Bühne

MARIO UND DER ZAUBERER

Eva Riebler

Landestheater Niederösterreich 29.11.2023

Werkstattbühne - KLASSENZIMMERTHEATER

MARIO UND DER ZAUBERER

Von Thomas Mann

 

Im Vorfeld des II. WK macht Thomas Mann auf Nationalitäten-Bildung und Abschottung vom jeweils Fremden aufmerksam. Außerdem hatte er selbst seine homo-erotischen Neigungen zugunsten einer bürgerlichen Karriere mit Eheschließung und sechs Kindern aufgegeben.

Beide Konflikte finden in diesem Stück Niederschlag. Der Zauberer und Hypnotiseur Cavaliere Cipolla erreicht einen Kuss von Mann zu Mann und wird deswegen vom unter Hypnose Verführten und Entwürdigten erschossen.

Der Schauspieler  Sven Kaschte, der seit dieser Spielsaison zum Ensemble des Landestheaters gehört, meisterte großartig alle Rollen! Mit Bravour spielte er den Vater zweier Kinder im Badeurlaub in Torre de Veneto, den Kellner Mario oder den Zauberer Cipolla. Er brauchte weder die in der Erzählung vorkommenden Requisiten wie Reitpeitsche, Zylinderhut oder weißen Schal des Zauberers um ihn vor den Augen des Publikums leibhaftig entstehen zu lassen.

Eindrücklich brachte er Thomas Manns Weisheiten und ließ die Ideen der kommenden NSDAP anklingen.

Kinder empfinden sich als unabhängig von der Herkunft.

Eleganz verschafft Ansehen.

Befehlen und Gehorchen sind verbunden. Wer zu befehlen weiß, weiß zu gehorchen – wie Volk und Führer!

Sven kaschte liefert ein wirklich gelungenes Einmann-Stück!

SASHA WALTZ & GUESTS

Eva Riebler

Festspielhaus St.Pölten 25.11.2023

SASHA WALTZ & GUESTS

Beethoven 7 mit Tonkünstler Orchester unter der Leitung von Titus Engel

 

Sasha Waltz ist aus Berlin als Künstlerische Leiterin des Staatsballetts und der Sophien Säle Berlin genauso wie von zahlreichen Aufführungen in St. Pölten bekannt. Unter der Leitung von Maestro Teodor Currentzis spielte das Ensemble musicAeterna anlässlich seines 250. Geburtstages 2021 Beethovens siebte Symphonie und Sasha Waltz interpretierte zwei Sätze. Nun gibt es die Fortsetzung, allerdings nicht neben dem Apoll-Tempel und dem Orakel zu Delphi, sondern auf der Festspielhausbühne St. Pöltens. – Welche Ehre, welche Freude!

Allerdings gab es ein live entwickeltes Vorprogramm zum Thema FEIHEIT/EXTASIS zum Sound von Diego Noguera(zu überstehen). In den ersten Sitzreihen pochte der Sound, bzw. die eintönige in drei Wochen vor Ort entstandene Komposition, zu sehr in Kopf, Brust und Magen. Im Programmheft fehlte eine längere erörternde, sinngebende Erläuterung zum Musiksetting. Das Ballettgeschehen war niveauvoll, in wunderbarer Ausstattung und Lichtdesign und gut interpretierbar zum Thema: Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich und Zurückentwicklung zum tierischen Individuum.

Jedenfalls gilt meiner Meinung nach vor allem für das tonale Geschehen der Aphorismus Josef Enz: Kunst steigt allzu oft in den Zug der interessanten Langeweile.

Manche Besucher dachten über die Choreografie zu Beethovens 7. genauso. Vor allem bei der Choreografie: Zuviel vom Gleichen!

Wohltuend waren der erste Satz mit schleierartigen Kostümen und dialoghaften Aufeinander-Zugehen. Der freie Tanz in freien, wehenden Gewändern statt im strengen Korsett wurde auch hiergefeiert. Im Weiteren trugen große Gesten und die wunderbare Fahnen-Tänzerin zur pulsierenden Gestaltung bei.

Die 7. Symphonie selbst sowie als Gegensatz zur elektronischen Komposition Nogueras ist eine der Extreme – die Choreografie wäre dies allerdings gewesen, wenn die Wiederholungen dies nicht ausgedünnt hätten. Sie wies ein Zuviel des Selben auf.

Ein großes Lob den berufenen Kostümdesignern Bernd Skodzig und Federico Polucciden sowie den Tänzern, die ihre ganze Energie in die wie ein Uhrwerk präzisen Takte gelegt hatten!

 

STRADIVAHID und der GEIGENZAUBER

Eva Riebler

FESTSPIELHAUS 8.11.2023

STRADIVAHID und der GEIGENZAUBER

Tonkünstler Orchester mit Lorenz C. Aichner

Interaktivität ist immer Trumpf!

 

Als Solis, Conférencier und Zauberkünstler bestreitet der erste Geiger der Tonkünstler Bahid bravourös den ganzen Abend. 

Sein Kontakt zum jungen Publikum ist hervorragend und er überrascht immer wieder. Z.b., dass ja das Publikum seine eigenen Instrumente mitgebracht hat, weil es Hände und Füße als Klangkörper hat. Und so erzählt er interaktiv die Geschichte nach der Suche der magischen Hände. Mit der Kutsche, zu Fuß und mit dem Zug oder Schiff begibt er sich auf die Reise und trifft niemand Bedeutenderen als Paganini, der die magische Geige Stradivahid dann auch mit Begeisterung spielt.

Eine tolle Stunde mit  Kurzweil und vielen klassischen Stücken begeistert das Publikum!

Diesen oder ähnlich gestaltete  Auftritte, bei denen nicht nur die Zuhörer sondern auch der Dirigent und die Instrumentalisten stets eingebunden werden, müsste man in Serie gehen lassen und einmal im Monat für die Kinder und alle jung Gebliebenen auf die Bühne bringen. Gäbe es einen Fixtermin, würde auch mehr Publikum informiert sein.

Das Festspielhaus bedarf des Publikum-Nachwuchses für klassische Musik und hier sah und hörte man die Begeisterung der jungen Zuhörerschaft!

Kasimir und Karoline

Stefan Harm

Ödön von Horváth: Kasimir und Karoline

Regie: Moritz Franz Beichl

Landestheater Niederösterreich, St. Pölten

(Koproduktion mit dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg)

Premiere: Samstag, 30. September 2023

„Vielleicht sind wir zu schwer füreinander“ richtet Karoline an ihren pessimistischen – weil gerade arbeitslos gewordenen – Kasimir, den Konstantin Rommelfangen großartig in seiner ganzen bedauernswerten Gefühlslage einfängt. Diese Worte sind es, die den Sog in menschliche Untiefen einsetzen lassen. Moritz Franz Beichl inszeniert Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“ als einen Strudel, dem seine Protagonist*innen nicht entkommen können.

Das Stück spielt in den frühen 1930ern auf dem Münchner Oktoberfest, doch das Bühnenbild verzichtet auf Wiesn-Kitsch. Es ist auf wenige Requisiten reduziert, die in ihrem ramponierten Zustand die gesellschaftliche Verfassung dieser Zeit aufzeigen. Gleichzeitig ist der so entstehende Schauplatz zeitlich wie auch geographisch nicht eindeutig zuordenbar. Das Bühnengeschehen wird aus jeder Verortung geholt und kann großzügig umplatziert werden. So entsteht eine teils beunruhigende Vergegenwärtigung von Krise, Unsicherheit, Zweifel und Verzweiflung. Diese nebulöse Atmosphäre schafft Raum und erlaubt dem Ensemble, seine Schleifen zu ziehen. Die Schauspieler*innen treten auf und wieder ab, kommen sich näher und entfernen sich voneinander, ohne je wirklich aus dem Blickfeld zu geraten – weder für die anderen Personen noch für das Publikum. Sie treten bloß in den Hintergrund, bis die nächste Szene die Konstellation tänzerisch ändert. Das Stück bewegt sich – wie der Zeppelin – in Schleifen, es ist in ständiger kreisender Bewegung und so wie jener Zeppelin – oder auch die Achterbahn – lediglich Runden dreht, gibt es für die Figuren kein echtes Fortkommen. Der erhoffte Fortschritt bleibt aus. Anfangs- und Endpunkt sind ident. Unterdessen zieht sich die Schlinge zu.

Die Rolle des Orchesters übernimmt Philipp Auer, der mit Gitarre und seiner eindringlichen Stimme kraftvolle Momente erzeugt. Ausgewählte moderne Musikeinlagen verstärken den Eindruck der Gegenwartsbezogenheit und schaffen es, die entsprechende Stimmung wohldosiert zu erzeugen oder zu verstärken.

Die „Abnormitäten-Schau“ – man danke an „den Liliputaner“ oder „Juanita, das Gorillamädchen“ – fehlt gänzlich. Das schadet der Inszenierung allerdings nicht, denn wirkliche Missbildung findet man bei der ökonomischen Situation und an den Beziehungen, die sich in diesem Kontext entwickeln. Sehnsüchte und Erwartungen ergreifen und verformen den Charakter. Wer Ambitionen hat, wer gesellschaftlich oder finanziell aufsteigen möchte, muss dafür auch etwas geben – und es zeigt sich: Manche haben einfach zu wenig, für manche gibt es nichts zu feiern. Auf diesem Oktoberfest greift man nicht zum Bierkrug, sondern zum (überdimensionierten) Strohhalm. Sogar der wohlhabende Geschäftsmann Rauch – wunderbar zwielichtig verkörpert von Michael Scherff – muss nicht nur sinnbildlich nach jedem Strohhalm greifen. Es geht um Status, Macht, Geld sowie um die Verbindungen und Verwirrungen, die sich daraus ergeben. Beziehungen sind Kapital. Davon ist selbst die amouröse Liebe nicht ausgenommen – in schweren Zeiten schon gar nicht. Die Liebe kann es nicht völlig unabhängig von ihrem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld geben – und sie kann daran scheitern. Das zeigen die Figuren, das muss die von Laura Laufenberg mitreißend gespielte Karoline schonungslos lernen: „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär man nie dabei gewesen.“

Gegen Ende des Stücks reihen sich die Darsteller*innen am äußersten Bühnenrand auf. Die letzten Dialoge sind ans Publikum gerichtet. Die grandios inszenierte und vom Ensemble herausragend gespielte „Ballade vom arbeitslosen Chauffeur Kasimir und seiner Braut“ endet wie eine Achterbahnfahrt: Niemand ist weitergekommen, den meisten geht es schlecht und gebracht hat es ihnen nichts. Das Publikum aber darf begeistert sein.

12.8.23 und 13.8.23 GRAFENEGG

Eva Riebler

Kritik

Abendkonzert 12.8.23 KYIV SYMPHONY ORCHESTRA

Rudolf Buchbinder und Luigi Gaggero/Dirigent

 

LUDWIG van BEETHOVEN: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5

Dies war sein letztes Konzert bevor Beethoven ganz taub wurde. Er vertonte den 2. Angriff der Truppen Napoleons auf Wien  und beginnt in Es-Dur in heroischer Manier. Diese imperiale Einleitung fand ihren Niederschlag im 2. Teil des Sissi Films als Kaiser Ferdinand  in die 4 Himmelsrichtungen sein kaiserliches Schwert erhob.

Buchbinder war einzigartig in den Ausführungen und dämpft im 2. Teil, sodass das Religiöse und Innerliche wunderbar zum Ausdruck kommt.

Im dritten Satz gibt er das jungfräulich Schwerelose und das Volkstümliche wie mit schweren Schuhen wieder. Ob des riesigen, wohlverdienten Applauses lässt er ein wunderbares Finale aus „Der Sturm“ von Beethoven als Zugabe erklingen.

Ein Ausnahmekünstler an den Tasten!

Die Ukrainischen orchestralen Volksweisen im 2. Teil nach der Pause lassen Schwächen des Orchesters durch, jedoch geht es um den Freundschaftsbeweis zur Ukraine und zum Ukrainischen Volk, was in der Hymne innig zum Ausdruck kommt.

 

 

Abendkonzert 13.8.23 EUY Orchestra mit Manfred Honeck/Dirigent und

Martin James Bartlett am Klavier

JAMES MACMILLAN: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3C-Dur 1921

Das Konzert wurde durch die drei Hörner aus dem Hintergrund überaus belebt.

SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier und Orchester

Der Pianist tonierte unglaublich schnell und perlend leicht und lässt die schwere Zeit der Entstehung des Stückes zu Zeiten Stalins vergessen. Ein sehr tolles, passagenreiches Konzert, das Begeisterungsstürme im ausverkauften Wolkenturm hervorrief.

SCHOSTAKOWITSCH 5. Symphonie

Die Kraft des neuen sozialistischen Realismus verlieh zu Beginn der Symphonie Flügel, die melodisch und elegisch versiegen und über lärmende Marschrhythmen zu Gräbern, der vielen Gemetzelten führen. Dem strengen, ausbeuterischen Regim geschuldet ist ein heroischer Jubel am Schluss, der kräftig und siegessicher die Symphonie beendet.

Ein Zeitdokument, das mit so viel Freude, Elan und unvorstellbarer Ausdauer der 100 Instrumentalisten aufgeführt wurde. Die Jugendlichen unter 26 Jahren sind eine äußerst bewundernswerte Truppe, die sehr viele großartige Orchesterspieler und Solisten hervorbringen wird. Der erste Geiger weißt eine dermaßen große Eleganz und ein virtuoses Können auf, dass man die Augen staunend und bewundernd nicht von ihm lassen kann. Hervorragend!

Manfred Honeck dirigiert und leitet auf Grund seiner jahrelangen Erfahrungen als Mitglied der Wiener Philharmoniker und des Wiener Staatsopernorchesters diese bewegte, stürmische Belegschaft in besonders einfühlendem Maße.

Die Lust und Freude am Dirigieren und am Spielen springt ins Publikum über!

Großartig!