Bühne

Festspielhaus St.Pölten: Pasadena Roof Orchestra: A Night of Swing Classics, 05.03.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Show and Swing

Festspielhaus St.P. 5.3.2016, Großer Saal
Pasadena Roof Orchestra: A Night of Swing Classics

Das Pasadena Roof Orchestra setzt sich aus 11 Mitgliedern zusammen (10 Instrumentalisten und dem Solo-Sänger Duncan Galloway) und setzt auf  Swing, Charleston, Dixieland and Foxtrott. Distinguiert, wie es sich für waschechte Briten gehört, erscheinen alle im schwarzen, nach der Pause im weißen Anzug mit einer Blume im Knopfloch, bzw. Duncan Galloway stets im Frack. Sie beherrschen das Gala-Fach, wurden von der Queen Elizabeth II für das Weihnachtsständchen eingeladen, traten 2005 mit Robbie Williams zusammen auf der Gala des Produzenten Guy Chambers auf und Bryan Ferry nahm 2000 auf seine Tournee fünf Orchester-Mitglieder mit.

Gegründet wurden sie 1969 von John Arthy, der über 1.000 Bandarrangements der 20er und 30er Jahre auf einem Dachboden gefunden und dafür die Lizenz erworben hatte. Seit 1974 erschienen 40 Tonträger. 1997 entstand der Filmsoundtrack für „Comedian Harmonists“ und 1980 für „Just a Gigolo“. Bereits 1993 starteten sie die erste Tournee durch die USA und der Beifall ist für dieses Genre wie für das Passadena Roof Orchestra ungebrochen.

11 Songs vor und 11 Songs nach der Paus mit Banjo oder Susaphon wurden mit trockenem Humor gewürzt und brachten die Stimmung „Let`s have a Party“, wie das zweite Lied hieß, in das Festspielhaus.  Lauter bekannte Texte und Titel erklangen: „I can dance“, „Love ist he sweetest thing“, „How I doing Hey, Hey“, Ducke Ellingtons „Black and Time Fantasy“, der Hollywood-Schlager: „Over my shoulder goes one care“ oder Louis Armstrongs „Sugar Food Stopp“. Am bekanntesten und ins Herz gehend natürlich “Just a Gigolo“ und Bill Crosbys „With the going of the Day“ oder das Lied zum Mitsingen „Puttin´on the Titz“ und „I am in Heaven“.

Die Hingabe der Musiker an das 20er und 30er Jahre Musik-Genre und die glamouröse Stimme Galloways werden weiterhin – am nächsten Abend bereits in Augsburg – das Publikum begeistern!

Landestheater NÖ, Sommergäste von Maxim Gorkij. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Von der Dekadenz und übertriebenen Anforderungen an die Schriftsteller.

Landestheater NÖ  24.04.15 gr. Haus – Premiere
Sommergäste
Maxim Gorkij
Aus dem Russischen von Ulrike Zemme
Regie Michael Sturminger

Mit Karl Walter Sprungala, Franziska Hackl, Lisa Weidenmüller, Pascal Gross, Michael Masula, Marion Reiser, Michael Scherff, Swintha Gersthofer, Tobias voigt, Alexander Tschernek, Beatrix Doderer, Johanna Wolff, Helmut Wiesinger, Jan Walter, Andreas Gaida.

Jeder denkende Mensch findet das Leben als eine Tragödie, so der Autor Maxim Gorkij. Er will mit diesem Jahrhundertwende-Stück zeigen, dass die Gebildeten mit Wurzeln im einfachen Volk, bzw. die Bourgeoisie,  die Aufgabe hat, an Gesellschafsverbesserungen zu arbeiten. Vor allem der Dichter ist es, der politisch vorausgehen und nicht romantische Gedichte schreiben soll, die im Sumpf des Daseins versickern. In dieser Aufführung von „Sommergäste“ verdeutlicht die Regie, dass diese hehren Anforderungen für so genannte Intellektuelle, die Kinder von Händlern, Kaufleuten oder Beamten sind, in Enttäuschungen münden müssen. Die Schauspieler verdeutlichen hervorragend die Kraftlosigkeit der Jahrhundertwende, obwohl sie vielleicht vor innerer Kraft (wie der Arzt Akimowitsch/M. Masula und der Ingenieur Iwanowitsch/M.Scherff) oder vor Intelligenz (die Ärztin  wna/B. Doderer) nur so sprühen. Der Dichter Petrowitsch/T. Voigt drückt die Aussichtslosigkeit so aus: Die Leute treiben dahin wie Eisschollen im Polarmeer. Die faconlose, blasse, junge Dichterin Kalerija/ L. Weidenmüller (ganz großartig!): Man müsste Mensch werden, greifbar! In mir wächst die bleierne Wut. Ich will nicht lieben und werde als schrullige, alte Jungfer sterben! Die  intelligenten Akademikerfrauen sind sich der Opfer ihrer Mütter, die das Studium erarbeiteten, bewusst und wissen, dass deren Leben sinnvoller war. Sie schämen sich für ihr Leben. (hervorragend von B. Doderer und F. Hackl dargestellt). Helmut Wiesinger und Jan Walter loten gekonnt ihre Rollen aus. Auf der Bühne für ihre großartigen Leistungen zu bewundern sind wirklich alle, z.B. u.a. eine äußerst bemerkenswerte Marion Reiser als zwiespältige, einmal dominant dann durchaus wohlmeinende, Ehefrau oder herausragend Pascal Gross als ein in sich gespaltener Charakter, der sich als kleiner Narr oder vielmehr Clown tarnt, um der schmählichen Tatenlosigkeit und Sinnlosigkeit dieses Lebens auf der sommerlichen Datschka zu entgleiten. Er spielt überzeugend der wahren Liebe fähig zu sein und nicht wie Sergejewitsch/A. Tschernek Liebe zu verwechseln mit wehleidigem Geschwafel und rührseligem Betteln um Mitleid.

Eine spannende Aufführung, die tatsächlich in Wort und Gestik das ausdrückt, was Gorkij vielleicht damals für ein Stück der Jahrhundertwende, vor der Revolution, wollte und durch die starke Präsenz der Schauspieler den Spagat zum Heute schafft!. Die Leistungen sind drei Stunden lang stets herausragend, kraftvoll und dynamisch!

LitGes, im April 2015

Festspielhaus St.Pölten: Carmina Burana von Carl Orff, Fassung Killmayer, 22.04.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Leidenschaftlich - gewaltig!
Highlights: Martin Grubinger, Antonio Giovannini, Adrian Eröd, Heinz Ferlesch

Festspielhaus 22.4.16, 19.30 Gr. Haus
Carmina Burana von Carl Orff, Fassung Killmayer
Wenn Carmina Burana angekündigt ist, freue ich mich und muss hingehen!

Wenn Martin Grubinger mit seinem Percussive Planet Ensemble nicht nur im Wiener Konzerthaus, sondern auch im St.P. Festspielhaus auftritt, ist es die Steigerung der Steigerung!

Allerdings rechne ich dann schon automatisch mit den Klavierzwillingen Ferhan und Ferzan Önder, die sich oft eine Klavierstimme auf zwei zerlegen und ihre Wichtigkeit mit manieristischen Handhebungen erklingen lassen, jedoch nicht mit dem Werk Fazil Say (*1970). Aber gut, die hintan gehaltene Erwartung, steigert sich ja nach 50 Minuten zum zerbersten! Und die Lebensreise mit I. Silver Bells, II. Golden Bells, III: Brazen Bells und IV. Iron Bells war ja in der musikalischen Sprache gewaltig und passte zum Ausdruck des Frühlings in „Uf dem Anger“, der Trink- und Fresslust in „In Taberna“, sowie dem Erklingen der Hochzeitsglocken in „Cour d`amours“ der Carmina Burana- Lieder. Auch die Instrumentation der Glocken, Becken und Pauken ist beiden Stücken ähnlich. Bei der Uraufführung „The Bells“ von Fazil Say 2014, einem Auftragswerk der Chorakademie Lübecks, stand ebenfalls nach der Pause die Carmina Burana auf dem Programm. Ebenfalls war Martin Grubinger mit seinem Ensemble bei der Uraufführung, allerdings war ein einziges Klavier, bespielt vom Komponisten selber, auf der Bühne der Konzerthalle Lübeck.

Und auch in St.P. erklang nach der Pause Carmina Burana gewaltig und faszinierend in der musikalischen Sprache Carl Orffs, arrangiert von seinem Schüler Wilhelm Killmayer, der ebenfalls ein an den gängigen Musikbetrieb Unangepasster ist. Eruptiv, wild und extrem zart z.B. beim herausragenden Solo des armen sterbenden, angebrannten Schwans vom Countertenor Antonia Giovanni aus Florenz. Genauso einzigartig brillierte der Bariton aus der Wiener Staatsoper, Adrian Eröd, und ließ sich von den stimmgewaltigen Chören (Chor Ad Libitum aus St. Valentin und dem Kinderchor Gumpoldskirchner Spatzen) nicht beeinträchtigen. Weltliche einfache Trinklieder wechselten mit mittellateinischen, geistlichen Chorliedern ab, ohne den mittelalterlichen Touch zu verlieren.

Vom Arachaischen her, vom Lob auf die Lebenslust und vom Gang durch die Jahreszeiten passte die vor der Pause aufgeführte Glocken-Kantaten Fazil Says wunderbar und ließ ein begeistertes Publikum zurück!

Und natürlich gebührt ein großes Lob dem Dirigenten, dem gebürtigen Niederösterreicher und Kulturpreisträger Niederösterreichs 2013 Heinz Ferlesch!

Landestheater NÖ, GLANZSTOFF, Bürgerproduktion 3.0. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Landestheater NÖ in der Glanzstoff 30.4.15 Uraufführung - Premiere

GLANZSTOFF
Bürgerproduktion 3.0
von Felix Mitterer
Regie Renate Aichinger

Die dritte Bürgerproduktion in St.Pölten unter der Regie von Renate Aichinger bringt Leben in die leeren Hallen der Glanzstoff. Diese Fabrik – ehemals in Italien situiert - ist seit der Übersiedlung hierher, seit 1906 untrennbar mit der Stadt St.Pölten verbunden. Sie brachte Beschäftigung, anfangs für 306 ArbeiterInnen, die 125 kg Kupferseide pro Tag erzeugten und wuchs durch den günstigen Standort nahe der Österreich-Ungarischen Grenze. „Geht’s der Glanzstoff gut – geht’s uns allen gut!“ – war das Motto der St. Pöltner Wirtschaftspolitik.

Natürlich war die Existenz so einer wichtige Fabrik von Streiks (1918, 1945, 1950 usw.) und Sperrung (1930) begleitet und während und nach den beiden Kriegen war sie Plattform der Tagespolitik.

Dies alles sowie die Rolle von Gewerkschaftlern, Kommunisten oder Bruno Kreisky, Zwangs- und Gastarbeiter oder Geruchsbelästigung recherchierte Felix Mitterer sowie der Dramaturg Matthias Asboth, der alle Erinnerungen aus dem Volk sammelte und für den Autor aufzeichnete. Die Hauptgesprächspartner Felix Mitterers waren die langjährigen Betriebsräte Erich Strasser und Heinrich Kleinbauer, die er in der 11.Szene zu Wort kommen ließ. Mit der 12. Szene, der Schließung des Betriebes 2008, dem Auftritt der gesamten „Glanzstofffamilie“ endet dieses wertvolle Zeitdokument.

Felix Mitterer und vor allem der Initiatoren des BürgerInnentheaters Bettina Hering ist es somit zu danken, dass der Kumulierungspunkt St. Pöltens punkto Historie und Alltagsleben nicht spurlos aus dem Gedächtnis der BürgerInnen verschwindet. Viele aus dem Publikum und der großen Gruppe der Laienspieler haben nun erst so richtig gesehen und gehört, wie dieser Schauplatz Fabrik auch zum Schauplatz Leben wird und wurde.

Der Regisseurin Renate Aichinger ist es nicht nur zu verdanken, dass durch ihre freundliche, bestimmende Art die zahlreichen BürgerInnen beim Stück, d.h. bei den zahlreichen und umfangreichen Proben blieben, sondern auch dass die Texte auf mehrere Rollen – z.B. u. a. auf die jeweils drei Rollen der die Szenen begleitenden „Glanzlichter“ – aufgeteilt wurden, dass in vier Blöcken gespielt wurde, dass sich die Schauspieler unter die Besucher mischten und in ihrer Rolle bleibend aus und mit dem Publikum sprachen. Sie gingen von Schauplatz zu Schauplatz, von Halle zu Halle mit, sie informierten etc. So erst wurde die Starrheit eines Dokumentationsstückes exzellent aufgearbeitet und erfolgreich durchbrochen!

Die Laienspieler spielten nicht ihre Rollen – sie waren, sie verkörperten die Personen!

Kein Unterschied zu den 1:1 Rollen war zu sehen – (Die Enkelin des Glanzstoffgründers, Maria Urban trat als sie selber auf; der tunesische Gastarbeiter Abdelhamid Essid erzählte seine eigene Lebensgeschichte seit der Ankunft in St. Pölten, die Glanzstoffarbeiterin Heidi Mondl und der Arbeiter Johann Lechner  sprachen zum Publikum über ihre Jahre in der Fabrik.

Voller Einsatz war von allen 53 gefragt und wurde 100-ig gebracht! Ein großes Lob ebenso dem Können und der Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit in diese Rollen zu schlüpfen. Man müsste ausnahmslos alle loben und hervorheben, nicht nur die beiden Maria Emharts ( Sigrid Zuser und Bianca Riegler) sondern auch die russische Zwangsarbeiterin Mircan Adtakan, die das Leid tragisch aber ohne aufgesetzte Theatralik ausdrückte, so dass sie tatsächlich über die Hinrichtung der Widerständler von 1945 weinte.

Die Bürgerproduktion 3.0 wurde ein großartiges Glanz-Stück, verwirklicht durch eine unvergleichliche Regie- und schauspielerische Leistung! Gratulation!

LitGes, im April 2015


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Landestheater NÖ, GLANZSTOFF, Bürgerproduktion 3.0. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Bühne im Hof, St. Pölten: Erwin Steinhauer & klezmer reloaded extended: Ich bin ein Durchschnittswiener, 23.04.2016. Rez.: Andreas Wundsam

Andreas Wundsam

Bühne im Hof St. Pölten 23.4.2016
Erwin Steinhauer & klezmer reloaded extended
ICH BIN EIN DURCHSCHNITTSWIENER

Dieser Titel des Programms ist auch der eines der Lieder Hermann Leopoldis, die dieser ursprünglich selbst am Klavier begleitete. Erwin Steinhauer brachte mit  von Klezmer reloaded extended neu eingerichteter Musik eine Auswahl der zahlreichen Titeln Leopoldis auf die Bühne im Hof.

Hermann Leopoldi nahm seinen Humor aus der Zwischenkriegszeit nach Buchenwald und ins Exil nach Amerika mit und wahrte ihn, was man getrost ein Wunder nennen kann! Dieses Wunder gelingt wohl nicht zuletzt wegen seiner jüdischen Verwurzelung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er einer der Wenigen, die offiziell von Österreich zur Rückkehr eingeladen wurden. Und er kam als einer der Wenigen, wie auch Karl Farkas!

Steinhauer und seine kongenialen Begleiter wagen es nicht nur; sie schaffen es, mit eigenem an Hermann Leopoldis angelehnten Humor authentisch in der heutigen – auch nicht ganz einfachen – Zeit, das Publikum zu bewegen.

Erwin Steinhauer bezeichnete sich selbst als geborenen Flüchtling, als er aus seinen Engagements beim ORF und der Josefstadt ausbrach, damit er wieder authentische Wege gehen könne. Vielleicht gelingt es ihm deshalb, sich mit Hermann Leopoldi zu identifizieren. Mit der Auswahl der Lieder schlägt er die Brücke zu noch heute aktuellen, zwischen den Zeilen angesprochenen Problemen.

Einige Titel als Kostprobe: „Schnucki ach Schnucki,…“; „Am besten hat’s ein Fixangestellter …“ „Da wär’s halt gut, wenn man Englisch könnt‘ …“; „Mein Schatz, das muss ein Russe sein …“ „

Klezmer reloaded, das sind: Alexander Shevchenko, Akkordeon und Maciej Golebiowski Klarinetten, Duduk und erweitert = extended wurden sie um Christoph Petschina, Bässe und Peter Rosmanith, Perkussion. Sie sind Durchschnittswiener verschiedener Herkunft, verpassen den alten Liedern ein neues Gewand und instrumentale Zwischenspiele, gemacht aus Klezmer-Musik, süd- und osteuropäischen Einflüssen, Jazz, Chanson,Tango – u. zwar - sehr gelungen! Hervorgehoben sei auch noch die Eigenkomposition von Alexander Shevchenko.

Der authentische Vortrag der Liederauswahl stimuliert und man wünscht mehr von Hermann Leopoldi und natürlich Weiteres von Erwin Steinhauer!