Wolfgang Mayer-König: Das verspottete Recht

Was hilft es, wenn durch höchstgerichtliche Entscheidung ein Gesetz, eine Verordnung, ein Bescheid als rechtswidrig aufgehoben wird. Der entstandene Vermögensschaden für den einzelnen Betroffenen einer rechtswidrigen Maßnahme oder Entscheidung wird nicht automatisch wieder gutgemacht. Und sollte er doch individuell erfolgreich prozessual bekämpft-, und wegen des erlittenen Entganges zwischenfinanziert hat werden müssen, dann kann sich der Betroffene trotz seines Obsiegens am Ende gedanklich aussuchen, ob er um das Kapital oder die Kreditzinsen umgefallen ist. Hätte man nicht geklagt, respektive keine Beschwerde beim Höchstgericht erhoben, wäre es bezüglich des Schadens auf das Gleiche herausgekommen.

Aber selbst bezüglich des "klüger werden für ein nächstes Mal" ist das mit der öffentlichen Hand so eine Sache. Sie tendiert schon deshalb dazu, sich für eine Wiederholungstäterschaft zu prädestinieren, weil sie sich schon mit Vorahnung auf die Rechtswidrigkeit ihrer legistischen Maßnahme bewußt darauf einlässt, sich nach weidlicher Entfaltung von deren Wirkung auf die Bevölkerung, auf eine spätere oder sogar gleichzeitige Befassung der Höchstgerichte ausredet, beruft, und abschätzig bemerkt, wenn diese dann endlich entschieden sei, würden diese Bestimmungen ohnehin nicht mehr gelten. Die Regierung werde eilig beschlossene Gesetze, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, nicht reparieren. Dass manche Gesetzestexte mangelhaft seien, werde damit begründet, "dass man in Eile gehandelt habe, bis eine Überprüfung durch die Höchstgerichte stattfinde, werden sie nicht mehr in Kraft sein". Solcher Zynismus als rechtspolitische Rechtfertigung ist unüberbietbar. Was jedoch verwundern kann, ist, dass der Bundespräsident solche Gesetze gegenzeichnet. Er verfügt ja über Beamte, die eine solche Sichtung vornehmen könnten und müssten. Wozu denn sonst die Gegenzeichnung ?

Aber auch in der bisherigen Rechtspraxis gibt es einen überaus freien Spielraum in der Entscheidung, ob gesatztes oder judiziertes Recht mehr zur Anwendung kommt . Einmal wird der Kasuistik, ein andermal dem Wortlaut des Gesetzestextes der Vorzug gegeben. Auch damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Das alles ist nur möglich, weil auch mit der Begründungsnotwendigkeit rechtsrelevanter Entscheidungen flexibel und arglos umgegangen wird. So scheint es geradezu absurd, dass die Abweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses, auch bei Klärung einer grundlegenden Rechtsfrage, vom Gesetz her n i c h t begründet werden muss.

So wird jedenfalls nicht unterbunden, dass der Staat auch nur ansatzweise wie ein rücksichtsloser Gewalttäter seinen eigenen Bürgern gegenüber auftreten könnte.