Buch

Isabella Feimer (Hg.): Frauen.Wahl.Recht

Cornelia Stahl

Isabella Feimer (Hg.):
Frauen.Wahl.Recht.

St.Pölten: Literaturedition
Niederösterr., 2018, 166 S.,
ISBN: 978-3-90 2717-47-4

Von der Möglichkeit, die eigene Stimme zu gebrauchen. … erzählt die vorliegende Anthologie. Versammelt sind darin Beiträge von vierzehn Autorinnen: Isabella Feimer, Corinna Oesch, Gudrun Büchler, Lydia Steinbacher, Katharina Peham, Zdenka Becker, Magda Woitzuck, Cornelia Travnicek, Simone Hirth, Sandra Gugic, Elisabeth von Samsonow, Marlene Streeruwitz, Eva Rossmann und Katharina Strasser (Nachwort).
Magda Woitzuck setzt sich mit Versprechen, Erwartungen und Enttäuschungen der jungen Generation auseinander. Im Subtext schwingt die Auseinandersetzung weiblicher Lebensentwürfe mit, der gleichzeitig tastend nach Möglichkeiten und Räumen sucht, eigene Vorstellungen umzusetzen. Wir spüren das Ausloten von Selbstwirksamkeit und Austesten von Grenzen.
Aufbegehren zeugt sich auch im Text von Katharina Peham: „Jeder Entwurf: ein politischer Akt. Overture eines neuen Zeitalters.“ Sie spielt also mit der Erwartungshaltung des Lesenden, schürt Hoffnungen auf das Kommende, auf die Zukunft, die Positives einschließt. Aus dem Text geht hervor, welche Zukunftschancen Orte, Städte, Landschaften eröffnen oder eben ausschließen. Der Ort, an dem wir geboren wurden, die Familie, in der wir aufgewachsen sind, scheinen über weiters Glück/Unglück zu entscheiden. Gibt es ein „richtig“ und ein „falsch“ im Leben? Wer bestimmt über diese „Marker“? „Johanna denkt manchmal nach, wie Weihnachten verlaufen wäre, wären sie eine „richtige“ Familie gewesen“(S.52).
Über die Fragilität des weiblichen Geschlechts erzählt Sandra Gugic´in ihrem Beitrag: „Fragmente einer Chronologie des Zorns“. Fragen an Fragen werden aneinander gereiht, die zum Teil provozieren. Gewünscht hätte ich mir am Ende ein Manifest des weiblichen Aufbegehrens-
welches Solidarisierungseffekte innerhalb von Frauen hervorbringt und an Erreichtes anknüpft!
Frauen wie Männern empfohlen!

Lesley Nneka Arimah: Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt.

Cornelia Stahl

Lesley Nneka Arimah:
Was es bedeutet, wenn ein
Mann aus dem Himmel fällt.

Aus dem Englischen von
Zoe Beck, Hamburg: Cultur-
Books. 2019, 197 Seiten
ISBN: 973-95988-105-0

Lebensentwürfe nigerianischer Frauen zwischen Anpassung und Auflehnung. Leseley Nneka Arimah, geboren 1983 in London, wuchs in Nigeria und den USA auf, wo sie auch studierte. Unter den wenigen Stimmen der people of colour ist sie eine herausragende.
Ihr Erzählungsband „Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt“ umfasst alle literarischen Genres und stilistischen Register, angefangen von surrealen, dystopischen Parabeln, phantastischen Götter-Mythen bis hin zu experimentellen Versuchen.
In zwölf Erzählungen beschreibt die Autorin aus weiblicher Sicht, wie es sich anfühlt, wenn Väter permanent abwesend sind und sich Mütter-Töchter-Konflikte verhärten und letzlich entladen.
Der Erzählton zirkuliert facettenreich: mal aufsässig, kampfeslustig und rebellisch, jeweils adaptiert und angelehnt an eine Welt, in der sich Männer und Frauen gleichermaßen bewähren müssen. Sympathisch und zeitgemäß erscheint nicht nur der Erzählton. Die Protagonistinnen sind Heldinnen zugleich. Sie entziehen sich dem Erwartungsdruck der Familie. Zäh und willensstark widersetzen sie sich der angeordneten Bravheitsdressur. Vor lauter Aufbegehren bleibt wenig Raum für eine Innenschau. So bleibt dem Lesenden die Sicht des Ichs verwehrt. Unsicherheit, Ängste und Zweifel der Protagonistinnen werden gekonnt zugedeckt, dringen nicht nach außen.
Arimahs Buchs erinnert an die Wiederaufnahme einer poskolonialen Debatte. Setzt sich der Kampf zwischen Weißen und Nicht-Weißen- als Post-Kolonialismusweiter fort?
Arimah, die neue Erzählstimme Nigerias, skizziert weibliche Lebensentwürfe zwischen Anpassung und Widerstand. 2018 erhielt sie den Young Lions Fiction Award.
Ihr Buch stand Sommer 2019 auf Platz 1 der Litprom-Bestenliste „Weltempfänger".
Unbedingt lesen!

Barbara Frischmuth: Verschüttete Milch

Cornelia Stahl

Barbara Frischmuth:
Verschüttete Milch.

Roman,
Berlin: Aufbau-Verlag, 2019
286 Seiten
ISBN: 978-3-351- 03710-9

Zurück in die Vergangenheit. Die kosmoplitische und in vielen Welten beheimatete Autorin Barbara Frischmuth begibt sich in ihrem aktuellen Roman noch einmal zurück an den Ort ihrer Kindheit, er erinnert an das Aufwachsen im elterlichen Hotelbetrieb. Es ist die Landschaft des Salzkammergutes, mit der sie eine Nähe verbindet. Und es sind wiederkehrende Motive des Wassers, die in ihre Texte einfließen. Ebenso ihre Haltung gegenüber autoritären Auffassungen und Machtfiguren. Im Subtext schwingt Auflehnung gegen Rassismus, Intoleranz und dem Verleugnen der eigenen Geschichte mit.
Bereits im Romandebüt „Die Klosterschule“ (1968) ist eine Institutionenkritik erkennbar, die im aktuellen Roman erneut als Motiv aufgegriffen wird: „Das Internat war ein Hemd, das Juli an- und ausziehen konnte.
Ein straffes Hemd, das ihre Bewegungsfreiheit einschränkte.“ (S.220). Dem straffen Regelwerk, dem die Zöglinge unterworfen waren, stehen Angebote gegenüber, die versuchen, Strenge und Brutalität zu kaschieren. Theater und Bibliothek als Orte der Freiheit. „Für jede Note gab es ein aufklebbares Herz“. (S.221).
Aber auch von Problemen (finanziellen), die bis heute allgegenwärtig sind, erfahren wir. Als Juli am letzten Schultag ihr Zeugnis nicht ausgehändigt bekommt, erfährt sie vom unbeglichenen Internatsgeld.
Frischmuth gelingt es, Kindheitserinnerungen aus Kriegstagen mit gegenwärtigen Problemlagen zu verknüpfen, sodass den Lesenden ausreichend Identifikationsfläche angeboten wird. Ein Stück Zeitgeschichte, etwa die unliebsame Begegnungen mit Faschisten im Hotel, lässt die Autorin einfließen. Figuren wie Dr. Abendroth schaffen Vertrautheit nach unzähligen Verlusten, die Juli nach Kriegsende verzeichnen muss.
Barbara Frischmuth, 1941 geboren in Altausse (Stmk.), studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik.
Unbedingte Leseempfehlung!

Gertraud Klemm: Hippo Campus

Cornelia Stahl

Gertraud Klemm:
Hippo Campus.

Roman,
Wien: Kremayr & Scheriau.
2019. 379 Seiten
ISBN: 978- 3-218-01177-8

Die Stimme erheben gegen Geschlechterungleichheit. Jeanie Ebner, Exponentin der österreichischen Nachkriegsliteratur, ist mitunter in Vergessenheit geraten. Die von ihr verfasste Lyrik, Kurzprosa, Novellen, Erzählungen und Romane wird gelegentlich in literaturwissenschaftlichen Untersuchen erwähnt. 2018 würdigte Petra Ganglbauer die Autorin in einer veröffentlichen Festschrift.
Um Helene, eine verstorbene und ebenso vergessene Autorin der feministischen Avantgarde, dreht sich alles in Gertraud Klemms aktuellem Roman. Ihre Freundin Elvira soll nun ihren Nachlass ordnen und stößt dabei auf unliebsame Geschichten. Sie unternimmt alles,um den Ruf der Freundin ins rechte Licht zu rücken. Elvira entlarvt den Literaturbetrieb als Marketingmaschine, die von Gier, Neid und Korruption durchtränkt ist. Analogien zur Gegenwart sind erkennbar.
Gertraud Klemm ist bekannt dafür, dass sie keine Wohlfühlprosa schreibt. Ihr Erzählton richtet sich gegen Bigotterie, Sexismus und Geschlechterungleichheit im beruflichen Alltag. Im Subtext schwingt die Aufforderung zu mehr Mut und Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Leben mit.
Zahlreiche Neuerscheinungen zum Jubiläum hundert Jahren Frauenwahlrecht, zum Beispiel Frauen.Wahl. Recht. der Literaturedition Niederösterreich, zeigen, dass Ungleichheit zwischen den Geschlechtern allgegenwärtig ist.
Gertraud Klemm, geboren 1971 in Wien. Biologiestudium, Gutachterin bei der Stadt Wien. Sie erhielt zahlreiche Preise, Veröffentlichungen und Stipendien. Seit 2006 ist sie Autorin und Schreibpädagogin und lebt mit ihrer Familie in Pfaffstätten, Niederösterreich.
Ein Buch, das Männern wie Frauen gleichmaßen empfohlen werden kann!

Anna Babka / Silvana Cimenti / Peter Clar (Hg.): "Ich schreibe also bin ich"

Cornelia Stahl

Anna Babka/ Silvana Cimenti
/Peter Clar (Hg.):
„Ich schreibe, also bin ich“

Schreibweisen bei Barbara
Frischmuth. Wien: Sonderzahl-
Verlag, 2019, 251 S.
ISBN: 978-3-85449-529-1

„Räume, die die Sprache zur Verfügung stellt“ Der Titel des Buches verweist auf die Aussage: „Ich denke, also bin ich“. Denken, Schreiben und Lesen sind unmittelbar miteinander verzahnt.
In neunzehn Kapiteln nehmen die Autoren/Autorinnen und Literaturwissen schaftler/Innen Texte der österreichischen Autorin Barbara Frischmuth in den Fokus; Texte, welche verortet sind zwischen Wien und Altaussee. Sie ver- rücken Bedeutungen, loten Räume aus, „die die Sprache zur Verfügung stellt“ (S.11).
Untersucht werden verschiedenartige Textsorten: Übersetzungen (Frischmuth übersetzte aus dem Ungarischen und Türkischen), Texte, in denen Träume dominieren, Essays und Poetikvorlesungen (z.B. Münchner Poetikvorlesung). Übersetzungen sind auch Spiegelbild „Weiterentwicklung oder Neu-Formung der eigenen Sprache … ist Übersetzung zwischen Kulturen, Denktraditionen, … und geschlechtlichen Identitäten“ (S.11).
Betrachtet wird die Vielfalt der veröffentlichten Romane Frischmuths. In „Die Klosterschule“ (1968) werden gesellschaftliche Strukturen wie Gender aufgegriffen und Wirkungsweisen repressiver Institutionen am Beispiel des Klosters kenntlich gemacht. Verschüttete Milch“(2019) markiert Vergangenheit als „einen Sehnsuchtsort“ (S.249).
Die Sprachkritik Ludwig Wittgensteins ist durchgängig erkennbar. Im Kontext von Sprache als Denk- und Handlungsform werden Frischmuths Texte in den Fokus genommen und der Wert des Erzählens von Geschichten betont. Geschichten als Zufluchtsort, die abseits des Alltags Räume eröffnen, „ganz bei sich sein zu können“ (S.67).
Beeindruckt hat mich der Beitrag von Alexandra Pawloff: Traum der Fotografie, der das Unbewusste fotografisch festzuhalten versucht.
Das Buch lädt dazu ein, sich eingehender mit Frischmuths Denk- und Erzählweise auseinanderzusetzen!