Eva Riebler-Übleis
Arena der Hinterbliebenen
Andrea Kern:
ErHängt Wir fallen
Wien. Picus 2015. 264 S.
978-3-7117-2027-6
Wer einen Todesfall in der engeren Familie erlebt hat, weiß, was Verlust und Trauer bedeutet. Wie Selbstvorwürfe oder Unterlassungen das Hirn zermartern. Um wie viel schlimmer ergeht es nun der Ehefrau und der Tochter eines Selbstmörders. Diese unfassbaren Gedanken kleidet die Autorin in Worte. Der Schriftsteller der keine Worte mehr hatte und sich deshalb umbrachte, findet in Andrea Kern eine einfühlsame Protokollschreiberin. Nicht sinnloser Schmerz und pure Emotionsduselei finden Eingang in den Roman, sondern klare Gedanken und Taten, sortiert nach fiktiven Fragebögen, virtuellen Netzeinträgen, getätigten Aussagen in Runden von Suizid-Angehörigen und nach realen Träumen und vor allem Rückblenden in das einst glückliche Zusammenleben der Familie. Somit wird die Charakterzeichnung der beiden Hinterbliebenen, altersmäßig um die 43 und 18 klar lesbar, stimmig und äußerst interessant.
Ein Pfosten, ein Seil und darunter ein Loch – so einfach ist die Örtlichkeit des Selbstmordes zu beschreiben, aber das Suchen nach dem Warum ist eine Lebensaufgabe, die nun die Beiden begleitet und fast zerbrechen lässt. Weinen hilft nicht, Sprachlosigkeit auch nicht – jedoch dieses Werk, der in St. Pölten 1989 geborenen Germanistin und Historikerin!
Es ist nach „Kindfrau“ 2014, eine Lolita-Geschichte, die nicht dem Täter die eindeutige Schuld zuweist - nun ihr zweites Werk, das für so ziemlich das heikelste Thema eine bewundernswerte Einfühlsamkeit, Klarheit und moderne Ausdrucksfähigkeit zeigt und findet.
Eine äußerst begabte Autorin mit besonderer Sprachvirtuosität!