Buch

Hermann Niklas: Wetter, Gedichte

Cornelia Stahl

Hermann Niklas: Wetter. Gedichte.
Innsbruck- Wien: Limbus-Verlag.
96 Seiten. 2020.
ISBN: 978-3-99039-171-6

Deutungsvielfalt lyrischer Wetterbeobachtungen

Hermann Niklas hat Wetterbeobachtungen von mehreren Orten lyrisch „übersetzt“. Seine Notizen unterteilt er in drei Kapitel: Erdschicht/ Luftschicht/ Grenzschicht. Von Anfang an bezieht der Autor das Individuum ein, welches Wetterphänomenen täglich ausgesetzt ist.

Die lyrischen Notate spiegeln Blickrichtungen zwischen Himmel und Erde, tasten sich entlang divergierender Luftschichten, gelangen schließlich zur Grenzschicht- als Horizont erkennbar, werfen das Ich zurück auf physische und psychische Grenzen. In „Erdschicht“ erinnern Kindheitstage an Unbeschwertheit: „früher hatte er mit ...Stöckchen in die Erde Vögel gemalt, …aus zwei Strichen“ (S.12). Leichtigkeit reibt sich an Gegenwart und Alltag, möchte diesem gelegentlich entfliehen.

Himmelwärts schauen wir im Kapitel „Luftschicht“, erblicken das Neugeborene– als Licht oder Stern. Licht und Schatten korrespondieren hier mit unbewussten Ängsten: „ich kann sie berühren die Lichter - wenn die Angst neben mir sitzt- wir sehen nach oben“ (S.38). Und später, als „Staub und Dinge die nicht sollten fliegen“ eskalieren, verspüren wir ein Gewitter aufziehen,das sich rasch beruhigt: „mein Schädel leuchtet- in Hufeisenform wir haben Glück“ (S.42).

Das Schlusskapitel „Grenzschicht“ läutet einen (Wetter) Umbruch ein: „die Luft heute dünn“ (S.86). Niklas gelingt es, durch die Verknappung der Sprache Spannung zu erzeugen: „Schnee täuscht- Schritte brechen“. Dabei lässt er dem Lebenden  ausreichend Freiraum für eigene Deutungsmuster. Aussichtsreich verschmilzt am Ende ein „Du“ zu einem wir:„acht Minuten altes Licht- das uns trifft“.(S.96). Empfehlenswert! 

 

Hermann Niklas, geboren 1976 in Marbach (NÖ), Schriftsteller, Erwachsenenbildner. Theodor-Körner-Preis, Hans-Weigel-Literaturstipendium.

Sein Gedichtband Konfrontationen erschien 2009. 

Hermann J. Hendrich: Heureka und kein Ende?

Cornelia Stahl

Hermann J. Hendrich: Heureka und kein Ende?
Über Einfälle, Flow und Kreativität. Essay.
Wien: Klever-Verlag. 82 Seiten. 2019.
ISBN: 978-3-903110-48-9

Gibt es kreative Maschinen?

Werden Roboter die Menschen noch kreativer macher? Hendrich folgt dieser Fragestellung in seiner Neuerscheinung „Heureka und kein Ende?“ Im Focus steht das Ineinandergreifen von Mensch und Maschine. Was unter dem Stichwort „Künstlliche Intelligenz“ seit einigen Jahren kontrovers diskutiert wird (siehe Timo Daume: Die Künstliche Intelligenz des Kapital, 2019), beschäftigte Hendrich bereits in der 1950er Jahren, als der Autor, Beobachter der Nachkriegsavantgarde, die Entwicklung experimenteller Formen von Kunst, insbesondere der Literatur, Theater, Film und Fotografie mitgestaltete.

Ausgehend von Begriffsklärungen folgt der Essay in fünfzehn Kapitel diversen Themen wie „Der Tod des Genies“, „Einfall, Bewusstsein, Traum“, „Improvisation“, „Arbeit und Schöpfung“, „Der Bruch mit den Traditionen“ sowie „Flow und Fluidum“ etc. - Hendrich entlehnt Überlegungen bei Oswald Wiener („Klischee als Bedingung intellektueller und ästhetischer Kreativität“ -1998). Beim Thema Flow und Fluidum stütz sich der Autor auf   Andreas Okopenko´s Untersuchungen.

Im Schlusskapitel „Hoffnung“ empfiehlt Hendrich die Einschränkungen der Entwicklung von Kreativität: „Den (negativen) Einfluss von Anpassung, konservativen ... Druck“ zu beseitigen (S.78). Ein akuelles Buch mit einer Literaturliste zur Vertiefung des Thema! Empfehlenswert! 

 

Henrmann J. Hendrich, geboren 1934, Gymnasium Baden, Studium Maschinenbau, TU Wien. Seit 1959 Veröffentlichung von Literatur, Film, Multi-Media. Gründung Werkstatt Breitenbrunn, 1967. „stadt - visuelle strukturen“ zus. mit V. EXPORT, Jugend und Volk Wien, 1973„Mérida“, Ein Roman mit Fotos aus Mittelamerika. arteimago verlag, Wien 2017

Hermann J. Hendrich verstarb im Jänner 2020.

Martina Sens: PoeSENSkalender

Eva Riebler

Martina Sens
PoeSENSkalender

Arovell Verlag,
Wien-Gosau, 2019, 166 S.
ISBN 978-3-903189-31-7

Ein Tag – ein Gedicht. Martina Sens vereinigt 150 Tage mit jeweils einem Gedicht, das oft anlässlich des Datums Bedeutung erhält oder erleidet. Die Politik zieht sich durch und daher sind die Inhalte oft mahnend oder anklagend. Es ist ihr 10. Werk und die Texte erscheinen in ihr Lieblingsgestalt: in Lyrik.

Zwei ihrer Bände beinhalten nur Erzählungen, „ Hausmnannskost“ und „SENSor“, ohne dass sie mit Gedichten gemischt sind. Daran erkennt man die Bedeutung der kurzen Lyrik für sie, denn mit diesen kommt sie sehr schnell zu einer konkreten, treffenden Aussage. Knapp und eher lakonisch schließend als pointiert bringt sie in ganz wenigen Zeilen ein konzentriertes Ergebnis.

Es ist ihr eigen, stets den Finger auf eine Wunde der Öffentlichkeit oder Zeit zu legen und so Missstände bewusst zu machen.

Besonders gefallen mir die Zeilen zum 26.06. #  k. u. k. oder: das neue kackanien: Kriegsspiele/an grenzen/pumas/in spielfeld/männlein/säen botschaften/der menschenverachtung // was wird/die ernte sein.

Und noch prägnanter: 29.06. # stiftungsgründung: wer der menschheit/den größten nutzen geleistet/wird belohnt/sprengstoff sorgt für sprengstoff/reichtum für verteilung.

Ein wenig Sarkasmus darf schon sein und auch ein wenig Traurigkeit oder einfach eine Feststellung, dass sie Jan Kuciak (tot/weil unbequem/gestorben/im kampf/gegen korruption/politik und verbrechen/hand in hand/hand anlegend/gegen die/ vierte gewalt - oder Bert Brecht (… große stimme/großer geist.) sehr schätzt und würdigt. Mit einfachen Aussagen würdigt Martina Sens die mutigen Taten wichtiger Personen.

Als Hoffnung sieht sie die aktive Jugend: 24.03. # march for our lives. Das gesetz lässt sie/nicht trinken und wählen/aber schießen und morden/die jugend lässt sich/nicht mehr verkaufen und/von purer gier bedrohen/die jugend schreit auf/die welt horcht auf/der jugend zukunft/ist unser aller.

Eine Poesie ohne Dünkel, Romantik oder Getue.

Ein wichtiger Beitrag zu politischer Vergangenheit und zum heutigen Diskurs!

Thomas Ballhausen: In dunklen Gegenden

Eva Riebler

Thomas Balhausen
In dunklen Gegenden

Erzählungen,
edition atelier Wien,
2014, 104 S.
ISBN 978-3-902498-94-6

Wenn man ein Werk von Thomas Ballhausen liest, sieht man sich um ein weiteres um. So soll es ja auch sein!
Th. Ballhausen wurde 1975 in Wien geboren und studierte dort Vergleichende Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie und arbeitet im Literaturhaus  Wien. Er erhielt den Reinhard-Priessnitz-Preis und den Holfeld-Tunzer-Preis u.a., ist seit 2012 ordentliches Mitglied der Europäsichen Akademie der Wissenschaften und Künste. 2015 erschien „Signaturen der Erinnerung“; 2016 „Gespenstersprache“; 2017 „Mit verstellter Sprache“. Zuletzt erschien sein spannender Gedichtband: „das Mädchen Parzival“ im Limbus Verlag Innsbruck.

In diesem Werk nun legt er 10 Erzählungen unterschiedlichster Thematiken vor, Intensität und Länge vor. Die kürzeste umfasst zwei Seiten und könnte, wie in der Überschrift als Telegramm benannt oder als Lyrik gelten. Jede Aussage besteht auch ohne Kontext. „… natürlich müssen wir alle sterben/natürlich machen wir alle scheißjobs/wir machen sie nur eine spur besser/wenn wir wollen/ …. . Er spricht von unvermeidlicher Gewalt, die ausbrechen wird, von benötigter Medizin und benötigten Müllsäcken, beides gegen die Träume von Wirklichkeit, die uns heimsuchen. Er endet traurig und trostlos: „… die sprache geht uns aus/…/als wären wir zivilisiert …“.

Genauso unwiderruflich trostlos ist die Erzählung VI, In dunklen Gegenden vom Soldaten auf dem Weg zum Tod, der erkennt, dass wir nicht sind, dass wir nur zu sein scheinen.

Die Erzählung V. Noten  ist ebenfalls eine des Abschiedes. Ein Liebespaar ist schiffbrüchig geworden und hat die Tragödie noch nicht bewältigt. S. 51: …“nur aus den Augenwinkeln heraus, beobachte ich deinen grußlosen Aufbruch. … und streife mir die mitgebrachte Pferdemaske über. So bleibe ich sitzen, bestelle noch etwas. Ich werde wieder eine Bestie sein.“

Ballhausen zeugt in seiner Sprache von großer Betroffenheit, von Beobachtungsgabe und Resümee auf hoher philosophischer Ebene. Diese Tiefe und Intensität sind in der Literatur momentan nicht der Mainstream. Auch deswegen absolut bewundernswert!

Cornelia Travnicek. Brigitta Heiskel: Zwei dabei

Eva Riebler

Cornelia Travnicek, Brigitta Heiskel
Zwei dabei

Picus Wien, 2019,
farb. ill. 32 Seiten
ISBN 978-3-7117-4013-7

Träume werden wahr: Texte für Kinderbücher müssen noch sorgfältiger erarbeitet werden als herkömmliche Werke, denn in sehr wenigen Zeilen wird einem jungen Publikum eine Weltsicht dargebracht.

Cornelia Travnicek ist Meisterin der Sprache und Ideen und hat entschieden sich in ihrem ersten Kinderbuch um das Fremde, die Selbstbehauptung und aktive Verfolgung von Zielen zu kümmern.

Wünsche sind dazu da, verfolgt und erfüllt zu werden. In diesem Werk geht es um den Wunsch Eissport zu betreiben und zwar Eiskunstlauf. Zwei Kinder wollen gleich groß herauskommen und daher bei den Olympischen Spielen teilnehmen. Zum Eis-Paarlauf gehören natürlich zwei, ein starker Mann und eine herumwirbelnde Frau und ein Eis. Beides für den kleinwüchsigen Jungen aus dem südlichen heißen Land ein Ziel, das er nicht erreichen kann.

Aber Cornelia Travnicek, geb. 1987 in St. Pölten, Researcherin für Virtual Reality und Visualisierung im Raum Wien, lässt Kinderwünsche wahr werden.

Und doch wird es ein Happy End geben und die bekannte Märchenformel wird viel tröstlicher umformuliert: Und weil sie noch nicht gestorben sind, leben sie noch heute glücklich und zufrieden.

Ganz hervorragend und spannend sind dazu die vielen farbigen Illustrationen von Brigitta Heiskel aus Frankfurt, die an der Hochschule f. Bildende Künste Braunschweig studierte und seit 1990 als freischaffende Illustratorin in Wien tätig ist. Im Picus-Verlag erschien 2019 „Maja und Robobo“ von ihr illustriert. Für ihre Werke wurde sie ebenfalls wie Cornelia Travnicek mehrfach ausgezeichnet.

Ein wunderbares, fröhliches Kinderbuch, das ermuntert und vielleicht auch zum Zeichnen und Malen anregt.

Für Kinder ab vier Jahren und für die Vorlesenden ein großartiges Geschenk, ein modernes Märchenbuch!