Bühne

Festspielhaus Dez 2018 Klaus Doldonger

Eva Riebler

Festspielhaus St. Pölten
Klaus Doldinger`s Passport
14.12.2018

Ein Allround-Genie steht mit 82 Jahren auf der Bühne des Festspielhauses. Er ist liebenswert und leitet seine Stücke ein, einmal sind sie besinnlich, dann verzaubern sie und heißen „Akrakadabra“, oder sind im 7/4 Takt geschrieben und heißen „Seven for four“. Einmal führen das Saxofon, dann die drei Drummer oder die Elektro-Gitarre mit Solos. Aus ruhig fließenden Tonleiter-Gegurgel entwickelt Doldinger einen interessanten Song und überhaupt ist der Blues ständig dabei. Schließlich waren Fatty George und Joe Zawinul oder Roland Kowatsch seine Freunde.

Klaus Doldinger hat schon immer den Spagat geschafft zwischen allgemeinem Publikumsgeschmack und hochwertigem Jazz. Zwischen Filmsounds wie „das Boot“, „Die unendliche Geschichte“ oder den Kennmelodien der ORF-Sendungen wie „Tatort“ etc. und obsessionalen Rhythmen.

Der Bepop hat und Latin-Swing regten ihn schon in den 60er Jahren an und er hatte bereits 1972 die Jazzrock-Combo Passport Band gegründet. Und diese Richtung verfeinerte er bis heute und ließ das St. Pöltner Publikum richtig genießen!

Ein einfach tolles, expressives und vielseitiges Jazz-Event!

Prélude Trio Klavis, Yu Horiuchi im Schlosshof. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler Übleis

Eva Riebler-Übleis
"Mozart oder James Bond"

Grafenegg 28.6.14
Prélude Trio Klavis, Yu Horiuchi im Schlosshof
Einführung Ulla Pilz in der Reitschule
NTO mit Alekswy Igudesman, Hyung-Ki Joo, Oded Kafri, Ruben Gazarian im Wolkenturm

Das Prélude im Schlosshof brachte 11 Stücke, die bereits einen Vorgeschmack auf das Abendkonzert gaben, denn es war durchgehend ein reines Programm der befreundeten Instrumentalisten, Arrangisten und Komponisten Igudesman und Joo. Das letzte Stück „Take it to Eleven“ wurde mit den Buchstaben der Vornamen der vier Instrumentalisten als Töne (z.B. der Ton H für die Pianistin Horiuchi) entworfen. Alle Stücke strahlten Heiterkeit, Brisanz und großes Können aus. Horiuchi gab ihr Solodebüt bereits mit 16 Jahren unter dem Dirigenten Sir Yehudi Menuhin und das Trio Klavis (Der Name kommt von: Klavier-Violine, Saxophon)  hatte ihr erfolgreiches Debüt 2013 im Wiener Musikverein und ist stets kreativ, ohne Auferlegung klassischer Zwänge oder Genregrenzen, unterwegs.

Ein wunderbares Entrée, dass Lust auf mehr Kompositionen und Arrangements von Igudesman und Joo machte.

Als Start-up des Hauptprogrammes lieferten sich das Duo Alekswy Igudesmann und Hyung-Ki Joo ein Schreiduell: Welcher Musik sei der Vorzug zu geben: Mozart oder James Bond? Ihr gesamtes Programm ist auf Konzerträume so groß wie Stadien oder Fußballfelder angelegt. Sie füllen mit Virtuosität, körperlichem Einsatz und Humor nicht nur Räume sondern die Herzen der NTO-Instrumentalisten und des Publikums. Ihr Zugang zur Musik, auch zur klassischen, ist ein offener und witziger. Dass Musik heiter sein darf, merken wir bei Mozart, jedoch bei Straußs „An der schönen blauen Donau“ und bei Rachmaninow ist das neu. Neu ist auch, dass Tango russisch ist, Salza erstklassig mit „Uruguay“ einhergeht, River Dance bei „Practice Time“ oder Rachmaninow mit Kung Fu zusammen gemischt ist. Die Instrumentalisten reißt es natürlich genauso von ihren Sitzen! Man hat sie noch nie so fröhlich und glücklich spielen gesehen und gehört! Ihre Sprech- und Singstimmen waren bei „Eine Handvoll Dollar“ hier sprich „Fistful Of Dollars“ gefragt.

Hervorragend nicht nur das NTO sondern auch die beiden klassischen Popkultur-Solisten und der Perkussionist Oded Kafri sowie der Dirigent  Ruben Gazarian, der die Schwierigkeit meisterte, zwei so verrückte Solisten stets wieder einzufangen und mit seinem Orchester in den selben Takt zu bringen.

Das Motto war jedoch nicht „alles ist möglich!“ oder der „musikalische Alptraum nimmt epische Breite an“ sondern „Alles ist gut!“ und „Musik öffnet das Herz und stärkt den Lachmuskel“!

Ein hervorragender Abend, der zusätzlich das Immunsystem stärkte!

Ich lerne: Gläser + Tassen spülen. Katja Bürkle und Martin Wuttke. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
Macho - Macho

Landestheater 16.1.14
Katja Bürkle und Martin Wuttke
„Ich lerne: Gläser + Tassen spülen“

Bertolt Brecht und Helene Weigel im Briefwechsel 1923-1956. Das Stück in 5 Akten wurde entstaubt und gekürzt. Durch die Raffung wurden das überbetonte Selbstverständnis des Fotografen Hjalmar Ekdal sowie seine überzogene Selbsteinschätzung, dass z.B. seine Familie allein von seinem Umgang mit ihr bereichert und gebildet werde, nicht deutlich. Außerdem litten die Wortspiele mit Licht, Sehen oder Nicht-Sehen, die Sache erhellen etc. als Synonym für die Wahrheit finden oder eben nicht. trotzdem war es natürlich gut und notwendig die Dauer der Produktion zu vermindern!

Der wesentliche Kern: Wieweit ist Wahrheit schädlich oder unnötig – Inwieweit ist das Ideal lebbar – Wie sinnlos ist es, das Kostbarste opfern zu wollen - kamen deutlich hervor und wurden durch das schlichte Bühnenbild in ihrer Bedeutung noch unterstützt. Auch die Regieanweisung Ibsens, das Wohnzimmer der Ekdals „gemütlich“ einzurichten wurde wohltuend ignoriert und ein völlig leerer Raum, der zugleich Fotoatelier sein sollte, bot sich dem Publikum dar. So wurden der Inhalt, die Problematik und das Problembewusstsein, die Dramatik und die Schauspielkunst betont.

Die Schauspieler agierten hervorragend. Besonders originell und psychologisch gut umgesetzt hatte Lisa Weidenmüller die Rolle der 14-jährigen naiven, langsam erblindenden Tochter.

Tobias Voigt konnte in seiner Darstellung als aufrechter Gutmensch, der nichts Gutes anrichtet, äußerst überzeugen. Katharina v. Harsdorf stellte gelungen die berechnende Frau, die es zum Geld hinzieht,  und  Gerti Drassl die etwas steife, ihrer Tochter nicht richtig mütterlich verbundene Ehefrau dar. Johannes Schmid als Erfinder, Fotograf und von sich überzeugter Ehemann, der aber als Dilettant versagt, konnte genauso überzeugen, wie Benno Ifland als alternder Egoist, Lügner und distanzierter Vater sowie Helmut Wiesinger als liebender Großvater und demontierter Angestellter von Werle und Michael Scherf als Gegenspieler, Freund und Arzt, obwohl er vielleicht die dramaturgisch unliebsamste, unbedeutendste Rolle zu bewältigen hatte.

Eine tiefsinnige Tragödie, die durch die schauspielerische Leistung, die Entrümpelung und Modernität von Bühnentechnik und Regie zu einem höchst erbaulichen, interessanten Theaterstück mutierte!

Premiere von „Metropolis“ bei den Sommerspielen Melk. Rez.: Ernst Punz

Ernst Punz
Stummen Stimmen geben, Leid zur Sprache bringen

Premiere von „Metropolis“ bei den Sommerspielen Melk am 18.06.2014

Was für ein Fest für einen Autor muss das gewesen sein, als der Intendant der Melker Sommerspiele Alexander Hauer Franzobel beauftragt hat, den weltbekannten Stummfilm Metropolis von Fritz Lang als Theaterstück zu dramatisieren und ihm Sprache zu verleihen. 

Fritz Lang musste seinerseits aus technischen Gründen den umgekehrten Weg gehen, als er den Roman Metropolis seiner Frau Thea von Harbou verfilmte. Fertiggestellt machte ihn der Film dann nicht einmal glücklich. Erst als in den achtziger Jahren eine Renaissance einsetzte und Künstler wie Madonna und Freddie Mercury Metropolis entdeckten, dachte Lang neu darüber nach. Anzumerken wäre, dass er bereits bei Charlie Chaplins Modern Times ahnen hätte können, dass ihm etwas Vorbildliches gelungen ist.

Charaktere und Handlung von Metropolis lesen sich wie eine Bestandserhebung der jüngeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zeitgeschichte. Ein leistungsorientierter Vater, der ein Imperium aufgebaut hat, sein Sohn, der sich dem Müßiggang mit seinen gleichgestellten Freunden hingibt, Subalterne und Arbeitende, die in ihrer Abhängigkeit dieses System ermöglichen und ein wissenschaftlicher Mastermind an der Grenze von Genie und Wahnsinn, der das ganze geplant hat. Doch plötzlich gelangt – wodurch auch immer –  eine Mahnerin in dieses sich selbst genügende Räderwerk und erklärt den aus der Unterwelt stammenden (Menschen-)Kindern, die sie an der Hand führt, dass es sich bei den ausschweifend lebenden um ihre Brüder und Schwester handelt. Auf den Sohn übt Maria (sic!) einen besonderen Zauber aus, auch bekannt als Liebe. Was folgt ist eine Läuterungs-, Liebes-, Revolutions-, und Heldengeschichte, die in den Zusammenbruch des Systems und die Errettung der Ausgebeuteten mündet. Dass Maria einer Gehirnwäsche unterzogen wird und zwischenzeitlich zur Feme fatale mutiert, ruft in Erinnerung, dass viele neue Ideen und Bewegungen kommerzialisiert und vom Mainstream übernommen wurden.

Autor Franzobel konnte und musste aus dem Vollen in die Leere schöpfen und hat dies reichlich getan. Zwischen vorgegebenen Stummfilmtiteln, die gelegentlich wie Bojen im Sprachmeer auftauchen, füllt er die Tiefen und Untiefen des Dramas mit meterhohen Wellen, lässt Wellentäler entstehen, sprüht Gischt und lässt die Flut auch wieder versickern. Stummfilmtheatralik taucht genauso auf wie zeitgenössischer Kabarettistenchargon, vom altgriechischen Chor über apokalyptische Predigten reichen die sprachlichen Mittel fließend bis hin zu bekannten geilen Werbesprüchen. Franzobel schafft mit seinem Metropolis, dem er den Untertitel Das große weiche Herz der Bestie gegeben hat, ein neues eigenständiges Werk, das der Gesellschafts- und Kulturkritik des Vorbildes mehr als gerecht wird.

Die Sommerspiele Melk hätten mit der Dramatisierung von Fritz Langs Originalfassung ein Problem gehabt. Die Erschaffung eines Bühnenbildes mit riesigen Maschinenhallen und tausende Komparsen hätten das Budget vermutlich ähnlich gesprengt wie das des filmischen Vorbildes. Zudem wäre die finale Überflutung der Unterstadt den durch Hochwasser leidgeprüften Theatermitarbeitern nicht zuzumuten gewesen. Somit wurde das werktätige Volk auf den im (Zwie-)Spalt bis zur Erschöpfung leistenden und zur Nummer 11811 degradierten György reduziert. Die durch menschliche Unvernunft erzeugte Sintflut wurde gleich ganz gestrichen und einem Boten in Form eines zeit- und geldsparenden Berichtes á la Ganz Madrid in Waffen in den Mund gelegt. Das gibt in der Bewertung natürlich gigantonomische und gargantueske Abzüge, aber wer Franzobels Werk liest, kann sich ja Langs rauchendes und pfauchendes Industriemonster vorstellen und sich darüber freuen, dass er beim Lesen keine nassen Füße bekommt. Das real sichtbare Bühnenbild von Daniel Sommergruber und die Kostüme von Moana Stemberger waren futuristisch gehalten und erinnerten an Innenleben und Ausstattung von Weltraumunternehmen und Raumschiffcrews sowie Planetenbewohnern. Die Bühnenmusik steuerte das Melker Jazzgenie Thomas Gansch bei. Verglichen mit dem existierenden orchestralen Werk zu Metropolis, beschränkte sich der bekannte Trompeter auf minimalistisch anmutende Klavierklänge. Eindeutig wurde auch hier dem Wort der Vorrang gegeben.

Den Mitwirkenden der Sommerspiele Melk ist es mit Intendant und Regisseur Alexander Hauer auf jeden Fall wieder gelungen, eine Einheit von Wort, Klang und überlagertem Bühnenbild – gemeint ist das Stift Melk – zu schaffen, das die auch als Religionskritik zu verstehende Aussage eines Darstellers nach Marias (Erlösungs-)Rede Lügen straft: Sowas Dummes habe ich nicht mehr gehört, seit ich in der Kirche war.

Grillparzer: Weh dem, der lügt. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Sätze und Möbeln schleudern, Sätze und Möbel zerlegen!

25.1.14, 19.30 Uhr
Landestheater St. Pölten
Premiere
Grillparzer „Weh dem, der lügt“

Lustspiel mit Jan Walter als Leon, Florentin Groll als Gregor / Kattwald / Fährmann, Pascal Gross als Atalus / Hausverwalter / Diener, Swintha Gersthofer als Edrita / Hausverwalter / Diener und Tobias Voigt als Galomir / Hausverwalter.

Statt drei Stunden harter Grillparzer-Worte ein „bereinigtes“ leicht verdauliches und bekömmliches Stück in einem Akt! Das lässt Otto und Ottila Normalbesucher aufatmen. Die eine Stunde und 30 Minuten Dauer lassen kein Gefühl nach Pause aufkommen. Gefesselt vom raschen Fortgang der Handlung hängt das Publikum an den Lippen der Schauspieler und schaut den geworfenen Möbelteilen nach und bewundert die kunstfertige Vereinigung dieser zur Kücheneinrichtung oder zu Tarnwänden. Große Anforderungen werden an die fünf Schauspieler gestellt, die sie mit Bravour meistern. Die schwierigsten und gegensätzlichsten Personalen hat Florentin Groll zu bewältigen und schafft es den Fährmann als biederes Bindeglied zwischen dem Bischof und dem brutalen Geiselnehmer und Sklavenausbeuter Kattwald überzeugend darzustellen. Eine glanzvolle schauspielerische und auch dramaturgische Leistung, die da nüchtern auf der Erde bleiben und keine geklüngelten Gesten, Faxen oder Worte hervorbringen.

Ist es doch Grillparzer selber, der einmal das Glas erhob und meinte: “Auf das Wohl derer, die nicht scheinen, sondern seinen!“

Es geht schließlich um die nackte Wahrheit und daher hat auch die Regie, die Kostümwerkstatt sowie die verantwortlichen von Maske, Requisite und Technik sich an angenehm Schlichtes gehalten. Um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bedarf es eben nichts als der Wahrheit. Sparsam wird mit dem Tragen des I-Pod von Kattwald ein etwaigiger Gegenwartsbezug verdinglicht. Vielleicht soll das technische Utensil ja auch die geringere Stufe der Barbarei dieses Volkes zeigen, das sich der anderen politischen Partei sicher überlegen fühlt und ja den Neffen des Bischofs und Gegners als Sklave und Pfand hält.

Ob es allerdings angebracht ist, den Bischof als schwulen Küsser darzustellen, sei dahingestellt. Der Gegenwartsbezug ist gesichert. Im Sinne Grillparzers könnte es ja sein, und wird es sein, da dieser 1819 auf Reise in Rom das Kreuz zu Ehren der christlichen Märtyrer verhöhnte und anprangerte. Allerdings musste er anschließend zu Kreuze kriechen und sich offiziell beim Polizeipräsidenten des Metternichschen Regimes entschuldigen. Das bleibt dem Dramaturgen und der Intendanz heutzutage erspart.

Auch war es Grillparzer, der den vierten Akt lebhaft gestaltet wissen wollte. Er schrieb an den Darsteller des Atalus vor der Aufführung im Burgtheater: „Die Streitszene zu Anfang des vierten Aktes hat überhaupt etwas jugendliches, auf das ich Wert lege. Es ist wie eine Republik von Kindern.“

In der Burg wurde das Stück dann zum Leidwesen des vergrämten Dichters sehr bald abgesetzt und er floh aus dem Land mit den Worten: „Drum fort, fort aus dieser Lage! Hinaus in die Welt, um diesen Trübsinn, wenn auch nicht zu stillen, aber doch wenigstens zu übertäuben … Fliehen will ich dies Land der Erbärmlichkeit, des Despotismus, und seines Begleiters, der dummen Stumpfheit, wo verbrechen Vernunft ist, und Aufklärung der gefährlichste Feind des Staates …

In St. Pölten wünschen wir uns so heftig dargereichte Stücke, die das Thema der Wahrheits- und somit auch Identitätssuche uns einzigartig ohne Stumpfheit und Kleben an historischem Text und überlieferter Gestaltung nahe bringen! Gratulation!