Festspielhaus St.Pölten: Carmina Burana von Carl Orff, Fassung Killmayer, 22.04.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis
Eva Riebler-Übleis
Leidenschaftlich - gewaltig!
Highlights: Martin Grubinger, Antonio Giovannini, Adrian Eröd, Heinz Ferlesch
Festspielhaus 22.4.16, 19.30 Gr. Haus
Carmina Burana von Carl Orff, Fassung KillmayerWenn Carmina Burana angekündigt ist, freue ich mich und muss hingehen!
Wenn Martin Grubinger mit seinem Percussive Planet Ensemble nicht nur im Wiener Konzerthaus, sondern auch im St.P. Festspielhaus auftritt, ist es die Steigerung der Steigerung!
Allerdings rechne ich dann schon automatisch mit den Klavierzwillingen Ferhan und Ferzan Önder, die sich oft eine Klavierstimme auf zwei zerlegen und ihre Wichtigkeit mit manieristischen Handhebungen erklingen lassen, jedoch nicht mit dem Werk Fazil Say (*1970). Aber gut, die hintan gehaltene Erwartung, steigert sich ja nach 50 Minuten zum zerbersten! Und die Lebensreise mit I. Silver Bells, II. Golden Bells, III: Brazen Bells und IV. Iron Bells war ja in der musikalischen Sprache gewaltig und passte zum Ausdruck des Frühlings in „Uf dem Anger“, der Trink- und Fresslust in „In Taberna“, sowie dem Erklingen der Hochzeitsglocken in „Cour d`amours“ der Carmina Burana- Lieder. Auch die Instrumentation der Glocken, Becken und Pauken ist beiden Stücken ähnlich. Bei der Uraufführung „The Bells“ von Fazil Say 2014, einem Auftragswerk der Chorakademie Lübecks, stand ebenfalls nach der Pause die Carmina Burana auf dem Programm. Ebenfalls war Martin Grubinger mit seinem Ensemble bei der Uraufführung, allerdings war ein einziges Klavier, bespielt vom Komponisten selber, auf der Bühne der Konzerthalle Lübeck.
Und auch in St.P. erklang nach der Pause Carmina Burana gewaltig und faszinierend in der musikalischen Sprache Carl Orffs, arrangiert von seinem Schüler Wilhelm Killmayer, der ebenfalls ein an den gängigen Musikbetrieb Unangepasster ist. Eruptiv, wild und extrem zart z.B. beim herausragenden Solo des armen sterbenden, angebrannten Schwans vom Countertenor Antonia Giovanni aus Florenz. Genauso einzigartig brillierte der Bariton aus der Wiener Staatsoper, Adrian Eröd, und ließ sich von den stimmgewaltigen Chören (Chor Ad Libitum aus St. Valentin und dem Kinderchor Gumpoldskirchner Spatzen) nicht beeinträchtigen. Weltliche einfache Trinklieder wechselten mit mittellateinischen, geistlichen Chorliedern ab, ohne den mittelalterlichen Touch zu verlieren.
Vom Arachaischen her, vom Lob auf die Lebenslust und vom Gang durch die Jahreszeiten passte die vor der Pause aufgeführte Glocken-Kantaten Fazil Says wunderbar und ließ ein begeistertes Publikum zurück!
Und natürlich gebührt ein großes Lob dem Dirigenten, dem gebürtigen Niederösterreicher und Kulturpreisträger Niederösterreichs 2013 Heinz Ferlesch!