Bühne

Drei Werke. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Es lebe Dvorák

Festspielhaus  St. Pölten 24.2.14, 19.30
NTO, Bernd Glemser (Klavier), Andrés Orozco-Estrada (Dirigent)

Drei Werke kamen auf die Bühne:
Zoltán Kodály mit 5 Tänzen aus Galánta
Sergej Rachmaninow mit Konzert für Klavier und orchester Nr. 1 fis-moll op. 1
Antonín Dvorák mit der Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88

Kodálys Tänze sollten zigeunerhaft klingen, denn er erinnerte sich an den Klang einer Zigeunerkapelle aus seiner Heimat Galánta und hatte zu einem Sammelwerk von 1800 mit dem Titel „ Ungarische Tänze von Zigeunern aus Galánta“ gegriffen. Nun wollen jedoch die Ungarn keine Zigeuner sein, und da die Uraufführung 1933 in Budapest von statten ging, hatte der Komponist wohl eher die Wehmut oder Tanzweise der Zigeuner nur schemenhaft im Sinn. So jedenfalls klang die Aufführung vorort im Festspielhaus.

Vorweggenommen sei, dass das erste Werk Rachmaninows, das er mit 18 Jahren schuf und das er 17 Jahre später überarbeitet, jedoch in den Themen gleich ließ, natürlich trotzdem ein Erstlinswerk ist und daher mit Recht selten aufgeführt wird. Klavier und Orchester erklangen im Wechselspiel, auf einander eingehend oder effektvoll in der Gegenbewegung von einander zurück weichend. Die sprudelnde Vielfalt und dies vor allem im rasanten Tempo musste der Klaviersolist bestreiten und konnte so vielleicht weniger auf prätentiöse Stimmung und Klarheit achten.

Das dritte Werk ist genauso wie die vorigen mit der Natur und der Heimat verbunden. Dvoráks Kopf ging bei der Komposition bereits über, und er konnte so schnell seine Einfälle fast nicht aufs Papier bringen, wie er sagte. In wenigen Wochen war seine 8. Symphonie ausgearbeitet und daher mag sie auch so mitreißend und enthusiastisch klingen. Jedenfalls war das Orchester ganz auf Dvorák eingestimmt und brachte dieses Werk als klanglichen Höhepunkt des Abends dar. Im ersten Satz freuten sich die Hörner und Trompeten über ihre kräftigen, teils schmerzlichen oder auffahrenden  Klänge und der zweite Satz brachte Walzeranklänge, die schnell wieder entzaubert wurden. Alle drei Sätze erklangen in stimmiger, teils ruhiger, abgeklärter teils schmissiger Form und waren von Orchester wie Publikum gleichermaßen geliebt.

Festwochen Gmunden; Klavierkonzert Ferhan und Ferzan Önder. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Vom Kitsch zum wahren Musikgenuss

Gmundner Festwochen 16. 8. 2014, Villa Toscana
Klavierkonzert Ferhan und Ferzan Önder
mit Martin Grubinger und Manuell Hofstätter

Die Schwestern Önder aus Tokat/Türkei spielten die vier Sätze Rachmaninovs Suite Nr. 2 wie vier sentimentale Lieder, erst bei der Ungarischen Rhapsodie Nr. 2 von Franz List, die ja von italienischen Schablonen und sentimentalen Melodien Chopins beeinflusst ist, passte das optisch pointierte Brillieren der talentierten Schwestern.

Nach der Pause waren moderne Werke des türkischen Pianisten Fazil Says und das Concertino für 2 Klaviere von Dimitri Schostakowitsch auf dem Plan. Diese wurden zweifellos hervorragend gespielt und vor allem Says Werk für zwei Klaviere und Perkussion, Drums und Schlagwerk war genial. Fünf Sätze, die den ganzen Abend als Highlight überstrahlten! Genauso spannend und einfühlsam wurde der von einem Griechen bearbeitete Libertango von Astor Piazzolla gebracht.

Grubinger, Hofstätter und die beiden Schwestern Önder brillierten und ihre Begeisterung ging auf das Publikum über!

 

Zwei Herzen im Dreivierteltakt. Rez.: Ernst Punz

Ernst Punz
Operetta comique

Stadttheater Baden der Bühne Baden 
Operette „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ 
Gastspiel im Festspielhaus St. Pölten: Mittwoch, 12. März 2014 
Musikalische Leitung: Oliver Ostermann 
Inszenierung: Alexandra Frankmann-Koepp 
Bühnenbild: Sam Madwar 
Kostüm: Friederike Friedrich 
Choreografie: Marcus Tesch

Das Stadttheater Baden brachte im Festspielhaus St. Pölten die Operette „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ auf die Bühne. Auf einer Einladung stand zu lesen „Mehr Operette geht nicht.“ – gemeint waren damit die herzberührende Geschichte, die im Künstlermetier spielt und die ohrwurmträchtigen Melodien von Robert Stolz. Resumee nach Besichtigung der Inszenierung: „Mehr Komik geht auch nicht.“ 

Dort wo Straußens Fledermaus bis zum Dritten-Akt-Komiker Frosch warten lässt, starten die zwei Herzen gleich im ersten Akt mit einer z´wideren Tante und einem antifeministischen Taxichauffeur, gefolgt von einem wein- und schnapsseligen Theaterheizer sowie dem äußerst dienstbeflissenen Direktionssekretär und Kassier, der durch die weiteren Akte hindurch immer wieder versucht in wechselnden Verkleidungen selber als Schauspieler zu reüssieren. 

Wo liegt der Unterschied zu einer normalen Operette? Die Operette lässt Herzen leiden, die Komik lässt einen Hut zerwutzeln. Die Operette singt von Liebe, die Komik deklamiert Shakespeare, als wäre der Barde ein italienischer Autofabrikant: „Romeo“. Die Operette lässt junge Künstler hungern und dürsten, die Komik lässt Gulasch und Bier anschreiben. Die Operette wiegt sich im Walzerschritt, die Komik trinkt und schunkelt sich in eine kleine Drahrerei. Freunde der österreichischen Kabarettszene und Couchpotatoes mit Hang zu amerikanischen Sitcoms mit eingespielten Lachern hätten auch ihre Freude daran. 

Anlässlich des 90. Geburtstages des Komponisten Robert Stolz, wurde die Operette „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ 1976 an der Volksoper Wien in überarbeiteter Form uraufgeführt – und zwar gegen den Willen des amtierenden Direktors. Wie konnte das geschehen? Einzi Stolz, rührige Komponistengattin, hatte mit dem österreichischen Bundespräsidenten (!) gesprochen – eine Aktion, die einem die Bezeichnung Operettenstaat in Erinnerung ruft – und heraus kam eine typisch österreichische Lösung. Robert Herzl, damals neu an der Volksoper, und Kurt Huemer machten sich nach Befehlsausgabe des HBP daran, die Stolzoperette und den gleichnamigen Tonfilm aus den 1930er Jahren textlich zu überarbeiten. Prominente Schauspieler bekamen Wind von der staatstragenden Produktion, klopften an ihre Tür und wollten mitspielen. Rollen wurden hinzugefügt, andere dafür gestrichen. Mit der Musik verlief es ähnlich. Schließlich kam etwas heraus, dem man vielleicht die Bezeichnung „Operetta comique“ geben kann. 

Die Inszenierung spart nicht mit Klischees. Neben einer bürgerlichen Wohnung mit Klavier, einem Theatercafé mit Klavier und einer Probenbühne mit Klavier kommt auch noch televisionäre Nostalgie ins Spiel – ohne Klavier, dafür mit Showtreppe. Wenn durch einen dramaturgischen Kniff in Gestalt eines Berliner Theateragenten das Finale im Friedrichstadt-Palast auf die Bühne gebracht wird, meint man sich mitunter von den 20er Jahren vor in die Vergangenheit der 70er und 80er Jahre versetzt – am Samstagabend im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzend, in die PAL-Röhre glotzend, dem Fernsehballett auf die Beine guckend, begleitet von schon-lange-nicht-gehörtem-aber-gleich-wieder erkanntem James-Last-Sound. Fehlt nur mehr Harald Juncke, der auf Wolke Sieben über der Szene schwebt und dabei summt `Do-bee-do-bee-do´. William Shakespeare sitzt augenverdrehend neben ihm und versucht ihn ständig zu verbessern: „To be or not to be! heißt das.“ But vergeblich, because that´s a completely different Geschichte. 

Die Leistungen aller Beteiligten waren überzeugend, ein Operettenbesuch auf hohem Niveau wurde für Operettenfreunde der näheren Umgebung ohne lange Anfahrtswege möglich. Die Produktion ist noch bis 29. März im Stadttheater Baden zu sehen. Für zukünftige Kooperationen mit dem Festspielhaus St. Pölten wäre eine Aufwertung der Werbung im Jahresprogramm zu wünschen – Operette fühlt sich einfach besser an in einem Haus, das nicht nur zu Dreiviertel gefüllt ist, vielleicht würde auch die Verlegung an einen Samstag als Aufführungstag helfen – , sowie die weitere Verbesserung der Tontechnik. Auch jüngeres Publikum hatte Schwierigkeiten, den gesungenen Text sowie manche gesprochene Textpassagen einzelner Darsteller akustisch zu verstehen. 

 

Geschwister. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler Übleis
Geschwister

Landesth. NÖ Werkstatt 8.3.14
Von Klaus Mann
Nach Motiven aus dem Roman Les enfants terribles

Eine Gesellschaft, die sich selber zum Thema nimmt. Eine Existenz, die sich nicht der gesellschaftlichen Norm unterordnen will. Die Andersartigkeit im Sinne des Abseitigen, Pathologischen ins Tragische führende wird auf die Bühne gebracht. Ein Thema, das stets Gegenwartsbezug hat und durch Rauschmittel und Dekadenz vor allem in den letzten 100 Jahren immer wieder auftaucht. Die Schneekugel als Sinnbild für Schnee, Kälte und Rauschmittel und als Gegensatz die schwarze Kokainkugel, die den goldenen Schuss, den Suizid bringt. Und am internationalen Frauentag ist es die Frau, die diese Giftmischung bringt und mit ihrem Lügengespinst verhindert, dass ihr ohnehin geistig beschädigter Bruder auch in Sachen Liebesbeziehung sich selbst verwirklichen darf.

Cherchez la femme! Sie ist es auch, die grotesk und absichtlich die Fäden des Verderbens spinnt und das Scheitern in einer normalen, bürgerlichen Gesellschaft als einziges Ziel sieht.

Eine hervorragende sparsame Inszenierung mit passend gestylten Kostümen, vor allem die Stofffülle des Brautkleids Elisabeths, und einer extrem guten Musik.

Die Schauspieler Katharina von Harsdorf, Pascal Gross als sich liebendes Geschwisterpaar; Swintha Gersthofer, Jan Walter als sich eigentlich nicht liebendes Ehepaar; Tobias Voigt als Kurzzeit-Bräutigam  on Elisabeth und Christine Jirkua als ältere Bedienstete spielen wundervoll transparent, melodramatisch und engagiert 

Geschichten aus dem Horváth-Land. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler Übleis
Man ist zu guter letzt ein Mensch

Geschichten aus dem Horváth-Land

Basierend auf Texten von Ödön von Horváth
Premiere 8.5.14 Werkstattbühne LTh St.P.

Bürgerproduktion 2.0

Von und mit: Karin Dunky, Georg Erd, Robert Fallenstein, Andrea Fiedler, Doris Figl, Alois Gassner, Ulrike Gassner,  Astrid Krizanic-Fallmann, Friederike Meyer, Stephan Pfister, Ulrike Schertling, Caroline Schindele, Sigrid Zuser
Regie: Renate Aichinger

Letztes Jahr gab es für die Bürgerproduktion „Am Zug“ ein Alterslimit. Heuer war die Teilnahme unbeschränkt und vor allem die Weiblichkeit eroberte die Bühne und die Texte von Ödön von Horváth. Jeder Schauspieler hatte nicht nur an die 34x Probe sondern auch Hunderte von Seiten zu durchkämmen, um die für ihn stimmigen und passenden Textpassagen oder auch nur Zeilen herauszulösen. Eine intensive Arbeit, bei der man auch sich selber kennen lernt! Was passt zu MIR, was kann ICH verkörpern?! Der Einzelne sollte nicht in eine fremde Rolle schlüpfen, sondern sie aus seinem Wesen her begreifen und ausfüllen. Und – ach ja, so nebenbei - auch spielen und darstellen können!

Die Energie erlahmte bei den zahlreichen Proben vielleicht zeitweise! Nicht jedoch der Ernst und der Spaß an dem Entstehen eines neuen Stückes, das bestehend aus vielen Horváth-Zitaten sich neu gefügt hat. Unter der Regie von Renate Aichinger/Wien Burgtheater und der Assistenz von Gabrielle Erd und Karin Schweinzer aus Langenlois und Hofkirchen gelang dies Schritt für Schritt. Keine vorgefassten Texte waren auswendig zu lernen, sondern die eigene Beschäftigung mit Autor, Stücken und der Essenz von seinen Aussagen galt es zu verkörpern.

Da Eigeninitiative eingebracht werden konnte, war auch die Eigenverantwortung umso größer.

Was bei soviel Wollen und Tun herauskam, war einfach gelungen und niveauvoll! Die Energie hat sich gelohnt! Die Aussagen und Pointen waren gekonnt gespielt und inszeniert. Die Figuren und ihre zwischenmenschliche Problematik kamen mit wenig Wortmaterial aus. Jeder Satz saß! Die Wortlosigkeit wurde zum Stilmittel!

Auch durch die Sparsamkeit der dramatischen Mittel (ein Dank an die Regie!) wurden die Figuren und Aussagen umso dichter. Die dichteste und undankbarste (weil - wie der arbeitslose Trinker Kasimir - meist stumm) Rolle war die stoische Figur der Träumerin, Beobachterin und Zuhörerin Friederike Meyer: Solange wir uns nicht aufhängen, werden wir nicht verhungern! -Eure Ehe ist ein gordische Knoten, und da gibt’s nur eine Lösung! - Wer kann wissen, was noch alles kommt!

Die BürgerInnen als Figuren der Allein-Gelassenen, Liebenden, Unfolgsamen  und Sehnsüchtigen suchten sich aus Horváths stets pessimistischen Texten einzelne Zeilen und  philosophische Aussagen wie: Wir suchen das Glück, und finden nur Elend und Tod! - Es gibt einen Gott, aber er hilft nur hie und da! – Ein Ziel ist etwas Erstrebenswertes! – Wir Menschen haben eine unsterbliche Seele! – Alles hat ein End! – Ein Fremder gehört nirgends hin! Eine nicht unbedingt emanzipatorische aber umso denkwürdigere Aussage einer Heurigenbesucherin sei noch unbedingt überliefert: Wir Frauen haben ja auch ein Hirn, auch wenn es nicht immer im Kopf sitzt!

Von Karin Dunky als ältere Ehefrau und gescheiterte Liebhaberin kamen die einsichtigen Worte: Eigentlich bin ich ganz anders. Ich hab nur keine Zeit dafür!

Das Reservoir der Zitate kann den aufmerksamen Theaterbesucher den ganzen Tag begleiten!

Zur Aussage: Steht man in der Finsternis, fällt einem alles ein, was man besser hätt` machen können!, sei gesagt:

Nichts hätte man bei dieser Bürgerproduktion besser machen können!