Eva Riebler-Übleis
Sätze und Möbeln schleudern, Sätze und Möbel zerlegen!
25.1.14, 19.30 Uhr
Landestheater St. Pölten
Premiere
Grillparzer „Weh dem, der lügt“
Lustspiel mit Jan Walter als Leon, Florentin Groll als Gregor / Kattwald / Fährmann, Pascal Gross als Atalus / Hausverwalter / Diener, Swintha Gersthofer als Edrita / Hausverwalter / Diener und Tobias Voigt als Galomir / Hausverwalter.
Statt drei Stunden harter Grillparzer-Worte ein „bereinigtes“ leicht verdauliches und bekömmliches Stück in einem Akt! Das lässt Otto und Ottila Normalbesucher aufatmen. Die eine Stunde und 30 Minuten Dauer lassen kein Gefühl nach Pause aufkommen. Gefesselt vom raschen Fortgang der Handlung hängt das Publikum an den Lippen der Schauspieler und schaut den geworfenen Möbelteilen nach und bewundert die kunstfertige Vereinigung dieser zur Kücheneinrichtung oder zu Tarnwänden. Große Anforderungen werden an die fünf Schauspieler gestellt, die sie mit Bravour meistern. Die schwierigsten und gegensätzlichsten Personalen hat Florentin Groll zu bewältigen und schafft es den Fährmann als biederes Bindeglied zwischen dem Bischof und dem brutalen Geiselnehmer und Sklavenausbeuter Kattwald überzeugend darzustellen. Eine glanzvolle schauspielerische und auch dramaturgische Leistung, die da nüchtern auf der Erde bleiben und keine geklüngelten Gesten, Faxen oder Worte hervorbringen.
Ist es doch Grillparzer selber, der einmal das Glas erhob und meinte: “Auf das Wohl derer, die nicht scheinen, sondern seinen!“
Es geht schließlich um die nackte Wahrheit und daher hat auch die Regie, die Kostümwerkstatt sowie die verantwortlichen von Maske, Requisite und Technik sich an angenehm Schlichtes gehalten. Um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bedarf es eben nichts als der Wahrheit. Sparsam wird mit dem Tragen des I-Pod von Kattwald ein etwaigiger Gegenwartsbezug verdinglicht. Vielleicht soll das technische Utensil ja auch die geringere Stufe der Barbarei dieses Volkes zeigen, das sich der anderen politischen Partei sicher überlegen fühlt und ja den Neffen des Bischofs und Gegners als Sklave und Pfand hält.
Ob es allerdings angebracht ist, den Bischof als schwulen Küsser darzustellen, sei dahingestellt. Der Gegenwartsbezug ist gesichert. Im Sinne Grillparzers könnte es ja sein, und wird es sein, da dieser 1819 auf Reise in Rom das Kreuz zu Ehren der christlichen Märtyrer verhöhnte und anprangerte. Allerdings musste er anschließend zu Kreuze kriechen und sich offiziell beim Polizeipräsidenten des Metternichschen Regimes entschuldigen. Das bleibt dem Dramaturgen und der Intendanz heutzutage erspart.
Auch war es Grillparzer, der den vierten Akt lebhaft gestaltet wissen wollte. Er schrieb an den Darsteller des Atalus vor der Aufführung im Burgtheater: „Die Streitszene zu Anfang des vierten Aktes hat überhaupt etwas jugendliches, auf das ich Wert lege. Es ist wie eine Republik von Kindern.“
In der Burg wurde das Stück dann zum Leidwesen des vergrämten Dichters sehr bald abgesetzt und er floh aus dem Land mit den Worten: „Drum fort, fort aus dieser Lage! Hinaus in die Welt, um diesen Trübsinn, wenn auch nicht zu stillen, aber doch wenigstens zu übertäuben … Fliehen will ich dies Land der Erbärmlichkeit, des Despotismus, und seines Begleiters, der dummen Stumpfheit, wo verbrechen Vernunft ist, und Aufklärung der gefährlichste Feind des Staates …
In St. Pölten wünschen wir uns so heftig dargereichte Stücke, die das Thema der Wahrheits- und somit auch Identitätssuche uns einzigartig ohne Stumpfheit und Kleben an historischem Text und überlieferter Gestaltung nahe bringen! Gratulation!