Tape: Stephen Belber. Rez.: Ingrid Reichel
Ingrid Reichel
Tape without tape
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Tape
Stephen Belber
Dt. Übersetzung: Mojca Megusar/Ulrich Gehmacher
Landestheater NÖ, Großes Haus
31.01.01, 19.30 Uhr
Regie: Stefan Pucher
Mit: Felix Goeser, Bernd Moss, Nina Hoss
Dramaturgie: Claus Caesar
Musik: Christopher Uhe
Live-Video: Stephan Komitsch
Gastspiel: Deutsches Theater Berlin
Österreich-Premiere
Dauer: 1 Std. 15 Min. (Keine Pause)
An zwei aneinander folgenden Abenden gastierte das Deutsche Theater Berlin mit seiner Inszenierung des amerikanischen Stücks „Tape“ des 1967 in Washington D.C. geborenen Dramatikers, Drehbuchautors und Filmregisseurs Stephen Belber. Für sein 1999 geschriebenes Drei-Personen-Stück „Tape“ verfasste er auch das Drehbuch des 2001 realisierten und gleichnamigen Films von Richard Linklater mit Ethan Hawke, Robert Sean Leonard und Uma Thurman.
Zehn Jahre nach der High School treffen sich die beiden Freunde Vince und Jon in einem Zimmer eines billigen Motels wieder. Jon ist mittlerweile ein erfolgreicher Low-Budget-Filmemacher und präsentiert seinen neuesten Film bei den örtlichen Filmfestspielen. Vince ist auf der Sozialleiter nicht gerade emporgestiegen, er säuft, kokst und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit diversen Drogendeals. Sein letzter moralischer Beitrag an die Menschheit ist, dass er als freiwilliger Feuerwehrmann dient. Vince, der wegen seines arschlochmäßigen und zur Gewalt tendierenden Benehmens sowie seines dekadenten Lebensstils von seiner langjährigen Freundin Lea verlassen wurde, muss sich von Jon die Leviten lesen lassen. Die alte männliche Rivalität zwischen den beiden entflammt erneut. Vor allem weil Vince seine erste Beziehung mit Amy an der High School noch immer nicht überwunden hat. Denn Jon bekam von Amy am Abschlussball das, was Vince schon lange gerne gehabt hätte: eine Liebesnacht mit Amy. Der Schmerz der Verschmähung sitzt tief. Doch während der vergangenen Jahre erfuhr Vince von Amy, dass die vermeintliche Liebesnacht in ein „date-rape“ ausgeartet ist. Vince setzt nun Jon unter Druck und fordert von ihm ein Geständnis dieser Vergewaltigung, das er heimtückisch auf einem Magnetophonband aufzeichnet. Nebenbei hat Vince mit Amy, die in der Gegend wohnt und in der Staatsanwaltskanzlei tätig ist, telefonisch ein Treffen im Motel vereinbart. Als Amy erscheint und im Laufe der unangenehmen Unterhaltung mit den beiden Freunden plötzlich leugnet, einst von Jon vergewaltigt worden zu sein, entwickelt sich die zunächst klischeehafte und typisch amerikanisch anmutende Alltagsstory vergangener Highschool-Tage zu einem rasanten gefinkelten Nervenkitzel. Ein großartiges Stück, dass leider trotz Starbesetzung an der zu deutschen Inszenierung leidet. Die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin Nina Hoss konnte trotz guter Gesichtsmimik die vielseitigen Facetten der Amy, die sich als wahrer Racheengel entpuppt, nicht wirklich gerecht werden. Zu steif war ihr Auftreten, zu deutsch ihre Sprache. Bernd Moss, der die Rolle des Jon verkörpert, erscheint zu geschniegelt und auch zu alt, um glaubwürdig den einst aus der Rolle geratenen Verführer zu mimen. Bleibt einzig Felix Goeser als Vince der den ins gesellschaftliche Abseits geratenen und dennoch um Gerechtigkeit und moralische Instanz ringenden Amerikaner überzeugend darstellen konnte. Besonderes schauspielerisches Talent bewies Goeser, als nach dem Handgemenge mit Jon um das Magnetophonband, das Tape tatsächlich bei der Aufführung am 31.01.13 auf der Bühne verloren ging. Dafür gebührt ihm ein Extraapplaus.