Buch

Andreas Urs Sommer : Nietzsche und die Folgen

Eva Riebler

Andreas Urs Sommer:
Nietzsche und die Folgen

Stuttgart: Metzler, 
2017, 208 S.
978-3-476-02654-5

 

Über das Geistesleben.

Einmal wird Nietzsche zu wenig zitiert, dann zu viel. Kann man all seinen Betrachtungen Glauben schenken?  Wem widmete Nietzsche seine Publikationen? Warum war er vom ehemals hochverehrten Richard Wagner, dem er nun die vierte (1876) widmete, nachdem er die dritte „Unzeitgemäße Betrachtungen“ Schopenhauer als Erzieher (1874) betitelt hatte, enttäuscht? 

Wahr ist sicher, dass Nietzsche ein unzeitgemäßer war. Einer, der den Pomp und das Großaufgebot der gekrönten oder fürstlichen Häupter mied. Die Anbiederung war ihm zuwider, wollte er doch gegen den Strom denken, schreiben und schwimmen! So verließ er den Weg des Huldigens der Überväter und begab sich auch schon mal auf den Weg des beißenden Spottes. Z.B. gegen den lästigen Konkurrenten, den vom Christentum abgefallenen Theologen und Literaten David Friedrich Strauß.

Auch in seinen Schriften schlug er einen neuen Ton an. Und zwar nicht mehr den der Abhandlung sondern den der Sammlung von Kurztexten. In „Menschliches, Allzumenschliches“ sind es 638 dieser Kurztexte, die von völlig unterschiedlichen Dingen handeln.

Nietzsche richtete sich an wenige und strebte doch möglichst viele Leser zu erreichen. Zitat S. 65: Er spielte damit, dass jeder zum exklusiven Kreis der „Allerwenigsten“ gehören will. Die ausgewählten Leser, so glaubte er, haben Interesse an Verrätselungen und Ausgräberlust. So präsentiert Nietzsche in „der Wille zur Macht“ keine Gesetze und klare Behauptungen, keine philosophischen Dogmen, sondern Möglichkeiten im Irrealis und im Werk „Jenseits von Gut und Böse“ formuliert er Alternativdeutungen und Fiktionen.

Und wie stet es mit seinem Verhältnis zum Christentum? Hat er dieses seit Kindheit als Kerker/ Folter empfunden?

Ist Ihr Interesse nun geweckt? Nun - dann empfehle ich dieses Buch, das leicht lesbar, spannend und mit Aha-Erlebnissen gespickt ist!

Theofora Bauer : Chikago

Cornelia Stahl

Theodora Bauer: 
Chikago. 

Wien: Picus-Verlag, 
2017, 254 Seiten
978-3-7117-2052-8 

Der Traum vom besseren Leben im Gepäck.

Wer nach Norddeutschland reist, kann in Cuxhaven, in den alten HAPAG-Hallen das Warten der Reisenden nachempfinden, die sich auf den weiten Weg nach Amerika machten. Auf einen unerschöpflichen Fundus an Geschichten und – Schicksalen stossen Besucher im Auswanderermuseum Bremerhaven. Dass sich dahinter mehr verbirgt als Abendteuer- und Entdeckerlust, können wir nun nachlesen. Da sind zunächst die Schwestern Anica und Katica sowie Ferenc, der Verlobte Katica´s, die Anfang der 1920er Jahre im Burgenland leben und von einer besserer Welt, von einem besseren Leben träumen. Schon liebäugeln sie mit Amerika, weil dort der Bruder des Verlobten scheinbar wohlhaben lebt. Davon träumt man auch im Burgenland, in dem sich  Ferenc einer Schmugglerbande anschließt und schließlich einen Gendarmen erschießt.  Alle Drei, Annica, Katica und Ferenc, ergreifen die Flucht, doch von dem blinden Passagier, der Schwangerschaft Katica´s, scheint nur sie selbst zu wissen. Spätestens an dieser Stelle ahnt der Leser, dass der „American Dream“ ein steiniger Weg werden kann. Nach dem Tod der Schwester bei der Geburt  und der Trinkerkarriere des Vaters hält Anica die Fäden in der Hand, wird Hausangestellte in reicher Familie und kümmert sich liebevoll um Josip, ihren kleinen Neffen. Ende gut, alles gut? Als 1938, im Jahr des Anschlusses, die Deutschen in Österreich einmarschieren, entfachen sie auf junge Burschen wie Josip eine magische Anziehungskraft. Theodora Bauer, geboren 1990 im Burgenland, erzählt in eigenem Sprachduktus, wie schon im Roman „Das Fell der Tante Meri“, ein Stück Geschichte Österreichs, die der Burgenlandkroaten und schließt damit eine Lücke. Fragen von Macht, Einfluss und der „Machbarkeit“ eines gelingenden Lebens schwingen im Subtext mit. Ein gelungener  Roman, der eine Sogwirkung entfaltet, hat man sich an den eigenwilligen Sprachstil gewöhnt. Ein Werk, das ich unbedingt weiterempfehlen möchte.                                                                

Gertraud Klemm : Erbsenzählen

Cornelia Stahl

Gertraud Klemm: 
Erbsenzählen 

Roman, Graz: Droschl-Verlag, 
2017, 160 Seiten
9783990590065 

 

Frauen- und Partnerschaftsprobleme. Gertraud Klemm stellt Partnerschafts-, Gleichstellungs- und Machtfragen zur Diskussion. Gesellschaftskritik klingt an, hätte aber noch mehr Intensität vertragen können.

Nach „Aberland“, „Herzmilch“ und „Muttergehäuse“ veröffentlichte Gertraud Klemm 2017 ihren neuen Roman „Erbsenzählen“. 

 

Sie bleibt bei den ihr vertrauten Themen: Da dreht sich alles um Frauen- und Partnerschaftsprobleme. Diesmal bleibt Windelnwechseln außen vor. Im Mittelpunkt steht Protagonistin Annika, die ihr Leben komplett umkrempeln und dem ewigen Karrierestreben eine Abfuhr erteilen will. Ausgerechnet in dieser Umbruchsituation fällt ihr Alfred vor die Füße, ein Kulturredakteur mit Waldhonigstimme, dem sie nicht widerstehen kann. No Problem! Wo ist der Haken?, fragt sich der Leser/die Leserin. Alfred ist doppelt so alt, könnte gut Annikas Vater sein. Für Tratsch ist wieder mal  gesorgt. Die „Neue“ des Kulturredakteurs wird von allen Seiten gemustert und beäugt. Beim Fußballmatch spürt Annika bissige Dialoge hinter vorgehaltener Hand und Blicke im Nacken. Unangemehme Sache, logisch! Schließlich ist es Alfred´s Sohn, den sie zum Match karrt, weil der Geliebte Termine auswärts wahrnehmen muss.  Annika´s Ärger steigert sich ins Unermessliche, sie reflektiert ihre Rolle, realisiert spät, auf was sie sich da eingelassen hat. Auch beim Elternabend muss sie nun einspringen und sich Vorträge anhören, wie man mit eigener Wut am besten umzugehen hat. Nervig! Als Alfred plötzlich einen Vorderwandinfarkt erleidet, gerät die Beziehung in eine Schieflage.  

Annika stellt Lebens- und Karrieremuster infrage, rebelliert jedoch nur leise. 

In zehn Kapiteln erzählt Gertraud Klemm mit feinem Gespür und ironischem Stil von den Unwägbarkeiten einer Beziehung. 

Cornelia Stahl 

Hg Wolfgang Kühn: Neue Literatur aus Österreich: auf tau chen

Eva Riebler

Neue Literatur aus Österreich: auf tau chen
Hg Wolfg. Kühn, Foto Eva Kern

St. Pölten Literaturedition NÖ, 2019, 190 Seiten
ISBN 978-3-902717-47-4

Wolfgang Kühn, der Mitbegründer/Mitherausgeber des DUM (seit 1922), das ultimative Magazin, Sänger  der Gruppe „Zur Wachauerin“, HG von CDs „aufhorchen“, „Vesselsky/Kühn: wauns amoi so aufaungt“ und „wia waun“. Außerdem Hans-Weigel-Literaturstipendiat des Landes NÖ 2018/19 ist der engagierte Herausgeber dieser Anthologie. Seine Song-Titel und Texte wie z.B.:“woidviertel am meer“ oder „im kölla“ usw. aus der ersteren (übrigens wirklich sehr empfehlenswerten!) CD nehmen schon das Thema des vorliegenden Bandes vorweg: Sichtweisen zu „Stadt-Land“. Und das natürlich gesellschaftskritisch und die jungen AutorInnen fördernd, wie es ja auch die LitGes vor allem im nächsten „etcetera Heft LitArena“ verwirklicht.

Die Beiträge der 10 niederösterreichischen, mehr oder minder JungautorInnen lassen sich nicht einfach schnell durchblättern. Man/frau fällt richtig in die Geschichten hinein und kann nicht vor dem Ende aufhören zu lesen. So erging es jedenfalls mir, als ich Daniela Dangls „Seesternstunden“ oder Eva Lugbauers „Der Zwiebelgarten“ aufschlug. Philipp Nolz schreibt ein Interview mit einem alten Mann so geschickt, dass er die Atmosphäre rundherum einfing: „Als sich der alte Mann setzte, zitterten seine Knie kurz, ehe sie plangemäß einknickten. So auf der Bank sitzend, so die Handflächen auf dem Tisch ausbreitend, so seine von Adern und Falten durchzogenen Handrücken betrachtend, atmete er tief ein. Wozu ich hier sei?“

Genauso einfach und narrativ spannend ist die Erzählung Susanne Weigersdorfer über einen kleinen Maulwurf in ihrer Hand und ihre kargen Resümees sowie Statements und Antworten ihres Vaters: „… Sauviech, sagt mein Vater. Die Amsel singt noch immer. … Was soll ich schon mit ihm (Vater) reden. Was mit ihm anfangen, wo wir doch nie viel miteinander anfangen konnten. Ich kann nichts tun – außer dem, was ich zu tun habe. Wie zum Beispiel vor einem Erdhaufen knien und schaufeln.“

Richtig berührend ist die Erzählung einer Liebesbeziehung in Abwesenheit „Einen Wald geerbt“ von Martin Peichl. Er scheut nicht intime Details auch beim Tod des Vaters lebendig zu machen, befingert sogar die Ritzen und Kratzer im Parkettboden mit seinen Fingerspitzen und fragt sich immer öfter: Wo wirst du sein, wenn ich sterbe?

Das war meine persönliche Herzens-Liste! Ein erzählerisches Highlight nach dem anderen! Die Jüngste Susanne Sophie Schmalwieser, 2001 in Mödling geb., ist mit ihrer Erzählung „Kar“, die im Spannungsfeld zwischen Großbauern und Arbeitern angesiedelt ist, genauso packend. Es ist also eine Best-Of-Liste zu finden, gar nicht möglich! Die weiteren AutorInnen müssen Sie selber  einreihen. Die da sind: Eva Rossmann, Harald Jöllinger, Simon Doujak und die zweitjüngste Hannah Oppolzer aus Baden, die poetisch und gekonnt philosophisch über die Zeit, die Stadt und das Land reflektiert.

Eine berührende, tolle, spannende Sammlung! Die Literaten und Literatinnen wurden durch herausragende Fotos von Eva Kern repräsentiert! Gratulation an die Fotokünstlerin, die AutorInnen und an den HG Wolfgang Kühn!

Elke Söllner: Die heilende Kraft der Katzen

Eva Riebler

Elke Söllner
Die heilende Kraft der Katzen

Wien-berlin Goldegg Verlag 2019
978-3-99060-099-3

SPIEGEL. In Ägypten gab es die Verehrung der Katzen, die bis zur Mumifizierung und Aufbewahrung in Gräbern/Pyramiden reichte. Auch die Wikinger hatten sie als Grabbeigabe. 9000 Jahre Katzengeschichte gilt es zu erforschen, was allerdings in diesem Werk  leider keinen Eingang findet.

Es geht der Autorin um die Beziehung zwischen Katze und Mensch. Die Katze ist unser Spiegel und lässt uns reifen und erkennen.  Meist ist die Katze eine Verbündete der Gelassenheit, des vollkommen Gewahrseins und lehrt uns Muße, Hingabe an den Augenblick – kurzum das Genießen des Seins. Auch die Aggressivität der Katze kann die Funktion haben, in uns selbst unterdrückte Wut zu erkennen und diese ausleben zu lassen. Die Katze ist eben der pädagogisch wertvolle Spiegel, der uns hilft und begleitet auf dem Weg zu unserem Innersten. Wissen und Wahrheit sind in uns selbst zu finden, so die Autorin!

Im Werk sind zahlreiche Tipps zur Katzenhaltung, verbunden mit menschlicher und tierischer Psychologie, enthalten.  Der Autorin ist die wichtigste Reise im Leben, jene zu uns selbst und daher versucht sie psychosomatisch zu wirken. Sie erklärt die Symbiose Katze und Mensch im Alter, bei Krankheit und betont mögliche Heileffekte und wünscht sich Harmonie zwischen Mensch und Katze.

Wer sich die Sinnfrage stellt und mit seiner Mieze vielleicht ein Katzenorakel zu veranstalten vorhat, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt!