Buch

Christoph Janacs: der Rede wert, Gedichte

Hahnrei Wolf Käfer

Christoph Janacs:
der Rede wert, Gedichte,

edition kaiper, 2018,
136 Seiten
ISBN13: 978-3-903144-45-3

Rätselhaft. Christoph Janacs Lyrikband beginne mit ‘kein Ende’ (es gibt keinen Weg aus dem Labyrinth deiner Wörter und Sätze) und endet passend mit ‘rätselhaft’, worunter eher die Haft, das Gefängnis des Rätsels (wir sind das Rätsel) zu verstehen ist. In seinem neuen, wieder streng zyklisch gearbeiteten, wieder mehrsprachigen Lyrikband setzt Janacs Bezüge zu anderen Dichtern (Schutting wie Rilke, Beckett wie Eliot, Neruda wie Paz), es sind lesegenaue Reaktionen, die mehr Fragen aufwerfen, als Gedichte, ja als die Sprache beantworten kann. In Janacs’ lyrischer Verkürzung lautet das ‘wer alles begriffen hat, / hat nichts begriffen’.
Hier kann man an Koans denken, aber völlig falsch wäre die Erwartung, dass uns nun der Autor alle Probleme des Lebens und der Sprache in hübschen Antinomien und Unbestimmbarkeiten auflöst, und damit hat es sich. Im KZ berieten sie und es gab ‘das einstimmige Urteil: Gott war schuldig an ihrer Vernichtung; dann knieten sie nieder und beteten zu Gott’. Das ist nicht absurd, das ist die logische Folge im Gefängnis der Religion. In ähnlicher Abhängigkeit verharrt Janacs, sein Gott ist die Sprache.
Als Kyoka-Schreiber sind einem Gedichte in japanischen Formen nicht näher als andere, aber man staunt über die Souveränität und Ungezwungenheit, mit der dieser Dichter sich der formalen Silben-Vorgaben bedient. Man liest Reihen von Senryu-Strophen, die manchmal (nicht nur bei dem umfangreicheren Gedicht für L. Laher) sogar ins Narrative kippen, man stößt auf Tanka, die eigentlich fürs Kettengedicht vorgesehene Form, und alles klingt fast so leicht, dass man die Dringlichkeit der Inhalte erst beim zweiten Lesen entdeckt. Aber wozu wäre Lyrik denn da, wenn nicht zum Wiederlesen? Auch die Mehrdeutigkeit des Buchtitels, einmal vom Inhalt absehend der Wert der Rede, einmal nur Inhalt des Sagens wert, löst sich, wie es sich für ein Koan gehört, bei genauem Nachdenken auf. Ohne aufgelöst zu sein.

Hermann Knapp: Der Auserwählte

Klaus Ebner

Hermann Knapp: Der Auserwählte
Roman, 426 Seiten
Verlag Wortreich, Wien 2019
ISBN 978-3-903091-56-6

Die Welt verbessern. Bei seiner Geburt zog Konrad Sammer den Blitz an, rutschte der Hebamme durch die Finger, knallte mit dem Kopf voran auf den Boden – und überlebte. Seine Eltern glaubten, dass er für Großes auserwählt sei, doch sie starben früh. Ein halbes Jahrhundert passierte dann gar nichts, doch dann verändert sich das Leben des Journalisten Sammer radikal. Mehrere ungewöhnliche Ereignisse und eine Stimme in seinem Kopf, die postuliert, Gott zu sein, bringen den – durchaus skeptischen und mit Selbstzweifeln ringenden – Journalisten allmählich auf einen Feldzug gegen die Gier und Habsucht in der Welt, die, wohl simplifiziert, die Ursache allen Übels seien.

Der 1964 geborene Niederösterreicher Hermann Knapp schrieb eine Art Märchen für Erwachsene. Dabei flossen wirtschaftliche und gesellschaftliche Gegebenheiten ebenso ein wie raffinierte Anspielungen an Religionen. Der Autor geht augenzwinkernd mit unseren Mythen um und formuliert Dialoge, bei denen Lesende aus dem Schmunzeln nur dann herauskommen, wenn sie laut auflachen.

Der Versuch, die Welt zu bessern, stellt sich als Feldzug gegen den Großkapitalismus dar. Und der schlägt natürlich zurück, bringt Sammer in die Klapsmühle und versucht ihn, den selbsterklärten Propheten, mit Medikamenten aus der Bahn und aus der Weltgeschichte zu werfen.

Hermann Knapp ist ebenfalls Journalist, und er hat Theologie studiert. Eine Menge davon ist in den Roman eingeflossen und das mit einer riesigen Portion Humor, die das Lesen des Buches zu einem Vergnügen macht.

Man mag sich an gewissen Vereinfachungen und wohl unrealistischen Wendungen stoßen – aber es ist eben ein modernes Märchen, und welches Märchen wäre nicht unrealistisch? Also: Dieses Buch ist eine wunderbare Aufforderung zum Träumen von einer besseren Welt!

C.O. Buchacher: Der Froschfänger

Klaus Ebner

C.O. Buchacher: Der Froschfänger
Roman, 476 Seiten
Amazon, Seattle-Luxemburg-Wien 2019
ISBN 978-1-0831-7033-0

Blick nach Brasilien. Der Wiener Autor Christian Oswald Buchacher (geb. 1963) greift auf eigene Erfahrungen in einem WWF-Forschungsprojekt Anfang der 1990er Jahre zurück und erzählt die Geschichte eines jungen Froschforschers im brasilianischen Regenwald und in Manaus. Der Protagonist Chris lernt das Leben der Feldforschung mit indianischen Gehilfen kennen und merkt, nach seinem Studium in Wien, wie der Dschungel wirklich ist – inkl. Begeisterung für die Natur, aber auch der Schilderung einer eher menschenfeindlichen Umwelt.

Parallel dazu die Erlebnisse in der Großstadt Manaus, wo er sich mit einem emotionalen amerikanischen Kollegen anfreundet und sich in eine Brasilianerin verliebt, die sich als »Mutter« eines »Terreiro« erweist, eine Art Priesterin der Candomblé-Religion, die Merkmale afrikanischer Naturreligionen sowie des Christentums miteinander vermengt. Chris ist als Forscher sehr wissenschaftsgläubig, und als er bei einer Messe selbst in Trance fällt, bringt das sein Weltbild gehörig durcheinander.

Liebevoll wird die Figur des vermeintlich einfältigen Lagerkochs Jacaré beschrieben, der mit seinem Gewicht Bänke zum Einsturz bringt und die Kollegen tagtäglich mit Bohnen bekocht und sich schließlich als Aussteiger mit überraschendem Hintergrund entpuppt.

Der Roman ist eine turbulente Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der fortschreitenden Vernichtung des Regenwaldes und der galoppierenden Inflation im Brasilien der 90er Jahre, wie man sie sich als Europäer kaum vorstellen kann. Im Internet publizierte der Autor eine Reihe von beunruhigenden Hintergrundinformationen zum Regenwald und Fotos, die etwa das Dschungellager des Autors und seiner »Mateiros« (=Waldgehilfen) zeigen. Das Buch gibt es als Taschenbuch und E-Book.

Egyd Gstättner: Mein Leben als Hofnarr

Eva Riebler

Egyd Gstättner
Mein Leben als Hofnarr

Wien, Picus 2019, 285 S.
978-3-7117-2084-9


Es ist verdammt hart, vom Schreiben als Autor leben zu wollen. Auch wenn man sein 18. literarisches Werk herausgibt und diverse Kolumnen schreibt/schreiben will, ist man den Zumutungen des Literaturbetriebes ausgeliefert. Diese Zumutungen und wie man sich darüber (nicht)ärgert und ständig in den Arsch beißt – das ist diesmal Gstättners Thema.

Wie ein Tagebuch, das natürlich keines ist, weil es (verkaufstechnisch) keines zu sein hat, hat Gstättner kurze private Reflexionen parat. Private deswegen, weil seine Aufzeichnungen immer weniger politische Statements enthalten, sieht er rückblickend. – warum wohl? – Der Literat hat ja sowieso die Medien als Feind, Egyd Gstättner überlegt daher alle Abos zu kündigen und in kein Medium mehr hineinzuschauen – aber das erkennt er als „glatten Selbstmord“. –

Naturgemäß ölt er ins politische Basching, denn aufregen muss man sich in diesem Schurkenbundesland – hie und da natürlich auch über sich selber, wenn z.B. der Bauch so angewachsen ist, dass man beim Sex nichts mehr sieht. Dafür hasst er sich, aber er hasst auch Absagen (von Zeitungen oder Verlagen), Radios, unbezahlte Reisen, das Zuhause Bleiben, den Donauwalzer zu Silvester und und und. Er bemerkt, dass es keine guten Lektoren oder Verlagsbetreuer gibt, auch keine öffentlichen Briefkästen, Telefonzellen, Abfallinseln mehr…, also weitet sich das Abseits aus – seines jedenfalls. Ein goldener Anker ist für ihn das kleine kärntner Städtchen Friesach, wo er zwar mit der Welt digital verbunden, aber auf der Straße nur Friesacher und Friesacherinnen trifft/sieht. – Hier kann er allen Widrigkeiten zum Trotz noch schreiben, wenn auch im Abseits, wenn auch als Hofnarr!

Der Vorteil des Hofnarren liegt auf der Hand. Allerdings ist er einer, der nicht hofiert wird, sondern der sich selbst ständig aus dem Pannen-Sumpf seiner Publikatoren ziehen muss!

Und wir brauchen solche rege Autoren, die geistige und publizistisch Mahnwache halten!

Hrsg.: Geller Sabine, Weidel Christiana; etc.: Danube Women Stories

Cornelia Stahl

Danube Women Stories.
Hrsg.: Geller Sabine, Weidel 
Christiana; etc.

Illustration: Ribovic Natalija
Verlag: danube books Verlag,
Ulm, 2018, 126 Seiten,
ISBN-13: 978-394-6046-127 

 

Beim Flanieren durch Europas Straßen fällt auf, dass diese eher selten nach Frauen benannt sind, und meist Privatinitiativen zu verdanken sind (wie bei Veza Canetti – in Wien).

Um diese Lücke zu schließen, hat sich ein Team engagierter Frauen aus Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien auf den Weg gemacht, um (fast) vergessenen Frauenbiographien nachzuspüren. Weitaus mehr als den Fluss haben die Donauländer gemeinsam. 

Weibliche Persönlichkeiten aus Wien, Budapest, Novi Sad und Temeswar werden in dem schmalen Büchlein vorgestellt, wobei die Auswahl wiederum eine subjektive Seite offenbart. Ob Maria Theresia eine unbekannte Größe im Donauraum darstellt, ist eher unwahrscheinlich. 

Frauen, wie die in Budapest geborene und dort lebende Philosophin Agnes Heller vermisse ich, ebenso Käthe Leichter. 

Neugierig machen die Porträts zeitgenössischer Künstlerinnen, Unternehmerinnen und Wissenschaftlerinnen, die in kurzen Interviews Auskunft über ihre Arbeit geben. Da ist z.B. die Filmemacherin Andrea Ausztrics, bekannt geworden mit „Hungarian Jews After The Holocaust“, einem Film über die Identität ungarischer Juden. 

Auch Ula Schneider, Künstlerin aus Wien und Organisatorin des „SOHO in Ottakring-Festival“ lernen wir kennen. 

Die Herausgeber widmen neben der bekannten Widerstandskämpferin Sophie Scholl auch der Bürgermeisterin  Iris Mann aus Ulm eine Doppelseite. 

Vielfältig ist das Spektrum der hier vorgestellten Frauen, und wir dürfen uns freuen über eine Fortsetzung des Projektes, in dem Städte wie Linz, Regensburg und Vukovar vertreten sein werden. 

Neugierigen Lesern/LeserInnen empfohlen!