Buch

Katalin Pécsi: Salziger Kaffee

Eva Riebler

Katalin Pécsi: Salziger Kaffe.
Esther´s Books, dt. Berlin
Gedenkst. Dt. Widerstandes
2009, 236 Seiten
978-3-926082-39-8

Unerzählte Geschichten jüdischer Frauen. Da die Autorin und Sammlerin von Erzählungen jüdischer, vor allem ungarisch-jüdischer, Frauen meint, die Stimme der Frau aus den Kriegstagen des II. WK fehle, habe sie zu sammeln begonnen. Zuerst startete sie Vorlese- Stunden in Kaffeehäusern oder Galerien in Budapest, um 2007 wurden diese auf Ungarisch und Englisch zu drucken . Katalin Pécsi meint, dass Frauen die Not, Verfolgung, Gefangenschaft, Angst vor Männergewalt, Flucht usw. anders erlebten als die davon Zeugnis gebenden Männer. Auf Jüdisch ist Erinnern männlich . Es heißt der Mann: Der sich Erinnernde- Zakhar und die Frau: Das Loch – Nekeva, die/das nicht in der Lage ist, sich zu erinnern. Dem wirkt sie entgegen. Vor allem hat sie die zahlreichen Erlebnisse ungarischer oder tschechischer Frauen, die sich später als Ärztinnen, Psychologinnen, bildende Künstlerinnen oder Autorinnen und Wissenschaftlerinnen etablieren konnten. Allen tat es gut, sich ihrer Geschichte oder ihrer Geschichten zu entledigen, da sie für die Nachwelt aufgezeichnet wurden. In Ungarn war die strikte Verfolgung der Juden ja erst ab 1944 so richtig in Gange und daher konnten hier eher Juden das letzte Kriegsjahr mit viel Zufall, Nachbarschaftshilfe oder List überdauern. Mit diesem spannenden Werk ist ihr das Herausnehmen einzelner Schicksale aus dem anonymen Vergessen sicher gelungen. Als Autorin und Literaturwissenschaftlerin aus dem Bereich der Zeitgenössischen jüdischen Literatur und des Films, des Holocausts und der Frauenliteratur, als Leiterin der alternativ-pädagogischen & kulturellen Abteilung des Holocaust Gedenkzentrums Budapest und Gründerin und Vorsitzende des jüdischen feministischen Vereins Eszter Ház (Esthers Haus) ist sie die richtige, seriöse Herausgeberin für diesen Gedenkband.

Zdenka Becker: Samy

Cornelia Stahl

Zdenka Becker: Samy
Meßkirch: Gmeiner-Verlag.
Roman. 2018, 283 Seiten.
ISBN: 978-3-8392-2254-6

Wenn dem Anderssein der Platz entzogen wird. Dem Thema europäischer Identität nimmt sich Becker im neuen Roman „Samy“ an. Die Handlung spielt in der Slowakei, denkbar wäre aber durchaus ein beliebiger Ort in einem der ehemals sozialistischen Staaten. Im Fokus steht Protagonist Samy, Sohn einer Slowakin und eines indischen Psychiaters, der in Wien lebt. Samy hingegen wächst allein mit seiner Mutter Olga in der Slowakei auf. Von Kindertagen an wird er von Gleichaltrigen gemobbt augfrund seiner dunklen Hautfarbe. Ratlos schauen die Pädagoginnen des Kindergartens auf das Szenario,das sich täglich abspielt und erklären Unterschiede anhand eines Rassenmodells. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass Einflussgrößen wie Sozialisation und kollektive Identität latent die Fäden im Hintergrund ziehen. Während sich in der Jugendbande der Stadt Nationalstolz ausbreitet und allmählich Waffen ins Spiel kommen, zieht sich Samy sukzessive zurück, unterdrückt sein Anderssein. Die Gespräche mit seiner Mutter stiften eher Verwirrung bei ihm, denn Olga suggeriert ihrem Sohn, dass er eine weiße Haut hat, genau wie die anderen Kinder auch. Der Roman, der sich wie ein Krimi liest, beruht auf wahren Begebenheiten und erzeugt mitunter Gänsehaut. Mechanismen wie Verleumdung, Ignoranz und gegenseitige Täuschung, die während der Zeit des Kalten Krieges im Sozialismus systemimmanent waren, werden bei den handelnd Personen sichtbar. Als Samy überraschend die Diagnose Depression erhält, scheint Olga aufzuatmen, wirkt diese doch entlastend und ist ein Vorwand, eigenes Versagen zu verdecken und Verantwortung an Ärtze zu delegieren. Am Ende eskaliert das Szenario. Zdenka Becker, geb. in Tschechien, lebt in St.Pölten, skizziert mit „Samy“ das Psychogramm einer Gesellschaff, die mit historischen Mustern kollektiver Identität arbeitet, einer Identität, die auf Nationalität fußt, in der Anderssein keinen Platz hat. Unbedingt lesen! C

Karoline Cvancara: Horak hasste es, sich zu ärgern

Klaus Ebner

Karoline Cvancara: Horak hasste es, sich zu ärgern
Roman, 240 Seiten
Verlag Wortreich, Wien 2018
ISBN 978-3-903091-40-5

Eigene Welt. Jeden Abend findet Erwin Horak sich im Wiener Lokal Hummel ein, um Zeitung zu lesen, etwas zu essen und einmal in der Woche mit seinem Freund und Kollegen Kurt zu schnapsen. Vor allem aber, um in Ruhe gelassen zu werden – sogar die Kellner, die ihn seit Jahren kennen, stellen ihm das Bier unaufgefordert auf den Tisch. Erwin ist ein Grantler, wie er im Buche steht. So gut wie alles geht ihm auf die Nerven, und vor allem andere Menschen. Dass er als Mittelschulprofessor arbeitet, erstaunt, aber natürlich widern ihn auch die Kinder an und er wartet sehnlichst auf die Pension, die der vier Jahre ältere Kurt diesen Sommer antrat. Elfriede Steiner ist Trafikantin, frisch geschieden und eben dabei, sich das Leben neu einzurichten. Ihre vergangene Ehe bezeichnet sie als freudlos und einengend, und jetzt will sie endlich tun und lassen, was ihr gefällt. Sie entdeckt ihre Unternehmungslust und immer häufiger kommt auch sie ins Hummel. Als eines Tages ein Wolkenbruch die Gäste im Freien überrascht, läuft sie ins Innere des Lokals und landet, weil sonst nichts mehr frei ist, an Erwins Tisch. Der ist natürlich alles andere erfreut und versucht mit allen Mitteln, sie zu vertreiben. Elfriede jedoch bleibt – auch zu ihrer eigenen Überraschung – dran, denn die mürrische Art des Herrn Professors reizt sie und weckt in ihr Abenteurergeist und Neugier. Die bissigen Gespräche des Grantlers und der Lebenslustigen an diesem Abend und den folgenden mutieren zu einem schrill-heiteren Feuerwerk, das Lesende dieses Buch keinen Moment mehr weglegen lässt. Eine überraschende Wendung jagt die nächste, ebenso ein Lacher den nächsten. Mehr verraten wird an dieser Stelle nicht – lesen Sie selbst! Der Roman der 1974 in Wien geborenen Karoline Cvancara überzeugt mit feinem Wortwitz, erfrischender Dreistigkeit und einer Geschichte, in der Gefühle keineswegs zu kurz kommen.

Roswitha Klaushofer: Die Inseln

Eva Riebler

Roswitha Klaushofer: Die Inseln
Nach 16 B l. v. Wolfgang Seierl
Edition Tandem 2017
ISBN 978-3-902932-76-1

Weite statt Enge. Nach dem Lyrikband „Hinter dem Scheibenglas“ (Edition Tandem 2014) mit eigenen Zeichnungen hat nun Roswitha Klaushofer, Lyrikerin und Musikerin aus Zell a. See/Szbg. einen Gedichtband nach 16 losen Blättern von Wolfgang Seierl zusammengestellt. W. Seierl, geb. 1955 Wien, studierte Musik in Wien/Szbg.und Malerei an der Akademie der bildend. Künste Wien und hat mit der Lyrikerin die Musik als Verbindungsglied. Als Anregung zu seinem Zyklus diente ihm „Les Iles“ von Jean Grevier aus dem Jahre 1991. In diesem Werk geht es genauso um innere Inseln, Inseln der Befindlicheiten, Angste, süchte etc. Die 16 ausgewählten Bilder W. Seierls zeugen von Bewegung und Bewegtheit, sind skizzenhaft, stimmungsvoll und frei. Geprägt vom Strich, der zusammen und auseinander strebt, setzt der Farben in Beziehung. Seine Malerei ist abstrakt und frei, d.h. sie entziehen sich der direkten Interpretation und Deutung und können daher nur zu Texten finden, die ebenfalls auslegbar, interpretierbar nach allen Richtungen sind. Und so gestaltet R. Klaushofer stets ihre Zeilen. Ihr ist genauso das Offene, das Weite statt dem Engen wichtig. Ihre Texte sind ernsthaft und nehmen die Stimmung der Vorlagen auf. Im wahrsten Sinne des Wortes drückt sie in ihren Miniaturen auch die Bewegung aus. Wenn sie schreibt: Leuchtturminsel I: Wir bewegen uns//bewegen uns immer noch/auf die leuchtende Insel zu. Und II: In der Dämmerung/ Schwimmender/ein Leuchtturm/dessen Licht erloschen//einmal/und nicht mehr. Klaushofer weiß um die Verletzlichkeit der Sprache, der einsamen Verhältnisse und schreibt in: Insel der Einsamkeit: Wirbellos/das zersprungene Wort/an der Brandung. Und in der Textminiatur Insel des letzten Menschen heißt es: Still/ schleicht der Wind//klappt auf/klappt zu. Einerseits, glaubt man, ist es ein Buch für Eilige, denn die Texte sind kurz, jedoch dauert die Erfassung von Zeilen und Bild lange und brennen noch länger nach. Ein sehr dichtes, empfindsames Werk!

Uwe-Michael Gutzschahn: Die Muße der Mäuse

Eva Riebler

Uwe-Michael Gutzschahn: Die Muße der Mäuse
Gedichte. Ill. Manfred
Schlüter, Elif Verlag
2018, 80 Seiten
ISBN 978-3-9496989-11-0

Zur Erheiterung der Kinder. Es darf wieder gereimt werden und in der „Li” oder „Bi”-Sprache geredet werden! Denn alles, was Kinder zum Lachen bringt ist ein Gewinn. Sprachspielereien sind stets sozial- und entwicklungs-pädagogisch wertvoll und animieren zum weiteren Wort-Basteln. Um dies zuwege zu bringen ist natürlich das Durchschauen des Aufbaues der Sprache nötig, sowie ein Reflektieren darüber: Was ist lustig? Welcher Doppelsinn klingt an? Welche Sinnerweiterungen sind möglich? Wie oder was soll verkleidet oder versteckt werden? Wird es nicht zu verkopft sondern für junges Lesepublikum leicht erfassbar? Sieht man das Gedicht „Sonnenstich”S. 40 an, so wird auch einem Erwachsenen klar, wie lustvoll Wortverdrehungen sein können und dass sich das Bild des Inhaltes nicht schmälert sondern erweitert. Aus vier Substantive ergeben sich zahlreiche mög- und unmögliche Wortkombinationen: Der ursprgl. Zweizeileer: Am Baggersee auf der Liegewiese / liegen Badenixen in der Sommerbrise. Aus den Badenixen werden „Nadebixen, Sommerbrixen“ usw. Lautmalerei und Wortneuschöpfungen sind angesagt! Kurzum: ein herrliches Kinderbuch mit 45 Gedichten! Auch eine CD ist beigegeben und die Illustrationen des Kinderbuchautors Schlüter sind einfach köstlich und einfallsreich!