Bildende

Asger Jorn. Rez.: I. Reichel

Ingrid Reichel
DIE AUSSTELLUNG UM DIE ECKE

 


ASGER JORN
Central Figure
Ausgewählte Werke 1939-1972
BAWAG Foundation,
Tuchlauben 7a, 1010 Wien

Eröffnung: 12.10.06, 18 Uhr
Ausstellung: 13.10.06 – 02.12.06
Kurator: Erik Steffenson


Eine kleine aber äußerst interessante Ausstellung bietet zurzeit die BAWAG Foundation mit ausgewählten Werken des 1914 in Vejrum/Jütland geborenen und 1973 in Ǻrhus verstorbenen dänischen Künstlers Asger Jorn.
Asger Jorn, ein absolut Wilder, ging in die Geschichte nicht nur als Maler ein. Nachdem er 1936 in Fernand Légers Académie Contemporaine in Paris eingetreten war, kehrte er während der dt. Besatzungszeit nach Dänemark als Widerstandskämpfer zurück. Nach den Wirren des 2. Weltkriegs verließ er auf Grund der Kontrollen und Freiheitseinschränkungen die kommunistische Partei und blieb doch ein Leben lang Kommunist. Er war Gründungsmitglied der Hǿst, Belgische Revolutionäre Surrealistengruppe, Reflex, CoBrA und Bewegung für ein Imaginäres Bauhaus. Er verfasste Kunst- und Gestaltungstheorien, er war Gruppenorganisator, Zeitschriftengründer und Propagandist.

Seine Malerei war vorwiegend expressionistisch, informell und unbändig. In den 60er Jahren entstanden die Défigurisations, auf Flohmärkten gesammelte Kitschbilder, die er übermalte.
Sein Werk, Handeln und Denken richtete sich gegen Bourgeoisie und Hierarchisierung.

Zu sehen sind 23 Drucke der „Schweizer Suite“ aus den Jahren 1953 und 1954, Ölbilder aus dem Informel, expressionistische Ölbilder, drei Défigurisations und vier Bronzeskulpturen aus dem Jahr 1972.
Die Ausstellung ist bis zum 2. Dezember zu sehen und bildet einen wunderbaren Gegenpol zur gegenwärtigen Ausstellung in der Albertina Picasso. Malen gegen die Zeit.(22.09.06 – 07.01.06).
Absolut sehenswert!


Ausstellungskatalog:
ASGER JORN
Central Figure
Ausgewählte Arbeiten 1939-1972
Hsg. Christine Kintisch

BAWAG Foundation, Wien: 2006. 54 S.
Preis: Euro 20.-

Asger Jorn. Rez.: I. Reichel

China Now. Rez.: I. Reichel

Ingrid Reichel
SPANNENDE KULTURENTWICKLUNG
oder das Geschäft mit der chinesischen Avantgarde

 

CHINA NOW
Sammlung Essl Kunst der Gegenwart, Klosterneuburg

Eröffnung: Donnerstag, 14.09.06
Austtellung: 15.09.06 – 28.01.07
Feng Boyi

 


1996 wanderte die Ausstellung „China – Zeitgenössische Malerei“ von Bonn, nach Wien (1997), Singapur, Kopenhagen, Berlin (1998) und Warschau. Im Künstlerhaus Wien konnte man damals diese herausragende Ausstellung besichtigen, in der Künstler aus China die erste kulturelle Öffnung ihres Landes nutzten und sich im Ausland, vorwiegend in Europa präsentierten.
Kaum jemanden von der allgemeinen Bevölkerung schien es zu interessieren, dass das Land der Mitte - das Land der nie untergehenden Sonne – im Aufbruch war. Zwischen Avantgarde und Tradition, zwischen Vernichtung und Erneuerung zeigten chinesische Künstler mit viel Selbsthumor was sich noch im Untergrund während der Diktatur aufgestaut hatte.
In Wien jedenfalls war diese Ausstellung ein Flop. Die Besucherzahlen blieben damals aus.

Heute, zehn Jahre danach, ist es Agnes und Karlheinz Essl, dank ihrer Sammlerleidenschaft und ihrem Gespür für Gegenwartskunst, gelungen, uns in Österreich einen neuen und umfangreichen Einblick in die zeitgenössische chinesische Bildende zu ermöglichen.
Von den 52 ausstellenden Künstlern sind sechs Namen vertraut: Fang Lijun, Wang Guangyi, Yue Minjun, Zeng Fanzhi, Zhang Xiaogang, und vielleicht Liu Wie - geb. 1972, der möglicherweise nur eine Namensgleichheit mit einem ebenfalls aus Peking stammenden Künstler - geb. 1965 - hat. Sie waren 1996 bereits in der oben genannten Wanderausstellung präsent. Interessant ist, dass nur Zeng Fanzhi die erste Auslandsausstellung in seiner Biographie im Essl-Katalog erwähnt.
Weiters zu beachten ist, dass alle beteiligten Künstler mittlerweile eine ergiebige Auslandserfahrung aufweisen, der älteste Teilnehmer nur 54 Jahre alt ist und vergleichsweise zur Ausstellung 1996, in der keine Künstlerin vertreten war, immerhin sechs Frauen an der Ausstellung partizipieren.

Zu sehen sind Malerei, ein Video, Fotos und Installationen sowie Objektkunst.
Die Exposition ist in sieben Themen räumlich unterteilt:
Rebellischer Spott; Gebrochene Leidenschaft; Individuelle und Kollektive Erfahrung und Erinnerung; Der Widerhall der Stadt; Ein prachtvolles Chaos; Der dritte Raum; Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung.

Die chinesische Zeitgenössische ist nach wie vor geprägt vom Realismus. Zu politisch brisant und gesellschaftskritisch sind ihre Inhalte, als dass die Notwendigkeit der Abstraktion Sinn ergeben würde.
Verständlich wird der Aktionismus als künstlerische Ausdrucksform am Beispiel der Fotoarbeiten von Rong Rong. Offensichtlich kommt keine Nation, die es ernst mit der Verarbeitung der unmittelbaren Vergangenheit meint, am Aufzeigen der Selbstverstümmelung vorbei. Bemerkenswert sind die Fotos, auf denen Individuen Tonmasken tragen und ihre Körper in die Erde eingegraben sind. Sie erinnern an die tönernen Krieger im Grabpalast des I. Kaisers von China -
Qin Shi Huangdi, jenem Weltkulturerbe, welches bis heute nur zu einem Bruchteil ausgegraben worden ist und an seinen Wunsch der Unsterblichkeit.
Quer durch die Ausstellung wird auf die chinesische Tradition angespielt, teilweise melancholisch, teilweise mit Selbstironie. Chinesischer „Tourismus-Schund“ wird kurzerhand zur Objektkunst verwandelt. Hierbei sind die Koffer „Portable Citys“ von Yin Xiuzhen hervorzuheben. Sie vernäht auf einem Koffer alte Kleidungsstücke von Menschen aus jenen Städten, die sie weltweit besuchte, zu Gebäuden, die sich touristischer Attraktion erfreuen. Durch eine eingenähte Lupe kann man einen Ausschnitt des unterhalb liegenden Stadtplans betrachten. Der Besucher muss sich zu den am Boden platzierten Koffern bücken, dabei hört er aus den tragbaren Städten typische Geräusche der Stadt.
Auch Xu Bing, der in den Staaten lebt, spielt auf den großen Unterhaltungswert der chinesischen Kalligraphie im Westen an. Bereits 1994 begann er mit den Arbeiten „A New English Calligraphy“. Wenn sie Freunde in China haben, können sie damit rechnen ihren Namen in abgewandelter chinesischer Kalligraphie auf einem A4 Blatt Papier handgemalt und eingeschweißt als freundliches Mitbringsel zu erhalten. Großer Beliebtheit erfreute sich schon während der Eröffnung ein Computer samt Drucker, der bereit steht, um den in lateinischer Schrift eingegebenen Namen, mit dem kalligraphischen Ergebnis auszudrucken.
Werke von Hong Hao (Fotos) und Liz Jianhua (Porzellanabgüsse) zeigen mit Alltagsgegenstände den schnellen Entwicklungsprozess der Konsumkultur, die Fülle und den Überfluss im bescheidenen Wohlstand Chinas.
CHINA NOW dokumentiert weiters politische Statements, diverse Perspektiven und das Verschwinden von Mao Zedong. Alleine Zeng Fanzhi erinnert an ihn mit einer Arbeit, die auf einem vom Großen Führer 1936 selbst verfassten Gedicht beruht, anbei das Portrait Maos - verschwommen und zerkratzt.
Letztendlich ist in den sieben Themen das Auflehnen des Individuums gegen die Anonymität der Masse noch immer deutlich spürbar.

In Erinnerung bleiben die fortwährend lachenden Chinesen von Yue Minju, denn im Frühjahr 2006 erzielten Werke chinesischer Künstler bei Sotheby´s Verkaufspreise bis knapp einer Million Dollar. So findet man mittlerweile auch wieder lachende Europäer am Kunstmarkt, die nämlich 1999 auf der Biennale in Venezia - nach der „angeblichen Negierung“ der 1. Ausstellung - ein gutes Geschäft machten. Der im Jahr 2005 verstorbene deutsche Kunsthistoriker und Ausstellungsgestalter Harald Szeemann vermittelte damals die Konnektion.

Gleichzeitig kann man im Museum Essl die bis 05.11.06 verlängerte Ausstellung ZOOM von Jürgen Messensee sehen.
Der 1936 in Wien geborene vielmals mit Preisen dotierte Maler bildet wohl im Parterre eingebettet zwischen Anfang und Ende der Ausstellung CHINA NOW den absoluten Kontrapunkt. – Wovon? – Es ist weniger das klischeebehaftete Gefälle zwischen Ost und West als vielmehr der Bruch zwischen Intellekt und Triebkraft, Verstand und Intuition, Mitteilung und Verdrängen, möglicherweise sogar zwischen Inhalt und Leere, welches die kulturelle Ohrfeige bietet.

Zur Ausstellung erschien ein zweisprachiger Katalog in Deutsch-Englisch

 

CHINA NOW
Edition Sammlung Essl,
Klosterneuburg, 2006.
327 S.
ISBN-10: 3-902001-32-1

 

China Now. Rez.: I. Reichel

Giger in Wien. Rez.: I. Reichel

Ingrid Reichel
HAEVENLY DURCHGESTYLT

 

GIGER IN WIEN
KunstHaus Wien
Eröffnung: 23.05.06, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 24.05.06-01.10.06
Joram Harel, KunstHaus Wien in Zusammenarbeit mit
Carmen Maria Scheifele, Direktorin des Museums
HR Giger im Château St. Germain in Gruyères, CH
Öffnungszeiten: 10-19 Uhr täglich

„H.R. Giger wuchs in einer normalen, bürgerlichen Familie auf…“ mit diesen Worten beginnt der Einleitungstext der Ausstellung GIGER IN WIEN und diese verleiten schon zum Schmunzeln. Im Gastgarten, wenn man vor dem Museum steht, empfängt einen zur Rechten oben eine auf Hochglanz polierte metallene Giger Skulptur.

 

Bei der Eröffnung wurde als Damenspende eine Alien – Parfumprobe verteilt und als I-Tüpfelchen für diesen 23. Mai 2006 gab es eine eigens kreierte Speisekarte im Restaurant. Man kredenzte faschierte Laichen. Damit sie mir glauben, habe ich die Speisekarte für sie eingescannt… Fehlerteufel oder Gag – der Abend war perfekt inszeniert.
Während der Eröffnung trafen Befürworter und Fans auf Geschockte und Ablehner Gigers Kunst. Die einen gekleidet mit Giger-T-Shirts und bewaffnet mit Giger-Poster und Katalog, die anderen möglicherweise mit einem Kreuz um den Hals oder einer Knoblauchzehe in der Hand.
Unter den Gästen mischten sich Günther Brus der in den 60er Jahren als Wiener Aktionist noch in Tierkadavern wühlte und damals in seinen Aktionsskizzen gedanklich ähnlich Giger die Zergliederung und Zerstückelung des menschlichen Körpers festhielt und Ernst Fuchs, als Vertreter des Phantastischen Realismus, dessen damalige Frauendarstellungen zeitgleich der surrealen kalten Ästhetik Gigers glichen.
H.R. Giger wurde 1940 in Chur in der Schweiz geboren. Er studierte Architektur und Industriedesign an der Hochschule für Angewandte Kunst in Zürich. Giger ist der Erfinder der Biomechanoiden, einer Mutation von Mensch, Insekten und Maschine. 1977 beauftragte Dan O’Bannon ihn das Monster Alien für den gleichnamigen Science-Fiction- Horrorfilm zu erschaffen. Mit dieser Arbeit wurde Giger berühmt und bekam 1980 mit seinem Design in Ridley Scotts Film Alien den Oscar für „The Best Achievment for Visual Effects“. Im Laufe der Jahre folgten weitere Filmprojekte wie Poltergeist II und Species.
Bekannt sind auch seine Bücher Giger’s Necronomicum 1 und 2, sowie seine Entwürfe für die Plattencover von Emerson, Lake and Palmer und Debbie Harry. Nicht ohne Skandal und Gerichtsverfahren wegen pornographischer Darstellung ging Jello Biafra, der Sänger der Punkgruppe Dead Kennedys in Amerika aus, weil er zu seiner Schallplatte ein Poster des Schweizer Künstlers beigelegt hatte. H.R. Giger lebt und arbeitet in Zürich.
Die Quelle Hansrüdi Gigers Inspiration liegt wohl in seiner Kindheit und Jugend: ein Totenkopf, den sein Vater als Anerkennung als Apotheker geschenkt bekam, ein Fenster des Hotels gegenüber dem elterlichen Wohnsitz, die gemauerte Wendeltreppe zum Keller im Haus, sowie ein unterirdischer Gang in Chur.
Zu sehen sind in dieser Retrospektive über 100 Werke des Schweizer Surrealisten H. R. Giger. Die Ausstellung bietet ein reichhaltiges Angebot von Air-Brush-Gemälden, wenigen Ölgemälden, Zeichnungen, Fotomontagen, Fotos, Skulpturen, vor allem der Alien Originalskulptur, sowie der Harkonnen Möbel-Skulpturen.
H.R. Giger gilt als unübertroffener Meister der Airbrush-Technik und als der Surrealist der Gegenwart.
Sie sollten diese Ausstellung nicht versäumen!

 

Giger in Wien. Rez.: I. Reichel

Summer of Love. Rez.: I. Reichel

Ingrid Reichel
CRY BABY, CRY!

 

SUMMER OF LOVE
Psychedelische Kunst der 60er Jahre
Kunshalle Wien
Eröffnung: 11.05.06, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 12.05.06-17.09.06
Eine Ausstellung der Tate Liverpool in Kooperation mit:
Schirn Kunsthalle Frankfurt und Kunshalle Wien
Kurator: Christoph Grunenberg, Tate Liverpool
KuratorInnen Österreichteil: Markus Mittringer, Angela Stief
Öffnungszeiten: 10-19 Uhr täglich, 10-22 Uhr Donnerstag

Gerald Matt hat es wieder einmal geschafft die Kunsthalle Wien zu einem Treffpunkt von Jung und Alt zu machen.
Zur Eröffnung traten die Alten voll Wehmut mit feuchten Augen in die Kunsthalle ein, während die Jungen fiebrig dem Mythos der 60er Jahre begegnen wollten. Angesicht dieser Erwartungen, wen interessiert es da noch Christoph Grunenbergs fachmännischen Erläuterungen zu folgen, ob es denn hier wirklich um Kunst ginge. „Wir wollen endlich die Ausstellung sehen!!“ unterbrach lautstark eine Gruppe Grunebergs Explikationen. Die Atmosphäre der Flower-Power Bewegung verbreitete sich schon während der Eröffnung im Foyer der Kunsthalle.
Zu sehen sind der buntbemalte Porsche von Janis Joplin, eine hervorragende Kollektion verschiedener Poster der Zeit, kurzum über 500 Exponate von der Malerei, der Fotografie, des Films, der Architektur bis hin zu den verschiedensten Dokumentationsmaterialien aus Europa, den USA, Südamerika und Japan. Summer of Love ist eine Ausstellung, die eine Zeit der gesellschaftlichen, politischen, ethnischen und sexuellen Befreiung, die ihren Ausgangspunkt im Sommer 1967 in San Francisco fand, nicht nur dokumentiert, sondern die Vermischung der Kunst und der Kultur mit den politischen Protesten veranschaulicht.
Nicht ganz verständlich ist allerdings der österreichische Beitrag, den man unter den psychedelischen Exponaten dazu mixte. Hier wurde nicht im Extrazimmer die fehlende Flower-Power Bewegung in Österreich dokumentiert, sondern der klägliche Versuch unternommen österreichische Beiträge als psychedelisch geltend zu machen. Auch erscheint mir das von den Kuratoren des österreichischen Teils ernannte Triumvirat Hundertwasser-Fuchs-Rainer bei den Haaren herbeigezogen. Vielleicht haben die Herren einst ein Bier miteinander getrunken, psychedelisch jedoch war keiner von ihnen. Alfons Schilling mit einem seiner Rotationsbilder und das Enfant –Terrible des Wiener Aktionismus Rudolf Schwarzkogler unter den sanften Rebellen der Flower-Power Generation vorzufinden, verfälscht die Kunstgeschichte der Gegenwart... beachtlich.
Auch wenn Österreich zur psychedelischen Ära, Hand aufs Herz, so gut wie nichts beigetragen hat, so ist es dennoch legitim diese Ausstellung in Wien zu zeigen, oder sogar gerade deshalb. Kann es sein, dass es an der typisch österreichischen Zwanghaftigkeit liegt eine Verbindung zu etwas herzustellen, was in diesem Land einfach nicht existierte, aus Angst man bekäme von der Obrigkeit, oder den Sponsoren - möglicherweise bliebe das Publikum fern - seinen Sanctus nicht?

Nennenswert ist das vielseitige Rahmenprogramm, welches die Ausstellung bis im August begleitet. Von Führungen, Ausstellungsgesprächen, Themenführungen, Seminaren, Workshops und einem Sommerkinoprogramm im Filmcasino bis hin zur einem Konzert und einer Visual Lounge wird hier einiges für Psychedelic-Freaks geboten.

Summer of Love. Rez.: I. Reichel
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