinnen und Akteure 140 Kilo „Fluff“, jenes Material, mit dem man normalerweise Stofftiere und nicht sich selbst ausstopft, zu ihrem Bühnenbild hin und her und deklamierten die Monologe und Chöre aus „Ein Sportstück.“
Um sich vom Olympischen Komitee, das Alkoholwerbung während der Spiele untersagt hatte, intertextuell abzugrenzen, ließ Regisseurin Vanda Butkovic die Mimen ihrer Kompagnie „Just a must“ in von der Salzburger Brauerei Stiegl gesponsorten Sportleiberln auftreten. (Stiegl wurde auch an der Bar des LICA Theaters verkauft: „May I have a beer, please? “ - „Would you like a Staigl?“)
Die siebte Schauspielerin verkörperte Elfi Elektra mit original Jelinek-Tolle und verweilte in ihren Sprechpausen am Bühnenrand, während geturnt, gejoggt, gecatcht, gegolft, getaucht und geworkoutet wurde. Als sich das Ensemble nackt im kniehohen Watteberg zusammendrängte, kam sie hervor und begann ihren Schlussmonolog mit den Worten „Please let me finish what I have to say.“
Das Publikum in Lancaster würdigte die Performance mit tosendem Applaus und erfreute Peter Mikl vom Österreichischen Kulturforum, der Jelinek zu recht für eine in Großbritannien zu unrecht unbekannte österreichische Autorin hält: Tatsächlich glänzen Stücke dank ihres post-dramatischen Stils auf britischen Bühnen durch Abwesenheit. Einer jungen praktizierenden Katholikin war selbst ein Sportstück zu viel: „This play as a whole clashes with all my Christian values!“
Die Tournee endete am 4. August 2012 im Chelsea Theatre in London.
LitGes, Oktober 2012