Bühne

Salzkammergut Festwochen Gmunden, 02.-05.08.2018: Ein Fest für Michael Köhlmeier

Eva Riebler

Das heurige Fest zur Ehrung eines österreichischen Literaten wurde mit Vorträgen/Referaten (Aleida & Jan Assmann, Frank Günther, Jo Lendle, Hanno Loewy, Hajo Steinert u. a.) Konzerten (Hans Theessink), Diskussionen, Autorenlesungen von Raoul Schrott, Monika Helfer, Köhlmeier selber und Filmen sowie einem mythologisch-Philosophischen Abend mit Konrad Paul Liessmann begleitet.

Man lernte nicht nur viele Freunde und Wegbegleiter Köhlmeiers, sondern auch seine Romanfiguren kennen und lieben. Interessante Fragestellungen regten zum Sinnieren an. Z.B. „Darf ein Romancier Gedichte schreiben?“, „Kann ein Autor seine Figuren lieben?“, „Will Köhlmeier ein geselliger Autor sein?“, „Haben seine Gedichte ein Naheverhältnis zu Hans Magnus Enzensberger?“ usw.

Köhlmeier selbst gab stets Auskunft über seine Intentionen, sein Herangehen an das Erzählen von griechischen Sagen oder Märchen oder sein Verhältnis zu den Romanfiguren. So gefiel ihm z.B. am jüdischen Friedhof in Wien der eingravierte Name Jetti Lenobel so gut, dass daraus langsam eine Romanfigur wuchs, die sogar in mehreren seiner Werke („Bevor Max kam“ und dann in „Die Geschwister Lenobel“) vorkommt. Ein ständiges Finden und Erfinden prägt sein Schaffen.

Köhlmeier legt stets Spuren für und von seinen Figuren und bietet dann alles auf, um dies rasch wieder verschwinden zu lassen. Er meinte: 2der Mensch lebt, wenn ein anderer ihm zuhört! Als er im Tonstudio die antiken Sagen aufnahm, war der Tonmeister hinter der Glasscheibe sein einziges Publikum. An seinem Gesichtsausdruck konnte er die Spannung, die sein Erzählen verbreitete ablesen. Vorallem, wenn dieser vergas, ihn aufzunehmen.

Köhlmeier schätzte den Zuhörer im Werk “Von den Märchen“ als essentiell ein, so dass er einen jüngeren Freund als Gegenüber und Kommentator einfügte. Dieser brachte durch seine Anteilnahme an den Märchenfiguren z.B. auf die Idee, das Märchen vom Hähnchen und Hühnchen weiterzuschreiben. Er formuliert dies treffend: „Der  Erzähler ist der Zwilling des Zuhörers.“

Als Autor meint Köhlmeier, sei er auf den Erzähler Köhlmeier eifersüchtig, da dieser besser goutiert ist, und nach der Autorenlesung vom 3.8. im Stadttheater Gmunden wissen wir, dass der Erzähler Köhlmeier nicht aufhören darf weiter zu erzählen!

22. Festival Glatt&Verkehrt, 29.7.2018

Eva Riebler

22. Festival Glatt&Verkehrt
29.7.2018, 16.15 bis 22 Uhr

Winzer Krems, Sandgrube 13

16.15: Musik unterm Marillenbaum mit Vila Madalena: Franz Oberthaler und Nikola Zaric

Ein flottes Ethno-Musik Duo mit gängigen Rhythmen, das ein erfrischendes Entreé bot. Leider spielten sie direkt vor dem Ausgang der Winzerhalle und gleichzeitig positioniert vor den Bänken. Da sie sofort nach Beendigung der drei Konzerte lautstark einsetzten, war der wohlige Nachklang der tollen Aufführungen abrupt abgesägt. Außerdem herrschte während der Aufführungen im Mainraum absolute Stille, so dass sich das Publikum, nun zu Gesprächen aufgelegt, weiter entfernen musste.

17.00 Uraufführung: „Philosophy of Love“
Boi Akih/Stimme und Niels Brouwer/Gitarre aus Amsterdam mit Tobias Klein/Bass und Mr. I Made Suband/Metallofon, Gendang, Bambusflöte/ Indien.

Die Sängerin sang in Haruku, einer vom Aussterben bedrohte Sprache der Molukken, in der Sprache ihres Vaters. Für uns klang dies noch fremdländischer, doch der Inhalt der Lieder bekam durch die Gestik trotzdem Ausdruck. Weich und einfühlsam, dann wieder pointiert und expressionistisch, erklang ihre Stimme und genauso wurde sie von den Instrumenten begleitet. Sehr melodiös und stimmig!

18.30 Trio da Kali aus Mali aus der berühmten Familie „Griot“
Die einzigartige Stimme von Hawa Kassé Mady Diabaté ertönte voll und das Publikum lauschte äußerst andächtig. Der Vergleich zur Stimme Mahalia Jacksons ist berechtigt. Exotisch und faszinierend, toll arrangiert, abwechslungsreich und faszinierend! Meiner Meinung nach, das exklusivste, beste Konzert des Abends!

20.30 Gustav & Band
Eva Jantschitsch alias Gustav aus Ottakring hat mit ihren Arrangements stets ein sozial-politisches Anliegen. Einmal erzählt sie lapidar vom täglichen Weltuntergang, dem Missgeschick der kleinen Leute, ist gegen Männerbünde und für das Recht auf Abtreibung, dann wieder erzählt sie aus dem Märchen der Proleten Passion von der neuen Zeit. Sie wird erst am Ende ihres Programms in der Gestaltung der Songs so richtig lebhaft und schließt mit einem Aufruf zur Solidarität. Obwohl die Band 6-köpfig ist, unterstützt sie den Sound hervorragend mit ihrem Laptop, denn nicht umsonst studierte sie Medienkunde. Leider war Playback wie Bühnensound zu übersteuert. Ihre Anliegen kamen trotzdem durch und trotz der dunkel-grauen Lieder ging das Publikum beschwingt und zufrieden seiner Wege.

Salzkammergut Festwochen Gmunden 21.7.2018: Orchesterkonzert Wiener Akademie

Eva Riebler

Festwochen Gmunden 21.7.2018

Orchesterkonzert Wiener Akademie
Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-moll op. 37
Beethoven Sinfonie Nr.3 es dur, op 55 Eroica

Martin Haselböck: Dirigent, Leitung
Gottlieb Wallisch: Klavier/Hammerflügel

 

Auf historischen Originalinstrumenten, d.h. Blasinstrumente ohne Klappen und ein ehrwürdiger Hammerflügel von Clementi aus dem Jahre 1812 aus der Sammlung des Museums  Schloss Kremsegg u.a. arrangierte Haselböck in etwa gleich großer Orchestergröße wie bei der Uraufführung im Palais Lobkovitz Wien.

Damals (zwischen 1800 und 1803) saß Beethoven selbst am Klavier. Wie historische Zeugen aussagten, hatte er nur wenige Noten auf den Blättern und improvisierte sehr viel.

Wallisch wusste mit Weichheit zu glänzen, obwohl auf dem Instrument von 1912  keine Pedale vorhanden waren. Wegen der Stärke des Orchesters musste er die Lautstärke anheben, was bei der einzigartigen Solo Klavier-Zugabe eines Werkes von Schubert wegfiel.

Wundervoll stark und heroisch eröffnete Haselböck die Eroica nach der Pause. Sein dynamischer, präziser Dirigierstil brachte die feurige Dynamik des Orchesters hervor.

Die Oboe trat in wunderbaren, harmonischen Dialog mit den Querflöten und glänzte in wunderbaren, zahlreichen Solis.

Eine einfühlsame Interpretation und homogene Aufführung mit einem äußerst dynamischen Dirigenten!

„Nach oben schwimmen“

„Nach oben schwimmen“

Landestheater Niederösterreich 15.6.2018, Großes Haus

Ilija Trojanow: Macht und Widerstand

Gast-Schauspiel Hannover

 

Wie kann man seinen politischen Status bewahren, bzw. nach oben schwimmen? Wie sehr verhilft Korruption und Lüge zum Machterhalt? Gibt es eine politische Menschwerdung?

Mit seinen Reportagen, Dokumentationen und Romanen gehört Ilija Trojanow zu den wichtigsten Stimmen der aktuellen Gesellschaftskritik. Die Motivation für sein literarisches Schaffen sieht er in der „Sehnsucht nach Veränderung“, denn momentan kann er keinem Politiker glauben oder ihn wählen. Er selbst ist das, was man landläufig als „Kosmopoliten“ bezeichnet. Derzeit ist er, wenn nicht unterwegs, in Wien zu Hause. Er schreibt Erzählungen, Essays und Reisereportagen, und bekam 2006 den Preis der Leipziger Buchmesse.

Ilija Trojanow setzt sich stets mit Diktatur auseinander. Wie sein Vater, nach dessen Absetzung des Stücks Labyrinth 1968 nach dem Prager Frühling in der CSSR, ist er daher beim Regime unbeliebt. In der Figur Konstantin hat er seinen Vater verewigt. Eine Figur, die nicht einmal als Dissident gilt, ein Verbissener, der sich durch den ständigen Kampf um Wahrheit selbst vergisst.

Regime wechseln, sind austauschbar wie Länder des Warschauer Paktes, gehören zur EU und obwohl als demokratisches System kreiert, werden Widersprüche und alte Leitlinien sichtbar. Trojanow lässt sein Stück in Bulgarien spielen. Die selben Köpfe erscheinen trotz Regimwechsel wieder in gleichen Positionen, Armut herrscht und Ungerechtigkeit. Wer will nicht nur sich selber durchbringen, sondern auch noch in der Vergangenheit wühlen?

Nezabraka will es, seit ihr die Mutter am Totenbett eine mögliche Vaterschaft eines Apparatschik in Aussicht stellte.  Aber wenn man/frau eine gute Arbeitsstelle bekommt, lässt das Interesse an der Herkunft/Vergewaltigung nach.

Die St. Pöltner Zuseher bekamen eine außergewöhnlich starke Aufführung des Schauspiel Hannovers geboten.

Sein erster, 1996 entstandener, autobiografisch geprägter Roman „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ war in der Dramatisierung von Sandy Lopičić als Eröffnungsproduktion der Saison 2016/17 am Landestheater

Niederösterreich zu sehen.

Im Rahmen des heurigen Blätterwirbel-Porträts werden außerdem Mitglieder des Landestheater-Ensembles aus dem Werk Ilija Trojanows lesen und mit der Literaturjournalistin Sigrid Löffler wird am 9.10.2018 um 19 Uhr im Landestheater ein Künstlergespräch statt finden.

Eva Riebler

LitGes

5. Bürgertheaterproduktion: Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten. Rez. Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler
Über die Vielfalt der Wortlosigkeit!
Szenen, die keiner Worte bedürfen.

Sa, 12. Mai 19.30 Uhr
Premiere der 5. Bürgertheaterproduktion
DIE STUNDE, DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN
von Peter Handke

Inszenierung und Leitung Nehle Dick mit über 55 Bürgerinnen und Bürgern aus St. Pölten und der Region, sowie in Zusammenarbeit mit dem Gehörlosenverband NÖ, der sein 60-jähriges bestehen feiert.

Spielort: Voith Halle Linzer Straße 55, 3100 St. Pölten

Unter Nehle Dick gelangt die 2. Produktion der Bürger und Bürgerinnen St. Pöltens auf die Bühne. Diesmal nicht im Zirkuszelt, sondern auf der Drehscheibe in der Voith Halle. Diesmal werden nicht die Geschichten dieser Stadt erzählt und trotzdem sind es Geschichten/Begegnungen, die hier z.B. am Rathaus-, Domplatz oder Herrenplatz angesiedelt sein können. Jemand läuft quer über den Platz: Es ist ein Jogger oder ein Kirchgänger, ein zünftiger Liebhaber (Milan Eror), ein Landvermesser, eine strenge Klosterschwester oder eine fast Nackte oder die Schönheit in Rot gekleidet. Es sind einfache Szenen, wie. Es tauschen drei Paare ihre Kleider oder es wird gewandert oder gefeiert. Wie so nebenbei und stets alltäglich steht eine Küchenchefin (Doris Figl) mit Radieschen oder Fisch in der Hand vor ihrem Lokal und raucht, beobachtet und grüßt wortlos die Passanten, der Jüngste, Paul Scheiblauer, fährt mit dem Skateboard vorbei oder ein fescher Flugkapitän (Reinhard Spindler) lässt sich von seinen Stewardessen anhimmeln und wird vom Pierrot (Jakob Enk) nachgeäfft. Touristen stellen sich für ein Selfie zusammen usw. Szenen des städtischen Lebens!

Die Wortlosigkeit ist kein Handycap des 1 ½ stündigen Stückes!

Die BürgerInnen sind dermaßen präsent und ausdrucksstark, dass keine Sekunde Langeweile sich einschleicht. Sie beobachten sich gegenseitig, treten in wortlose Interaktion und verbreiten meist ein Gefühl des Glücks oder der Zufriedenheit.

Es ist nicht nur spannend, wenn man auf - bereits von vorigen Produktionen – Bekannte (wann zeigt sich endlich das Ehepaar Pohl, Frau Figl oder Frau Dunky …) wartet; es ist jede Mimik – sei es auch die der Gleichgültigkeit oder des ganz normalen Alltags – beeindruckend und beredt.

Großartiges leistete der Ton (Felix Dietlinger) sowie die Kostümbildnerin Irene Schiller mit individuellen, bezeichnenden und reich bestückten Garnituren, wohl 300 - 400 an der Zahl!

Gabrielle Erd und Karin Schweinzer haben wie seit Jahren die aufwändige Organisation und Regieassistenz auf sich genommen und vortrefflich bewältigt. Neu ist diesmal Daniela Mühlbauer, die als Bewegungscoachin unterstützend bei der stets differierenden Körperarbeit wirkte.

Wortlos beredt! Beeindruckend! Ein Genuss für den Schauenden und Sehenden!