Buch

Eva Schörkhuber: Nachricht an den Großen Bären

Cornelia Stahl

Eva Schörkhuber: Nachricht an den Großen Bären.
Roman. Wien: edition atelier
2017, 200 Seiten.
ISBN 978-3-903005-27-3

Düsterer geht es in Eva Schörkhuber neuem Roman „Nachricht an den Großen Bären“ zu. Die Autorin entwirft in drei Erzählungen Dystopien eines zukünftigen Europa. Im Mittelpunkt steht Agentin Su, die während einer Zugfahrt Europas Grenzen passiert, ausgestattet mit der Mission, Nachrichten zu überbringen. Unbekannt bleibt zunächst das Ziel der Reise. Offensichtlich beherrscht Su ihr Handwerk, bleibt gelassen vor den Passkontrollen im Zug: „Die Papiere habe ich gut verstaut. Ich habe sie zusammengerollt und während des Abreisegetümmels zwischen zwei der gepolsterten Sitze gesteckt. Wenn sie mich kontrollieren, werden sie nichts bei mir finden. Ich gehe davon aus, dass ich kontrolliert werde“. Doch Su´s Gelassenheit ist vorgetäuscht. In ihrem Inneren brodeln Ängste: Ängste vor einem Europa mit geschlossenen Grenzen, das in A-, B-, C- oder D-Zonen aufgeteilt ist. Sie verabscheut Gierige, die Macht und Kapital an sich reißen und schwache Personen an Ränder verfrachten. Wie im Roman „Quecksilbertage“ spart die Autorin auch diesmal nicht mit Gesellschaftskritik, skizziert Entwicklungen in Europa, insbesondere in Österreich seit der letzten Wahl. Themen wie Fremdenfeinlichkeit, Ausgrenzung und Nationalismus werden zur Sprache gebrachr.: „Grenzen, die einige Jahre zuvor gefallen sind, sind wieder aufgetaucht. Und innerhalb dieser Grenzen, (…), hat es zu brodeln begonnen. Die Angst vor den Fremden, den Geflohenen.“ Eva Schörkhuber, geboren in St.Pölten, setzt sich mit einem Europa auseinander, wie es sich zukünftig entwickeln könnte. Ihre düstere Dystopie lässt mitunter wenig Spielraum für Alternativen zu, lädt jedoch den Leser dazu ein, eigenen Ängsten und Bedürfnissen nachzuspüren, ebenso das Gegenüber bewusster wahrzunehmen, um Herausforderungen der gegenwärtigen globalisierten Welt anzunehmen zu können. Empfehlenswert!

Karin Peschka: FanniPold

Eva Riebler

Karin Peschka: FanniPold.
Roman
Salzburg: Otto Müller Verlag,
2016, 310 Seiten
IBSN 978-3-7013-1244-3

Weg von Stammtisch und Freundinnen! Hätte sich Fanni doch nicht überreden lassen, sich von ihren Stammtischfreundinnen einen Tandem-Gleitflug schenken zu lassen. Sie hatten es gutgemeint, da sie ihre Freundin Poldi aufmuntern wollten, die ihnen eine Krebskrankheit vorspielte. Fanni wollte durch die Krankheit Mitgefühl, Aufmerksamkeit und vielleicht Respekt ernten. Jedenfalls war sie mit ihrem Leben fertig, wollte nicht mehr wie alle anderen „funktionieren“ und das ewig Gleiche des Alltags nicht mal mehr mit einem Urlaub unterbrechen. Als der Gleitflug jedoch in einer Tanne endet, deren Zweig ihre Brust durchbohrt, wird alles tatsächlich lebensbedrohlich und sie funktionslos. Dabei hatte Fanni bereits reflektiert, ob sie ihre Freundinnen nicht eher durch die Scheibe der Pizzeria von außen betrachten und alleine ihrer Wege ziehen sollte. Überhaupt lässt die Autorin die Hauptfigur stets räsonieren und reflektieren. Ihre Innenseite; IHRE Beobachtungen und Gedanken dazu spielen eine größere Rolle als ihr Sein im Lebensfluss von Familie und Arbeit. Das ist die Stärke der Autorin, dass sie diese ihre eigene Gabe des Bewusstseinsstroms so explizit auszudrücken weiß. So nebenbei erfährt man, dass dieser Ort zum Aussterben verdammt ist, genauso wie das Geschäft Fannis Freundin. Vielleicht ist dies bereits eine Parallele zum Ableben und zur Trennung von Familie und allen. Parallel hat die Autorin auch die Handlung vor dem Unfall mit dem Handlungsstrang, in dem die Hauptfigur am Ast aufgespießt auf Rettung wartet, geführt. Die Spannung auf den Fortgang und Ausgang der Bergung wird dadurch gezielt erhöht. Bei beiden Handlungssträngen ist die Reflektion der eigentliche Inhalt. Gut zu lesen mit psychologischem Touch! Peschka, geb. 1967 in Eferding, erhielt 2014 zahlreiche Auszeichnungen für ihren Debütroman „Watschenmann” und für diesen Roman das Elias-Canetti-Stipendium 2015 und 2016.

Paul Nizon: Sehblitz

Gertraud Artner

Paul Nizon: Sehblitz
Almanach der mod. Kunst

Hrsg. P. Dietiker /K.Tobler
Suhrkamp, Berlin
2018, 302 S.
ISBN 978-3-518-46833-3

Vom Sehblitz getroffen. Ausgezeichnet mit dem Erich-Fried- und Gert-Jonke-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ist der „Pariser Schriftsteller deutscher Sprache mit Schweizer Pass“, wie sich Paul Nizon selbst einmal nannte, hierzulande trotzdem nur einer Minderheit begeisterter Leser bekannt. Bereits vor acht Jahren hat der Suhrkamp-Verlag aus Anlass von Nizons 80. Geburtstag sein gesamtes literarisches Werk ediert, nun ist auch ein Teil seiner kunsttheoretischen Arbeiten erschienen. Schließlich ist Nizon promovierter Kunsthistoriker und zumindest in den Anfangsjahren als freier Schriftsteller half ihm die Arbeit als Kunstkritiker immer wieder über finanzielle Engpässe. Und dennoch hat seine Kunstwahrnehmung und Betrachtung so gar nichts Nüchtern-Geschäftliches an sich. Voll Empathie und Leidenschaft, jenseits jeder normierten Sehweise begegnet er KünstlerInnen, um immer wieder Wahlverwandtschaften und „Wunschbrüder“ zu entdecken. Allen voran Vincent van Gogh, über dessen frühe Zeichnungen er dissertierte und dem er „die eigentliche Schule des Sehens“ dankte. Da kennt seine Begeisterung keine Grenzen: „Man möchte sich an das Geschaute hängen wie die Biene an den Blumenkelch“,schreibt er. Mit dieser Offenheit begegnet er all den Größen der Moderne, ob Malewitsch oder Matisse, Chagall oder Picasso, Warhol oder Pollock … um nur einige zu nennen. Paul Nizons Essays und Porträts fügen sich in diesem Auswahlband zu seinem ganz persönlichen Museum moderner Kunst. Wer diesen Teil der Kunst-geschichte bereits als „hinreichend“ bekannt abgehakt hatte, wird eines Besseren belehrt. „Sehblitze“ eröffnen neue Sehräume und Sehweisen. Auch wenn uns die Protagonisten bekannt sind, Nizon macht uns mit ihnen vertraut. An den „Sehblitzen“ teilzuhaben, ist in der Tat ein beglückendes Erlebnis.

Karin Peschka: FanniPold. Rez: Eva Riebler

Eva Riebler

FanniPold. Roman
Karin Peschka
Salzburg: Otto Müller Verlag, 2016. 310 s.
978-3-7013-1244-3

Weg von Stammtisch und Freundinnen! Hätte sich Fanni doch nicht überreden lassen, sich von ihren Stammtischfreundinnen einen Tandem-Gleitflug schenken zu lassen. Sie hatten es gutgemeint, da sie ihre Freundin Poldi aufmuntern wollten, die ihnen eine Krebskrankheit vorspielte. Fanni wollte durch die Krankheit Mitgefühl, Aufmerksamkeit und vielleicht Respekt ernten. Jedenfalls war sie mit ihrem Leben fertig, wollte nicht mehr wie alle anderen „funktionieren“ und das ewig Gleiche des Alltags nicht mal mehr mit einem Urlaub unterbrechen. Als der Gleitflug jedoch in einer Tanne endet, deren Zweig ihre Brust durchbohrt, wird alles tatsächlich lebensbedrohlich und sie funktionslos.

Dabei hatte Fanni bereits reflektiert, ob sie ihre Freundinnen nicht eher durch die Scheibe der Pizzeria von außen betrachten und alleine ihrer Wege ziehen sollte.

Überhaupt lässt die Autorin die Hauptfigur stets räsonieren und reflektieren. Ihre Innenseite; IHRE Beobachtungen und Gedanken dazu spielen eine größere Rolle als ihr Sein im Lebensfluss von Familie und Arbeit. Das ist die Stärke der Autorin, dass sie diese ihre eigene Gabe des Bewusstseinsstroms so explizit auszudrücken weiß. So nebenbei erfährt man, dass dieser Ort zum Aussterben verdammt ist, genauso wie das Geschäft Fannis Freundin. Vielleicht ist dies bereits eine Parallele zum Ableben und zur Trennung von Familie und allen.

Parallel hat die Autorin auch die Handlung vor dem Unfall mit dem Handlungsstrang, in dem die Hauptfigur am Ast aufgespießt auf Rettung wartet, geführt. Die Spannung auf den Fortgang und Ausgang der Bergung wird dadurch gezielt erhöht. Bei beiden Handlungssträngen ist die Reflektion der eigentliche Inhalt. Gut zu lesen mit psychologischem Touch!

Peschka, geb. 1967 in Eferding, erhielt 2014 zahlreiche Auszeichnungen für ihren Debütroman „Watschenmann“ und für diesen Roman das Elias-Canetti-Stipendium 2015 und 2016.

Michael Burgholzer: 108. Reihe: Lyrik der Gegenwart Nr. 75. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
Grauslich gut!

Michael Burgholzer
108
Reihe: Lyrik der Gegenwart Nr. 75

St. Wolfgang: Edition Art Science 2018, 140 S.
ISBN 978-3-902864-82-6

Michael Burgholzer, geboren 1963 in Linz, liebt Lyrik und erhielt zahlreiche Literaturpreise. Veröffentlichte zuletzt „Meine Reise zu den Nashörnern Österreichs“, 2017 Edition Art Science und zeigt mit diesem Titel schon Humor. Bei den vorliegenden 108 Texten ist der Humor abgrundtief. Er legt gereimte Lyrik, eventuell in Form von Sonetten, vor, wie auch Ungereimtes. Stets ist Rhythmus und Inhalt Trumpf.

Unsere menschlichen Garstigkeiten werden vom Enthaupten des Johannes, dem Brudermord Krimhilds bis zum schonungslosen Jagen der Tiere - … die schergen / hetzen rehe mit /gewetzten sensen / dem fürsten knüppeln / büttel hühner / aus den büschen// im rabengarten/ punzt den fuchs / ein dutzend kugeln – in: „Aufbruch zur Jagd“ sprachlich höchst gekonnt, lautmalerisch ans Licht gezerrt.

Sarkastischer Witz oder sozial-politische Angriffswut verbirgt sich nie, sondern wird stets zum Knüppel, der niedersaust. So z.B. die letzte Strophe von „Moderne Ernährung“ S. 31: „… die digitalen / mäuse fressen / analogen käse“. Oder in „Moderne Korrektur“ werden Singvögel, die anscheinend nicht richtig singen medizinisch behandelt, bis das überlebende Drittel endlich richtig singt – was für ein Gleichnis!

Es endet jedoch, wir ahnen es – die Natur schlägt zurück - mit Rollentausch: „so wendet sich / das blatt: mit blauen/ lippen zupft die /waidfrau für die / söhne aus der krippe / rosskastanien und heu // den hirschen im / hubertushof wird / jägerbraten aufgetan: sie heben röhrend / doppelte auf kimme / und auf korn“.

Burgholzer fährt der Zorn aus seinen Augen in die Zeilen. Er lässt seine Zunge nicht entmündigen! Er wehrt sich wortgewaltig!

Er legt seinen unbeugsamen, sprachlichen Fingerzeig vor!

Ein exzellentes narratives, anklagendes und philosophisches Lyrikwerk!