Bühne

Landestheater NÖ, Premiere 30.9.2017: "Romeo und Julia" von William Shakespeare. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Kein Augenfutter!

Landestheater  NÖ, Premiere 30.9.2017

"Romeo und Julia" von William Shakespeare
Inszenierung von Sebastian Schug
Bühne: Christian Kiel, Kostüme: Nicole Zielke, Musik: Johannes Winde, Licht: Günter Zaworka, Dramaturgie: Kai Krösche.

Mit Tim Breyvogel - Romeo, Seyneb Saleh - Julia, Thomas Bammer - Bruder Lorenzo / Capulet, Elzemarieke de Vos - Mercutio, Stanislaus Dick - Benvolio, Emanuel Fellmer - Tybalt, Martina Spitzer - Lady Capulet / Bruder John, Josephine Bloeb - Graf Paris, Johanna Tomek - Amme / Apotheker, Helmut Wiesinger - Peter / Prinz.

Wer oder was blickt einem da an? Nicht der Shakespeare als Kostümschinken, sondern seine Zeilen verwebt mit neuem Sprachgestus und rasantem Treiben. Statt männlich chauvinistischem Ehrencodex nun tatkräftige Frauen, eine (Elzemarieke de Vos) als Kompagnon Romeo, als Mercutio, in Hosenrollen kotzend, spukend und machomäßig/unanständig agierend. Die andere (Josephine Bloéb) als heiratswütiger Graf Paris mit bleichem Gesicht und nichtssagendem Ausdruck – als schwaches Pendant zu Mercutio. Auch die hervorragend gespielte Amme (Johanna Tomek) nimmt eine Hosenrolle, die des Apothekers und sogar Lady Capulet, die sich ihrem Ehegatten in allem unterwirft, bekommt als zweite Rolle eine männliche, die des Bruder John.

D.h. viele starke F rauen blicken einem an, nicht zuletzt die Hauptfigur Julia selber, die nach anfänglichem sinnes- und Liebesrausch ganz schnell ihre mädchenhafte Geziertheit und Unsicherheit verliert und schnurstraks den tätigen Teil der Ehewilligen übernimmt und soviel Engagement zeigt, dass es ja tödlich enden muss.

Romeo wird ja hier gezeigt als dümmlicher Verliebter, zuerst in Liebe zu Rosalind entbrennend und dann der schöneren Julia zugeneigt. Was heißt geneigt – mit Flügel und Krallen in Besitz nehmend – nicht seiner Verpflichtung und Ehre der Geburt als Capulet eingedenk! Tim Breyvogel als Romeo bringt wunderbar diesen schwärmerisch, verliebten Typus, der dann im Liebesrausch seine kriegerische Ertüchtigung und Pflicht zur Kampfbereitschaft vergisst. (Leider vergisst er auch oft die Endsilben laut und deutlich genug zu artikulieren). Somit bringt er seinem Freund Mercutio indirekt den Tod. Ist er es doch, der ihn vor dem angreifenden Feind, vor Tybalt (Emanuel Fellmer), wegzieht, statt diesen sogleich, und nicht erst nach dem Mord an Mercutio rächend zu bekämpfen. Da sieht man wieder den Geist des historischen Stückes: Die Verbundenheit zum Freund ist dann doch stärker als die zur Braut! Hier stellt er endlich seinen Mann und tötet den Widersacher Tybalt, den Cousin seiner geliebten Julia.

Warum in der Inszenierung von Sebastian Schug, (der auch in der Saison 2015/16 den Sommernachtstraum sehr traschig inszenierte), Romeo so ein Schwächling und betonter Schwärmer sein muss, erschließt sich vielleicht aus dem Aufbau in Kontrasten und Gegensatzpaaren.

Das kämpferische Mittelalter findet nicht nur statt, es ist lautstark, brutal und mit einer grauslichen Unmenge an Blut (spritzend bis in die erste Zuschauerreihe) verbunden! So ausdrucksstark endet der erste Teil, dass der Zuschauer ermattet auch einen blutigen Kuss der zwei Erstochenen in Kauf nimmt, um endlich in die Pause gehen zu können.

Die Liebe als Versöhnung zwischen den beiden Parteien/Geschlechtern Veronas findet nicht statt und trotz der gutgemeinten Vermittlerrolle des Franziskaners Lorenzo/Thomas Bammer (hervorragend!) und der Amme/Johanna Tomek (einzigartig!) besiegelt der Tod die Liebe zwischen zwei streitenden Parteien.

Die Liebe kann nichts kitten, so sehr sie auch flackert und flirrt.

Die gepriesene Schönheit Julias spielt als Augenfutter keine Rolle, außer der zum Verderben!

Die Gruft ist der Endpunkt von Handlung und Schauplatz.

Chritian Kiehl gestaltete eine modern durchwirkte Bühne. Das Himmelbett der Liebe machte er zum Totenbett beider Liebenden. Günter Zaworka als Lichtregisseur tauchte alles ins passende, weiche Licht des finsteren Mittelalters.

Wer will nach soviel martialischem Geheul und Blut schon ein Happy-End? Die erstklassige, einmal jazzige und dann milde, stimmungsmachende Musik von Johannes Wind bleibt als das Positive im Raum. Zwischen Leonhard Cohen und Pop, hervorragend unterstützt vor allem von den Schauspielerinnen in Hosenrollen, bleibt das gesamte Stück angenehm im Gehör! Mag auch der Tod des Liebepaares so tragisch sein, viel wohlfühlender als nach dem ersten Teil kann das Publikum die Stätte nach fast drei Stunden laut klatschend verlassen!

Weitere Aufführungen am 7. und 14. Oktober, 2. und 17. November, 31. Dezember, 10. und 31. Jänner; Gastspiel an der Bühne Baden am 19. und 20. Dezember. Dauer: 2 Stunden 50 Minuten, eine Pause. Karten: 02742/908080600, http://www.landestheater.net

Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts St. Pölten: „Name: Sophie Scholl“ von Rike Reiniger. Rez.: Annemarie Wundsam-Nixdorf

Annemarie Wundsam-Nixdorf

Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts St. Pölten
18. Oktober 2017 (zu sehen bis 20.9)
„Name: Sophie Scholl“ von Rike Reiniger (im Auftrag von werk89)

Eine werk89 Produktion mit dem Landesgericht St. Pölten in Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pölten

Regie: Melika Ramic, Darstellerin: Suse Lichtenberger, Dramaturgie: Theresa Unger, Komposition, Musik: Imre Lichtenberger Bozoki, Ausstattung: Agnes Burghardt, Sounddesign, musikalische Betreuung: Daniel Kern,  Produktionsleitung, Kommunikation: Simon Hajos, Idee, Konzept: Anna Müller-Funk, Agnes Burghardt

Ein Theaterstück über Zivilcourage. Eine Geschichte wird in die Gegenwart geholt.

Wir Zuseher kommen durch die Personenkontrolle ins Gerichtsgebäude und gehen zu einem Prozess im Schwurgerichtssaal. Im Vorraum warten wir auf die Verhandlung. Die Stimmung schwankt von heiter bis betrübt. Plötzlich der Aufruf der Zeugin Sophie Scholl. Wir begleiten sie in den Gerichtssaal. Von der Schauspielerin Suse Lichtenberger wird uns das Leben der Widerstandskämpferin der „Weißen Rose“ Sophie Scholl ins Gedächtnis gerufen. In der Doppelrolle ist heute die geladene Zeugin eine Namensvetterin und Jusstudentin kurz vor dem Abschluss und soll ihre Aussage tätigen. Sie kann Schweigen und eine Sekretärin und Mutter wird verurteilt werden; sie kann sagen, was sie weiß, und ihre Karriere könnte Schaden nehmen.

Die beiden verschiedenen Welten werden gekonnt durch Orts- und Lichtwechsel sowie Hintergrundstimmen in Szene gesetzt. Sie erinnert sich an die Widerstandskämpferin, die als Mitglied beim „Bund Deutscher Mädchen (BDM)“ engagiert und begeistert war, aber nach der Frage, warum manche FreundInnen nicht mehr da sind, entscheidet sie sich für den Widerstand. Auf der Universität in München werden sie und ihre Mitstreiter verraten und zum Tode verurteilt.

Unsere Jusstudentin Sophie Scholl fragt sich, ob sie aussagen soll – einen aufrechten Gang möchte sie sich bewahren und den Frieden mit sich selbst.

Auch heute könnte von uns eine Aussage notwendig sein, die uns zwar nicht das Leben kostet, aber wichtig für das Leben anderer sein könnte. Das Stück „Name: Sophie Scholl“ gibt eine Richtung vor: Ein Aufrechter Mensch zu sein, der sich selbst in den Spiegel sehen kann und Zivilcourage zeigt, um mit sich selbst und anderen in Frieden leben zu können.

 

Salzkammergutfestwochen Gmunden, 16.07.17: Chanda Rule & Sweet Emma Band. Rez. Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Salzkammergutfestwochen Gmunden
16.7.17, 19.30

Chanda Rule & Sweet Emma Band

Chanda Rule –  eine herausragende amerikanische Jazzsängerin der Gegenwart, welche bereits als Jugendliche in Chicagos Kirchen Gospellieder zum Besten gab und international erfolgreich ist, wurde mit der Sweet Emma Band von Prof. Jutta Skokan nach Gmunden geholt.

Die Band besteht aus: Paul Zauner (geb. 1959), studierte Klavier und Posaune in Wien. Bereits Mitte der 1980er spielte er Konzerte mit u.a. Gregory Porter, David Murray, George Adams und vernetzt seitdem österreichische Jazzkünstler mit internationalen Größen in seiner Band „Blue Brass“. Darüber hinaus kuratiert der frisch gebackene Vater Konzerte im Brucknerhaus Linz und das Jazzfest in Passau, veranstaltet jedes Jahr das Jazzfestival „INNtöne“.

Osian Roberts (geb. 1976) am Saxophone ist ein Ausnahmetalent, Mitglied bei mehreren Bands und kein Unbekannter im britischen Jazz.

Jan Korinek wurde in Prag geboren, ist sowohl Performance-Artist, Komponist, Multi-Instrumentalist und einer der international bedeutenden Hammond-Organisten.

Christian Salfellner studierte an klassisches Schlagwerk in Graz und Jazz-Schlagzeug in Boston und unterrichtet an der Kunstuniversität in Graz. 2003 wurde er zum „Hans Koller-Preisträger“ als Sideman des Jahres gekürt.

Chanda Rule bezauberte mit ihrer bekannt kristallklaren Stimme das Publikum mit Jazz, Gospel und Blues, interpretierte besonders in der 2. Hälfte bekannte Gospellieder aus Ihrer Heimat.

Salzkammergutfestwochen Gmunden, 19.07.17: Schiff Eder Fahrt mit Harry Sokal Trio „I Remember Art“. Rez. Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
 

Salzkammergutfestwochen Gmunden
19.7.17, 19.30

Schiff Eder Fahrt mit Harry Sokal Trio
„I Remember Art“

Harry Sokal, geb. 1954 in Wien, Solokünstler und als 25-Jähriger von Art Farmer engagiert, unterrichtet seit 25 Jahren an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz.  Heute spielte er vorwiegend eigene Kompositionen und Art Farmer sowie Duke Ellington.

Er ist als leidenschaftlicher Jazz-Saxophonist bekannt, der einfühlsame und enthusiastische Interpretationen kreiert. International bekannt wurde er, als er mit Art Farmeim Quintett reüssierte oder mit Art Blakey, Friedrich Gulda usw. spielte. Soeben fertig gestellt hat er die CD „I Remember Art“, deren Entstehungsprozess er den Studierenden in Linz Einblick verschafft.

An der Gitarre John Armann, der 1986 als Sohn professioneller Musiker in Innsbruck geboren wurde und Klassische wie Jazz Gitarre in Wien, Linz, Innsbruck und London studierte. Seit 2012 ist er Lehrer an der Jazz/Pop/Rock-Abteilung des Musikums Salzburg für Gitarre und Big Band.

Am Kontrabass Martin Kocián, geboren 1994 in Polen, studiert seit 2014 an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz bei Peter Herbert.

Konzert und Schiff waren ausgebucht. In fast familiärem Rahmen zollte man dem großen Saxophonisten und seinen Begleitern Applaus. Ein gelungener Abend vor der Kulisse des Traunsteins und Feuerkogels mit einem renommierten, internationalen Künstler!

 

Landestheater NÖ: Rechnitz (Der Würgeengel), 17.05.2017. Rez.: Cornelia Stahl

Cornelia Stahl

Rechnitz (Der Würgeengel)
Gastspiel in Kooperation mit dem Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum Salzburg.
Landestheater Niederösterreich, Werkstattbühne. 17.05.2017

Erinnerungskultur – getanzt in bunten Kleidern

Die Mieder sind geschnallt. Und Kleider leuchten in rosa, gelb und grün, drehen sich wie wild im Kreise, Sekt fließt in Strömen. So könnte es gewesen sein, damals, in der Nacht des 24./25. März 1945, in Rechnitz, im Burgenland, mitten in einer landschaftlich wundervollen Gegend, feierte Gräfin Margit von Batthyany, Thyssen-Enkelin, auf ihrem Schloss in Rechnitz mit SS-Offizieren, Gestapo-Führern und Nazi-Kollaborateuren ein rauschendes Fest. Um Mitternacht ließ sie 200 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter erschießen. Nach Kriegsende verschwinden Täter und Beweismaterial.  Die katalanische Regisseurin Alia Luque ( 2016 inszenierte sie Grillparzers „Das goldene Vlies“) hat Jelineks Text Rechnitz (Der Würgeengel) für die Werkstattbühne bearbeitet. Statements von Verleugnung und kognitiver Distanz fliegen wie Papierkügelchen durch die Luft, dialogisch, den Zuschauer/innen direkt an den Kopf, provozieren und konfrontieren mit den Geschehnissen jener Nacht, stellen Bezüge zur Gegenwart her, fragen direkt nach Schuld und Verantwortung. Poppige Musik und gelangweilte Tänzer steigern sich sukzessive hinein in den Rausch, bis hin zur Extase. Ausgeteilt an das Publikum werden Knallerbsen, die die Stimmung anfeuern. Und wer ist bereit- für, was weiß ich für Taten? Und wer war dabei? Wer hat mitgespielt in diesem (Macht) Spiel?

Ein eindrucksvolles Schauspiel über Fragen nach Verantwortung Mittäterschaft und Macht! Stehender Applaus für eine überzeugende Performance der Darsteller/Darstellerinnen des Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum Salzburg!