Einsame Menschen: Gerhart Hauptmann. Rez.: Johannes Schmid
Johannes Schmid
ISOLATION UND FREMDHEIT
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EINSAME MENSCHEN
Gerhart Hauptmann
Landestheater Niederösterreich, Großes Haus
Premiere: 28.01.2012, 19.30 Uhr
Ensemble des Landestheaters mit Gästen
Regie: Janusz Kica
Bühne: Karin Fritz
Mit:
Brigitta Furgler, Antje Hochholdinger, Christine Jirku,
Pauline Knof, Ulrike Sophie Rindermann
Klaus Haberl, Christian Nickel,
Oliver Rosskopf, Helmut Wiesinger
Dauer: 2 Stunden, keine Pause
Hauptmanns zeitloses Stück, vorbildlich, ohne jegliche verfremdende und plumpe Effekte inszeniert von Janusz Kica, zeigt durch die eindrückliche Darstellung vielfältiger Konflikte Isolation und Vereinsamung des Einzelnen in einer familiären Gemeinschaft und mithin Gefährdung und Brüchigkeit, ja auch Verlogenheit ebenjener Gemeinschaft selbst. Der junge und ehrgeizige, atheistischen naturwissenschaftlichen und philosophischen Konzepten aufgeschlossene Denker Johannes Vockerat und seine Frau Käthe, welche die wissenschaftlichen Interessen ihres Mannes nicht teilt und mangelnder Bildung wegen auch nicht teilen kann, haben gerade ihr erstes Kind bekommen. Das Verhältnis zwischen beiden ist angespannt. Plötzlich steht die Studentin und emanzipierte Frau Anna Mahr vor der Tür. Sie hat die Absicht, dem Maler Braun, einem Freund der Familie Vockerat, einen Besuch abzustatten. Johannes erliegt der selbstbewussten Intellektuellen und lädt sie ein, für einige Wochen bei ihnen zu wohnen. Es kommt unweigerlich zu Konflikten, die sich gegen das Ende des Dramas zuspitzen. Johannes Vockerat, der, aller religiösen und familiären Bindungen überdrüssig, dem Verhältnis zu Anna Mahr seine Ehe opfert und in offenen Gegensatz zu seinen frommen Eltern tritt, wird überzeugend dargestellt von Christian Nickel. Helmut Wiesinger und Brigitta Furgler brillieren in der Rolle der Eltern. Nicht mehr zu übertreffen ist Antje Hochholdinger als Käthe Vockerat. Vollendet spielt sie die gedemütigte Gattin, die, der Konvention der Zeit entsprechend zu Häuslichkeit und bedingungsloser Gattenliebe erzogen, an der Arroganz und der zunehmenden Gefühlskälte ihres Mannes sowie an erschütternden Selbstzweifeln, die sie an den Rand des Selbstmords treiben, zu Grunde zu gehen droht. Pauline Knof mimt mit größtem Einfühlungsvermögen Anna Mahr, die durch ihr Erscheinen die Familie Vockerat in den Untergang stürzt, wenngleich nicht willentlich. Knof gelingt es vorzüglich, alle Facetten dieser Rolle, von kühlem Intellektualismus bis hin zu liebender Anteilnahme an fremdem Geschick, authentisch zur Darstellung zu bringen. Oliver Rosskopf spielt beeindruckend den Maler Braun, der im Laufe des Stücks immer mehr die Funktion des Mahners und Moralisten einnimmt. Klaus Haberl verkörpert souverän den Pastor Collin. Christine Jirku besticht als Frau Lehmann, die als leidgeprüfte Mutter von fünf Kindern nur zu gut vom Scheitern familiärer Bindung zu berichten weiß. Das Hausmädchen Minna wird von Ulrike Sophie Rindermann dargestellt. Wer die Möglichkeit hat, sollte diese vorbildliche Aufführung von „Einsame Menschen“ nicht versäumen. Man erlebt, wonach man als Theaterbesucher verlangt: erstklassige Schauspielkunst.