Buch

Pia Janke (Hg.): Jelinek (Jahr)Buch. Rez.: Cornelia Stahl

Eva Riebler-Übleis
„Ich habe mich nie nach der Verkäuflichkeit gerichtet (…).

 
 

Pia Janke (Hg.):
Jelinek (Jahr)Buch
E.Jelinek-Forschungszentr.
2014-2015. Wien:
Praesens Verlag 2015.
326 Seiten.
ISBN:978-3-7069-0853-5

Wir haben geglaubt, dass die Werke wichtig sind“, meinte Ute Nyssen, Elfriede Jelineks langjährige Theaterverlegerin, Lektorin und Agentin, im Gespräch mit Pia Janke, der Herausgeberin des Jelinek (Jahr)Buches. Die gesellschaftskritische österreichische Autorin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek feiert heuer ihren 70. Geburtstag. Umso mehr lohnt es, sich mit ihren Texten und Theaterstücken auseinanderzusetzen. Wunderbar eignet sich dazu das Jelinek (Jahr)Buch 2014-2015 des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums, welches sich als Forschungs- und Reflexionszentrum versteht. Die Einleitung zum Jahrbuch schrieb die Theaterverlegerin Ute Nyssen. Vorgestellt werden Texte zu Jelineks neuen Theaterstücken „Das schweigende Mädchen“ und „Die Schutzbefohlenen“. Idealerweise ergänzt wird das Ganze durch ein Interview mit dem Regisseur Michael Thalheimer. Dass Jelineks Mutter in Rumänien geboren wurde, ist weitgehend unbekannt. Das Jahrbuch richtete eigens dafür den Schwerpunkt „Jelinek in Rumänien“ ein. Die Rezeption österreichischer Literatur in Rumänien ist ein besonders interessanter Aspekt und fand Eingang in diesen Abschnitt. Weiters lernen wir das Interkulturelle Wissenschaftsportal TABU kennen, welches Grenzgänge in Kunst und Forschung thematisierte und Themenkomplexe wie Tabu&Gender&Kunst zum Gegenstand der Reflexion machte, vor dem Hintergrund der Autorin Elfriede Jelinek als Moralistin, Feministin und Sprachkünstlerin. Am Ende des Buches finden wir die Dokumentation des Interdisziplinären Workshops „Es ist Sprechen und aus“. Eine Vielfalt an Autoren und Beiträgen macht das Jahrbuch spannend, für Theateraffine und Laien.

Pia Janke (Hg.): Jelinek (Jahr)Buch. Rez.: Cornelia Stahl

Zeinab Soliman: Diversität im Kochtopf. Rez.: Alexander Franz Artner

Alexander Franz Artner
Kulinarisches, das verbindet.

 
 

Zeinab Soliman:

Diversität im

Kochtopf/Kochbuch

Wien: ÖGB Verlag

2015. 116 S.

ISBN: 978-3-9904

-6163-1

Dass Liebe durch den Magen geht, ist allgemein bekannt. Dass sich das gemeinsame Kochen und Austauschen von Rezepten darüber hinaus auch ausgezeichnet zum Überwinden kultureller Barrieren und Ängste eignet, stellt Zeinab Soliman mit ihrem Kochbuch Diversität im Kochtopf unter Beweis. So präsentiert die 1963 in Kairo geborene Ägyptologin in ihrem Buch 50 Rezepte, die Arbeitssuchende mit Wurzeln aus der ganzen Welt für das Projekt zusammengetragen haben. Da darf jenseits der kulinarischen Genüsse natürlich auch der Dialog nicht fehlen. So vielfältig wie die Gerichte sind auch die Geschichten, welche die Teilnehmer des Projekts zu erzählen haben. Und dabei kommen viele Fragen auf. Warum gerade Österreich? Wie empfindet man die kulturellen Unterschiede? Und fühlt man sich als Österreicher? Viele der Fragen können nicht eindeutig beantwortet werden und zeugen von einem ambivalenten Empfinden. Meist sind die Antworten von dem Wunsch und Versuch getragen, zwei Kulturen miteinander zu vereinen. Zeinab Soliman formuliert dies für sich folgendermaßen: „ Ägypten ist meine Heimat, und Österreich ist mein Zuhause. In meinem Herz habe ich Platz für die Pyramiden und für das Riesenrad. Genau diese Gewürzmischung macht mich aus.“ Gerade in der momentan schwierigen Zeit rund um die Flüchtlingskrise stellt das Buch Diversität im Kochtopf einen Versuch da, an einem konstruktiven Miteinander zu arbeiten. Erwähnt sei noch, dass sowohl die Autorin als auch die Teilnehmer ehrenamtlich für das Projekt tätig waren und jeglicher Gewinn aus den Büchern dem Verein „Ute Bock“ Obdachlose Flüchtlinge in Österreich gespendet wird. Diversität im Kochtopf ist ein Kochbuch für die gute Sache und den guten Appetit.

Zeinab Soliman: Diversität im Kochtopf. Rez.: Alexander Franz Artner

Andrea Kern: ErHängt Wir fallen. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Arena der Hinterbliebenen

 

 
 

Andrea Kern:
ErHängt Wir fallen
Wien. Picus 2015. 264 S.
978-3-7117-2027-6

Wer einen Todesfall in der engeren Familie erlebt hat, weiß, was Verlust und Trauer bedeutet. Wie Selbstvorwürfe oder Unterlassungen das Hirn zermartern. Um wie viel schlimmer ergeht es nun der Ehefrau und der Tochter eines Selbstmörders. Diese unfassbaren Gedanken kleidet die Autorin in Worte. Der Schriftsteller der keine Worte mehr hatte und sich deshalb umbrachte, findet in Andrea Kern eine einfühlsame Protokollschreiberin. Nicht sinnloser Schmerz und pure Emotionsduselei finden Eingang in den Roman, sondern klare Gedanken und Taten, sortiert nach fiktiven Fragebögen, virtuellen Netzeinträgen, getätigten Aussagen in Runden von Suizid-Angehörigen und nach realen Träumen und vor allem Rückblenden in das einst glückliche Zusammenleben der Familie. Somit wird die Charakterzeichnung der beiden Hinterbliebenen, altersmäßig um die 43 und 18 klar lesbar, stimmig und äußerst interessant.

Ein Pfosten, ein Seil und darunter ein Loch – so einfach ist die Örtlichkeit des Selbstmordes zu beschreiben, aber das Suchen nach dem Warum ist eine Lebensaufgabe, die nun die Beiden begleitet und fast zerbrechen lässt. Weinen hilft nicht, Sprachlosigkeit auch nicht – jedoch dieses Werk, der in St. Pölten 1989 geborenen Germanistin und Historikerin!

Es ist nach „Kindfrau“ 2014, eine Lolita-Geschichte, die nicht dem Täter die eindeutige Schuld zuweist -  nun ihr zweites Werk, das für so ziemlich das heikelste Thema eine bewundernswerte Einfühlsamkeit, Klarheit und moderne Ausdrucksfähigkeit zeigt und findet.

Eine äußerst begabte Autorin mit besonderer Sprachvirtuosität!

Andrea Kern: ErHängt Wir fallen. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Franz M. Wuketis: Mit Pessoa in den Baumarkt. Rez.: Alexander Artner

Alexander Artner
In jedem Mann schlummert der Heimwerker

 

 
 

Franz M. Wuketits: 
Mit Pessoa in den Baumarkt
Roman
Wien: PROverbis e.U
2015. 204 S.
ISBN: 978-3-9028-3816-2

Und wenn der Arbeitsgürtel umgeschnallt ist und man mit Hammer und Säge gerüstet seinem Vorhaben ins Auge blickt, dann sind die Dinge plötzlich klar und einfach. Mann weiß, was Mann zu tun hat. Dies scheint sich auch der Kolumnist W. zu denken, der nach einem Umzug in eine Altbauwohnung einige unschöne Stellen in seinem Parkettboden ausmacht und beschließt, sich dieser auf eigene Faust anzunehmen. Doch zuvor bedarf es noch der nötigen Utensilien aus dem Baumarkt! Die Fahrt dorthin soll sich für W. jedoch zu einem Schreckensszenario entwickeln. Vom aufdringlichen Straßenbahnkontrolleur, über das nervige alte Pärchen vor dem Baumarkt, bis zu unausstehlich frechen Jugendlichen an der Bushaltestelle … Schnell wird dem Leser klar, dass W. sich unter seinen Mitmenschen nicht zurechtfindet. Er ist ein Außenseiter und Menschenfeind, der gerne über die Dummheit der anderen philosophiert und in Notfällen – oder einfach beim Erleiden von Wutausbrüchen – auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckt. Die Erlebnisse rund um die Fahrt zum Baumarkt, sollen für W und den Leser jedoch erst den Anfang dieser misanthropischen Odyssee darstellen.

Der Autor Franz M. Wuketits, der 1987 zum Dr. phil. promovierte und unter anderem an der Universität Wien unterrichtete, ist vor allem für seine wissenschaftlichen Arbeiten bekannt. Mit seinem Buch Mit Pessoa in den Baumarkt wendet er sich nun dem Genre Prosa zu. Ironisch und sprachgewandt schildert er das skurrile Verhalten des „Kulturmenschen“ Ws, der mit seinen Mitmenschen völlig überfordert ist und es einfach nicht schafft, die gesellschaftlichen Fettnäpfchen zu meiden. Mit Pessoa in den Baumarkt ist ein humoristischer Roman, der mit seinen gesellschaftskritischen Schilderungen den Nagel auf den Kopf trifft.

Franz M. Wuketis: Mit Pessoa in den Baumarkt. Rez.: Alexander Artner

Volker Hage: Die freie Liebe. Rez.: Alexander Artner

Alexander Artner
Die wilden Siebziger

 

 
 

Volker Hage: 
Die freie Liebe

Roman

München: Luchterhand

Literaturverlag

2015. 160 S.

ISBN 978-3-6308-7468-5

Studentenproteste, Antibabypille, freie Liebe … eine Generation möchte sich von den Fesseln der alten Normen emanzipieren. In dieser Zeit zieht es den einundzwanzigjährigen Germanistikstudenten Wolfgang nach München. Auf der Suche nach einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft landet er schließlich bei Andreas und Lissa. Für das junge Paar ist es in Ordnung, wenn sich einer der Partner auch mal „Geschichten“ mit anderen erlaubt. Eifersucht und Besitzansprüche haben für sie in einer modernen Beziehung nichts zu suchen. Als sich Lissa schließlich auf ein sexuelles Abenteuer mit Wolfgang einlässt, beginnt dieses Weltbild jedoch zu kippen und die neuen Werte werden für die Drei zur Tortur. Während Lissa sich die Frage stellen muss, ob es möglich ist, zwei Männer zur gleichen Zeit zu lieben, verzweifeln Wolfgang und Andreas zunehmend an ihren Gefühlen zueinander. Wo sie einst so etwas wie Freundschaft verband, ist es nun ein zermürbendes Konkurrenzempfinden. Der 1949 in Hamburg geborene Autor Volker Hage, machte sich vor allem als Journalist einen Namen. So arbeitete er viele Jahre für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, kam danach zum Wochenmagazin Zeit und ist seit 1992 unter anderem als Kulturredakteur beim Spiegel tätig.

Sein Debütroman „Die freie Liebe“ ist den Empfindungen der Menschen der Neunzehnsiebzigerjahre gewidmet. Feinfühlig schildert er deren Nöte, Ängste und Sehnsüchte – und die Aufbruchstimmung, in der sich die damals junge Generation befand. Auch wird deutlich, wie das Verwerfen alter Werte zu neuen Problemen führt und Konstrukte wie „die freie Liebe“ Menschen emotional in Ketten legen können. Hagens Roman ist einfühlsam und packend, und vermittelt dem Leser ein authentisches Bild der Menschen dieser Zeit.

Volker Hage: Die freie Liebe. Rez.: Alexander Artner