Anna Baar: Als ob sie träumend gingen. Rez.: Cornelia Stahl

 

Cornelia Stahl
Rückblick auf ein unerfülltes Leben

Anna Baar: Als ob sie träumend gingen.Roman.
Göttingen: Wallstein Verlag, 2017.
208 Seiten.; gebunden.
ISBN 978-3-8353-3124-2

Ein Mann namens Klee liegt im Sterben. 76-jährig, blickt er zurück auf sein Leben, sehnt sich nach Lily, der Tochter des jüdischen Arztes im Dorf. Nur sie ist geblieben in seiner Erinnerung, seine Brüder sind verschwunden, haben dem tristen Leben den Rücken gekehrt und sich aufgemacht in die Welt, nach Amerika und Australien. Er selbst, geblieben in der ländlichen Provinz,wächst in Armut auf und bekommt die Härte und Ohnmacht der verbitterten Mutter zu spüren. Doch die Zeiten ändern sich. Als der Krieg ausbricht, muss Klee zum Militär, kehrt irgendwann verwundet zurück und bildet im Ort eine Widerstandsgruppe. Doch die SS übernimmt die Führung, rächt sich an den Überfällen der Partisanen mit Bränden und Exekutionen an harmlosen und geistesschwachen Dorfbewohnern. Diesen Auseiandersetzungen fällt auch das Elternhaus Lilys zum Opfer. Der Krieg ist irgendwann vorbei, Klee wird als Kommandeur einer Partisanentruppe als Held gefeiert. Ihm wird sogar ein Denkmal errichtet. Doch Klee selbst fühlt sich unwohl in seiner Haut, ist alles andere als glücklich, findet keinen Anker in Friedenszeiten, denn das Wichtigste fehlt ihm: Lily, seine unerfüllte, niemals gelebte Liebe. Selbst nach Jahren als Seemann auf dem Mittelmeer und nach der Heirat mit Ida und der gemeinsamen Tochter, blickt er träumend auf sein Leben zurück: auf seine Kindheit und Jugend. Und auf Lily, die als Jüdin von Deutschen erschossen wurde.

Am Ende des Buches sind wir, einem Engel gleich, erneut mit Klee im Spitalszimmer, seiner letzten Station, den Tod erwartend.
Anna Baar, geboren, 1973 in Zagreb, erzählt mystisch, sprachmächtig und mit viel Pathos, ein Leben zwischen Geburt und Tod. Mit ihrem autobiografisch grundierten Vorgänger Die Farbe des Granatapfels erregte sie bereits große Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Feuilleton! Ihr neues Buch, mitunter düster und melancholisch, schafft die geniale Verbindung zwischen Musik, Malerei (Paul Klee) und dem Erzählen eines Menschenlebens, eingebunden in historische Bezüge.

 

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