Buch

Camille Viéville: Eine kurze Geschichte der Farbe

Gabriele Müller

Camille Viéville:
Eine kurze Geschichte der Farbe

Berlin Oktober 2023, 224 S.
Aus dem Englischen v. Gisa
Roudil d’Ajoux-Hillebrand
ISBN: 9782080279361

Diese kompakte Darstellung beginnt bei den Erdfarben der Höhlenmalerei und endet mit der Farbnormierung im Druckwesen und in der in der Informationstechnologie. Dazwischen führt die Kunsthistorikerin Camille Viéville durch dreißig weitere, für die Farbe in der Kunst wichtige Perioden.
Etwa die Vielfarbigkeit im Ägypten der Pharaonen, wo es keinen Begriff gab, der unserem Blau entspräche, die Farbstrenge der Reformation oder die Erfindung der Ölmalerei. „Die Gesellschaft ‚macht‘ die Farbe, sie definiert sie und gibt ihr Sinn, stellt ihre Bedeutungen und Wertigkeit her, wendet sie praktisch an und klärt zentrale Fragen rund um die Farbe“, wird der Mediävist Michel Pastoureau zitiert, der in den 1980er Jahren durch seine Arbeiten das Interesse der Historiker am Thema Farbe weckte.
Durch eine Auswahl von wichtigen, mitunter von der Kunstgeschichte vernachlässigten Werken, beleuchtet die Autorin, wie sehr die Konzeption und Wahrnehmung von Farbe in jeder Epoche, jeder Kultur und Kunstrichtung variieren. Man erfährt über den Widerstreit zwischen Zeichnung und Malerei, und wie Farben den Geschlechtern zugeschrieben wurden. Die elektrische Beleuchtung führte zu neuen Sichtweisen. Vieles kann aufgrund der Umfangsbeschränkung nur gestreift werden. Bis auf einen Exkurs über das indische Holi-Fest und die Bedeutung des Schattens in Japan konzentriert sich Camille Viéville auf den westlichen Raum.
Nicht nur die Farbe als solche, auch ihre Anordnung findet Erwähnung. So war in der römischen Antike und im Mittelalter gestreifte Kleidung ein Attribut der niederen Klasse. Der Wechsel zwischen den Farben bedeutete Unordnung, Unruhe und Unreinheit. Das beschrieb Randgruppen wie Narren oder Häftlinge.
Wer einen Einblick in Geschichte, Symbolik, aber auch in Materialien und Techniken der Farbanwendung gewinnen möchte, ist mit dem Buch gut beraten.

Margit Mössmer: Das Geheimnis meines Erfolges

Eva Riebler

Margit Mössmer:
Das Geheimnis meines Erfolges

Graz-Wien-Berlin Leykam
2023, 286 Seiten
ISBN 978—3-7011-8268-8

Einfühlsamkeit in ungewöhnliche Situationen und gegenüber einem „einzigartigen” Kind wird der Mutter Nina abverlangt. Sie ist am Ende ihrer Kräfte und sucht vergebens Rat oder eine brauchbare Diagnose bei Ärzten. Vieles ist verdreht, z.B. isst das Kind nicht, tyrannisiert als Baby Tag und Nacht die alleinerziehende Mutter durch ihr ununterbrochenes Schreien. Die Mutter erklärt der hinzugezogenen Ärztin: Mein Kind schreit nicht, weil die Ohren entzündet sind, sondern die Ohren sind entzündet, wegen dem vielen Schreien!
Diese Erzählung ist aus der Sicht des Kindes, dessen Kopf „ein Raum, eine Kugel ist und wo Gedankenpistolenkugeln knallen, gestern, heute, morgen gegen die Innenwände” (S. 261). „Trilliarden Dinge teilen sich einen Moment.“ Das Kind Alex, das außerdem vor zu viel Nähe und körperlicher Berührung zurückschreckt, gibt einen neuen Blick auf die erlebte Umgebung frei.
Auch eine Krankheit wird seitens des nunmehrigen Volksschulkindes anders gesehen. Es vermeint zu sterben und freut sich schon auf das sanfte Hinübergleiten in den Tod, jedoch muss es ärztlichem Rat zufolge nur Bettruhe einhalten: „Schlafen ist nur ein sehr kleines Sterben. Ich schlief einige Tage viel und war wieder gesund. Ich war enttäuscht darüber, dass ich nicht gestorben bin. Der Tod ist kalt, aber ein Lügner”, denkt es.
Alles wird anders empfunden, und nur das Aufstellen strikter Regeln (Ich muss schreiben, ich muss mitmachen, ich muss das Metall der Sesselbeine aus meinem Gehirn kratzen …) und das Erfinden und Zulegen eines gedanklichen Vogels hilft, in das fast „normale“ Leben sich einzugliedern. Und mit viel Einfühlsamkeit kann die Mutter ihre Tochter auch von diesem Hilfsmittel befreien.
Eine bedeutsame Erzählung der Autorin, die, geb. 1982 in Hollabrunn, zahlreiche Preise und Stipendien bekam. Beide bisher erschienenen Romane wird der Leser nach diesem unbedingt lesen wollen!
Wirklich ein großartiges, sensibles Werk!

Eleonore Weber: Die Bäume am Abhang

Klaus Ebner

Eleonore Weber:
Die Bäume am Abhang

Lyrik
Edition fabrik.transit
Wien 2023,102 Seiten
ISBN 978-3-903267-31-2

Introspektion. Es sind Frauenstimmen, die in »die Bäume am Abhang« sprechen. Die Mutter, die Tochter, die Großmutter (im Text »mutter der mutter« genannt) – ein steter Perspektivenwechsel, geradezu rasant, dass es kaum einen Unterschied macht, wer jetzt wer ist; denn die Wahrnehmungen ähneln einander, Erlebnisse scheinen sich zu wiederholen, und die Gefühle – Zuneigung, Enttäuschung, Betroffenheit und Schmerz – nähern die Frauen einander an.
Eleonore Weber, geb. 1966 in Wien, lebt und arbeitet als freie Autorin und Grafikerin ebenda. In ihrem jüngsten Lyrikband lässt sie Frauen zu Wort kommen, deren familiäre Bande auch durch den Übergang vieler Gedichte symbolisiert wird, denn es werden Wörter oder Gedanken vom Ende eines Textes in den Anfang des nächsten übernommen und dort weiterentwickelt.
Freie Rhythmen, durchgehende Kleinschreibung, die Aussparung aller Satzzeichen und ein etwas melancholischer Ton charakterisieren das Buch, und die häufigen Hinweise »denkt die Tochter« und »denkt die Mutter« ordnen die Gedichte ein, weisen sie einer bestimmten Person zu. Der durch Enjambements vielfach gebrochene Satzfluss ist ein weiteres Stilmerkmal dieser Lyrik.
Inhaltlich lesen wir vom Ende der Kindheit, einer enttäuschten Ehe und »der anderen Frau«, von Geldsorgen, neuer Hoffnung und Abschieden. Und immer wieder der Bezug auf die Bäume, die am Abhang stehen, vor einem Abgrund also, in den sie aber nicht stürzen, weil sie gut verwurzelt sind und einander stützen. Ein Bild, das wohl auch auf die Frauen bezogen werden sollte.
„ABER WAS BLEIBT kann nicht eingenäht werden/mit ein paar wörtern in eigene taschen was/übrig bleibt steht noch/steht wenn es/nichts mehr zu sagen gibt/: immer//sind bäume am abhang" (S. 93)
Das letzte Gedicht trägt den Titel „Reise ist aber auch Abenteuer«, und in diesem Sinne sollte das Buch gelesen werden, um das im Text angesprochene »unbeschriebene Blatt“ zu füllen.

Alexander Estis: Legenden aus Kalk

Gerald Jatzek

Alexander Estis:
Legenden aus Kalk

Nach Erzählungen der Menschen
eines Kölner Veedels
Parasitenpresse, Köln 2023,
94 Seiten
ISBN: 978-3-947676-81-1

Von unten. Vorausgeschickt sei im Sinn der Transparenz, dass ich mich Köln und besonders seinen weniger begüterten Bewohnern seit den frühen 1970ern verbunden fühle. Da war ich in der Stadt einige Zeit als Straßenmusiklehrling, angeleitet von ansäßigen Helden des Genres wie Fliege und Klaus dem Geiger.
Was wir damals oft nebenbei an Geschichten zu hören bekamen, ist der Stoff, aus dem Alexander Estis seine Miniaturen über das Veedel (Grätzl) Kalk formt. Er hat dort urbane Legenden gesammelt, eine Gattung, die wie Märchen gemeinsamen Ängsten, Wünschen und Träumen entspringt; C.G. Jung würde sagen: dem kollektiven Unterbewussten. Im ersten Text bringt dieses eine Frau ohne Augen und Nase hervor, die trotzdem alles beobachtet, eine Erfahrung, die jeder nachvollziehen kann, der Wiener Wohnungen mit Rückspiegeln an den Fenstern kennt. Solche Geschichten aus dem Weichbild der Wirklichkeit können auch witzig sein, wenn es etwa um türkische TV-Sendungen geht, deren Ton durch Rohrleitungen in alle Wohnungen eines Hauses übertragen wird.
Immer wieder dringt freilich der naturalistische Hintergrund durch. Vergewaltigung, Prostitution, Drogen, Altersarmut. Dem muss man sich stellen: „Wenn der Mann noch einmal meine Töchter anguckt, dann schneide ich ihm mit dem Fischmesser den Penis ab.“ (S. 54).
In der Ära überschwappender Soaps wirken die Protagonisten dieser Texte seltsam gelassen, wenn sie täglichen Ärgernissen und existiellen Problemen ohne Pathos und oft selbstironisch begegnen. Vermutlich verfügen Drama Kings und Queens über Energie, die viele Menschen in Quartieren wie Kalk brauchen, um nicht in die Gräben zwischen Einkommen und Miete oder zwischen Leistung und Gesundheit zu fallen.
Der Autor erzählt Alltagsgeschichte und Skurrilitäten, Tragisches und Weggetretenes, Romantisches und Kriminelles, weshalb es schade ist, dass es nach kanpp 90 Seiten schon zu Ende ist.

Schloss Leopoldskron. Geschichte und Gegenwart.

Eva Riebler

Schloss Leopoldskron. Geschichte und Gegenwart. 75 Jahre Salzburg Global Seminar, HG Carl Aigner, Korrekturverlag/Art Book Mattighofen/Wien 2022, 264 S.

ISBN 978-3-9505129-2-2

 

Sein kunstsinniger Neffe Franz Laktanz gestaltete Garten und Park nach der damaligen Mode und der dritte Schlossherr, Max Reinhardt, holte Vasen, Skulpturen und Figuren (teilweise aus NÖ, Schloss Thürnthal u.a.), baute eine umgebende Mauer, eine Bootsanlegestelle und holte u.a. 21 Orangenbäume, die 70 Jahre alt und z.T. 5 m hoch waren aus Schönbrunn. Sein geliebtes Juwel, das indirekt 1920 Salzburg die Festspiele gebracht hatte, musste er wegen der Nazifizierung aufgeben. Er trauerte sein Leben lang.

Schloss Leopoldskron, bzw. der Meierhof ist seit der Verfilmung 1964 „The Sound of Music“, dem Leben der Trappfamilie in Salzburg in Amerika bekannt. Er bekam fünf Oscars und steigerte die Berühmtheit Salzburgs, obwohl im Schloss nicht gedreht werden durfte, denn das „Salzburg Global Seminar“ hat die Uneigennützigkeit auf die Fahne geheftet. So musste das Venezianische Zimmer von Leopoldskron aufwändig im Filmstudio nachgebaut werden.

In diesem Meierhof stehen Ihnen nun 55 Zimmer und im Schloss 12 Suiten zur Verfügung! Spüren Sie den weltoffenen Geist von 75 Jahren internationalem Global Seminar.

Auf nach Leopoldskron! Dieses umfassende Werk macht Lust auf eine Zeit- und Kulturreise!

Eva Riebler