Buch

Uwe-Michael Gutzschhahn: Die Muße der Mäuse. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler

Uwe-Michael Gutzschhahn
Die Muße der Mäuse. Gedichte. Ill. Manfred Schlüter

Elif Verlag 2018, 80 S.
978-3-9496989-11-0

Zur Erheiterung der Kinder. Es darf wieder gereimt werden und in der „Li“ oder „Bi“-Sprache geredet werden! Denn alles, was Kinder zum Lachen bringt ist ein Gewinn. Sprachspielereien sind stets sozial- und entwicklungs-pädagogisch wertvoll und animieren zum weiteren Wort-Basteln. Um dies zuwege zu bringen ist natürlich das Durchschauen des Aufbaues der Sprache nötig, sowie ein Reflektieren darüber: Was ist lustig? Welcher Doppelsinn klingt an? Welche Sinnerweiterungen sind möglich? Wie oder was soll verkleidet oder versteckt werden? Wird es nicht zu verkopft sondern

Sieht man das Gedicht „Sonnenstich“ S. 40 an, so wird auch einem Erwachsenen klar, wie lustvoll Wortverdrehungen sein können und dass sich das Bild des Inhaltes nicht schmälert sondern erweitert. Aus vier Substantive ergeben sich zahlreiche mög- und unmögliche Wortkombinationen: Der ursprgl. Zweizeileer: Am  Baggersee auf der Liegewiese / liegen Badenixen in der Sommerbrise. Aus den Badenixen werden „Nadebixen, Sommerbrixen“ usw. Lautmalerei und Wortneuschöpfungen sind angesagt!

Kurzum: ein herrliches Kinderbuch mit 45 Gedichten! Auch eine CD ist beigegeben und die Illustrationen des Kinderbuchautors Schlüter sind einfach köstlich und einfallsreich!

»Eines Tages verschwand Karola«

Judith Gruber-Rizy: Eines Tages verschwand Karola
Roman, 250 Seiten
Verlag Wortreich, Wien 2018
ISBN 978-3-903091-43-6

Fährtensuche

Die Erzählerin des Romans »Eines Tages verschwand Karola« heißt Rosa. Sie erzählt vom plötzlichen Verschwinden einer Freundin, eben von Karola. Dieses Ereignis fanden jedoch fünfundzwanzig Jahre vor dem Erzählten statt. Dabei stützt sich Rosa nicht nur auf Erinnerungen, sondern auch auf schriftliche Aufzeichnungen, aus denen sie damals einen Roman gestaltet hat.

Kernpunkt der Erzählung ist, dass sich kurz nach dem unerklärlichen Verschwinden von Karola eine weitere Freundin, nämlich Antigone, eingeschaltet hat. Diese hatte Karola zwar nicht persönlich gekannt, machte sich jedoch sofort auf, die Verschwundene zu suchen und nahm mit Rosas Hilfe Kontakt zu Karolas Mutter sowie ihrem Arbeitgeber auf. Was dabei zutage tritt, ist ungewöhnlich und unerwartet, und vor allem nimmt die Geschichte einen Verlauf, den niemand vorhersehen konnte.

Die 1952 in Oberösterreich geborene Autorin Judith Gruber-Rizy legt mit ihrem im Wiener Wortreich Verlag erschienenen Buch eine Charakterstudie dreier Frauen vor. Das Verschwinden Karolas sieht insbesondere die Erzählerin Rosa als eine Art Wendepunkt. Während die beiden Frauen in Karolas Lebensgeschichte immer mehr Ungereimtheiten und falsche Annahmen aufdecken, kündigen sich in Rosas und Antigones Leben allmählich Veränderungen an, die gelinde gesagt alles Gewesene auf den Kopf stellen und die Beziehungen zueinander neu ausrichten.

Rosa spricht einerseits aus der Distanz und flicht andererseits Passagen ihrer während der Suche nach Karola geschriebenen Aufzeichnungen ein. »Eines Tages verschwand Karola« ist ein spannender, aber auch angenehm ruhiger Roman, geschickt entworfen und entwickelt, geschrieben in einer exzellenten und ästhetischen Sprache, wie man sie heute leider nur mehr selten findet. Das Buch sei somit wärmstens empfohlen.

 

KLAUS EBNER

Hinter dem Scheibenglas

Roswitha Klaushofer: Hinter dem Scheibenglas.

Szb./Wien Edition Tandem, 2014, o.S.

ISBN 978-3-902932-31-0

 

Für keinen und für jeden sind die Gedichte und Zeichnungen Roswitha Klaushofers. Sie stammt aus Salzburg und lebt in Zell am See, wo sie Musik unterrichtete. Es ist nicht ihr erstes Werk, sondern ihr 12. Gedichtband. Bereits 1989 gab sie ihre Lyrik im „Mitlesebuch 34“ heraus. Was neu ist, ist die Ausstattung mit eigenen Tuschezeichnungen auf Papier. Sie schreibt nicht nur Gedichte nach dem immer gleichen Muster, sondern bleibt sich auch in der Gestaltung ihrer Zeichnungen über Jahre treu. Schwarz-weiße Gestalten, meist Frauen, die stets Augen, Nasen, Lippen und Haare haben und sich ähnlich sehen. Fast könnte man meinen, sie seien ein altes Ego, das die Autorin begleiten und Einsamkeit verhindern.

Denn aus den Gedichten spricht viel Einsamkeit und Wissen um die Kraft einer sachten Berührung oder Abwendung. Auch die Kälte und Schnee wie Wind oder Schatten stimmen traurig und stehen als Symbol der Vereinzelung, Leere oder Vergeblichkeit. Die Grundstimmung ist eine düstere. Auch die Adjektive reihen sich da ein und künden von einem „abgeholzten“ Wald, einer „baumlosen“ Leer, von „hartem“ Eis, „kaltem“ Geruch und enden mit „zaghaften“ Schritten. Und dies alles in einem einzigen Gedicht!, einem mit dem Titel Fahrt.

Schnelllebigkeit, Aufbruch und positiv Gestimmtsein wird man kaum in den Inhalten finden. Auch das Liebes – gedicht heißt kurz und bündig: Was uns entglitt / hielt sich länger.

Trotzdem ist das Verstehen der Zeilen nicht schwierig. Man erspürt den Inhalt und erfasst die Gemütsbewegung intuitiv.

Das Vokabular ist derart gewählt, dass der Leser so langsam voranschreitet, wie die Texte es vorgeben. Der Lesende ist berührt und hält inne. Oft verharrt der Mensch, von dem die Gedichtzeilen künden, abwartend, bewegungslos und ohne Dynamik. Vielleicht kann er auch nichts dafür – die Verhältnisse sind eben so! - Die letzten Zeilen des Schlussgedichtes Im Gedächtnis machen dies verständlich: Unser Aug / friert nicht zu. / Wir sind eingeschneit.

  Eva Riebler-Übleis

Die Inseln. Nach 16 B.l.vl. Wolfgang Seierl. Rez.: Roswitha Klaushofer

Roswitha Klaushofer

Die Inseln
Nach 16 B l. v. Wolfgang Seierl
Edition Tandem 2017
978-3-902932-76-1

Weite statt Enge. Nach dem Lyrikband „Hinter dem Scheibenglas“ (Edition Tandem 2014) mit eigenen Zeichnungen hat nun Roswitha Klaushofer, Lyrikerin und Musikerin aus Zell a. See/Szbg. einen Gedichtband nach 16 losen Blättern von Wolfgang Seierl zusammengestellt. W. Seierl, geb. 1955 Wien, studierte Musik in Wien/Szbg.und Malerei an der Akademie der bildend. Künste Wien und hat mit der Lyrikerin die Musik als Verbindungsglied. Als Anregung zu seinem Zyklus diente ihm „Les Iles“ von Jean Grevier aus dem Jahre 1991. In diesem Werk geht es genauso um innere Inseln, Inseln der Befindlicheiten, Angste, süchte etc. Die 16 ausgewählten Bilder W. Seierls zeugen von Bewegung und Bewegtheit, sind skizzenhaft, stimmungsvoll und frei. Geprägt vom Strich, der zusammen und auseinander strebt, setzt der Farben in Beziehung. Seine Malerei ist abstrakt und frei, d.h. sie entziehen sich der direkten Interpretation und Deutung und können daher nur zu Texten finden, die ebenfalls auslegbar, interpretierbar nach allen Richtungen sind. Und so gestaltet R. Klaushofer stets ihre Zeilen. Ihr ist genauso das Offene, das Weite statt dem Engen wichtig. Ihre Texte sind ernsthaft und nehmen die Stimmung der Vorlagen auf.

Im wahrsten Sinne des Wortes drückt sie in ihren Miniaturen auch die Bewegung aus. Wenn sie schreibt: Leuchtturminsel I: Wir bewegen uns//bewegen uns immer noch/auf die leuchtende Insel zu. Und II: In der Dämmerung/Schwimmender/ein Leuchtturm/dessen Licht erloschen//einmal/und nicht mehr.

Klaushofer weiß um die Verletzlichkeit der Sprache und der einsamen Verhältnisse und schreibt in: Insel der Einsamkeit: Wirbellos/das zersprungene Wort/an der Brandung. Und in der Textminiatur Insel des letzten Menschen heißt es: Still/ schleicht der Wind//klappt auf/klappt zu. Einerseits, glaubt man, ist es ein Buch für Eilige, denn die Texte sind kurz, jedoch dauert die Erfassung von Zeilen und Bild lange und brennen noch länger nach.

Fazit: Großartig! Ein sehr dichtes, empfindsames Werk!

Erwin Javor: Ich bin ein Zebra. Rez.: Eva Riebler-Übleis

 

Eva Riebler
Wissen öffnet.

Erwin Javor
Ich bin ein Zebra
Eine jüdische Odyssee
Wien: Amalthea 2017
978-3-99050-092-7

Wie kann man ein Buch über das Schicksal von Juden lesen? Müssen wir als Kinder/Enkel der Kriegsgeneration uns nicht diesem Auftun an Gräuel verwehren, um nicht in den Verdacht zu kommen, Gefallen am Leid zu finden? Warum ist die Judenverfolgung und Not, Krieg und Flucht wie aus einer fernen Welt, wenn täglich Massen an Flüchtlingen nach Europa strömen?

„Wir hätten da niemals mitgemacht“, können wir schließlich auch nicht wirklich behaupten!

Akzeptanz und Wissen über das Schweigen zu stellen, hilft.

Und warum ist dieses Werk, der Aufzeichnung der Wege vom Schtetl nach Budapest, von dort nach Wien und Israel, das beste? Weil das Leben im Schtetl nicht verklärt sondern erbarmungslos mit all seiner Enge, Verachtung anderen Juden gegenüber und seinen Fallstricken geschildert wird. – Und – jetzt kommt Wesentliches: durchwirkt ist mit vielen Anekdoten und jüdischen Witzen.

Der jüdische Witz ist nicht einfach lustig bis humorvoll. Wir lachen bei unseren Witzen stets auf Kosten anderer, Hier werden Witze gemacht gegen übermächtige Gegner, gelacht wird ironisch über sich selbst oder aus Selbstzweifeln. Außerdem geht es um kreative Lösungen, um Wortwitz und Doppelbödiges: „Zwei Juden aus Österreich treffen sich in den 40er Jahren in NY. Fragt der eine: “wie geht`s dir in der Neuen Welt, im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten?!“ Sagt der andere: „was soll ich sagen? Dankbar – und unglücklich.“

Neben den, ich glaub 100, jüdischen Witzen gibt es Wissenswertes zu lesen, über die Differenzierung der Juden innerhalb des Schtetls in Wien in Atheisten, Agnostiker, Reformjuden, Drei-Tages-Juden, Orthodoxe aller Schattierungen – sowie, dass z.B. Liederfürsten Hermann Leopoldi ursprünglich Herschel Kohn und Robert Gilbert – David Robert Winterfeld hießen. Auch das meist gespielte „White Christmas“ ist von Israel Isidore Beilin geschrieben.

Unsere Kultur ist durchwirkt vom jüdischen Nährboden. Und dieses Buch zeigt uns Wurzeln und Wissenswertes und lässt uns lachen, lachen, lachen!

Erwin Javor: Ich bin ein Zebra. Rez.: Eva Riebler-Übleis