Bühne

Festwochen Gmunden, 26.7.2016. Konzert 26.7.2016 KHULT: Anita a Noar. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Salzkammergutfestwochen in Klaus am Hausboot Haidlmair
Konzert 26.7.2016
KHULT  Aniada a Noar

Ja, alle sind wir Narren und jeder ist ein anderer! Da können wir übereinstimmen mit der KHULT-Band aus der Steiermark. Den Namen leiten sie übrigens spaßigerweise von „geholt“, - „so viele Auftraggeber haben uns gholt“ /engagiert - „gholt, kholt – khult“ ab. Soweit die Sprachbetrachtung eingangs, die auf Witz und Niveau uns vorbereitete.

Die Band ist seit 34 Jahren aktiv, obwohl nun auf ein Trio geschrumpft, und gibt der Volksmusik immer noch vor, wie unverwechselbar und originell sie sein kann.

Sonst hätten sie ja auch kaum mit Josef Hader, Gerhard Polt, Felix Mitterer oder Reinhard P. Gruber etc. gespielt und gesungen – oder umgekehrt - diese mit ihnen.

Kein gefürchteter Kommerz erwartete also das Festspiel-Publikum, sondern herzliche, eigenwillige Texte und Weisen. Besonders öffnet das Herz der starke visuelle und musikalische Ausdruck des Geigers, Texters, Komponisten Andreas Safer. Sein konzertantes Spiel, seine Balance zwischen Schmäh und Nachdenklichkeit und seine einnehmende Mimik erreichen und bereichern die Gäste!

Unter dem Bandnamen und gleichlautenden CD-Titel von 2015 „Compagnia“ kann man dem Trio in einer echten Alm am Berg beim heurigen Jazzfestival Saalfelden (letztes Augustwochenende) lauschen.

Mit diesem Abend am Stausee Klaus, auf der schwimmenden Alpenhütte, sprich Hausboot Haidlmaier haben die Salzkammergutfestwochen uns gezeigt, wie anspruchsvoll und anregend Volksmusik sein kann! Gratulation!!

Landestheater NÖ: Ernst ist das Leben (Bunbury) von Oscar Wilde. Premiere, 10. Oktober 2015. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Landestheater NÖ 10.10.15 Gr. Haus, Premiere
Ernst ist das Leben (Bunbury)
von Oscar Wilde
dt. Fassung von Elfriede Jelinek
Dramaturgie: Mathias Asboth
Regie: Maaike van Langen

Elfriede Jelinek liebt besonders Oscar Wilde und Komödien, da sich in ihnen die gesellschaftlichen Konflikte zuspitzen, wie sie sagt.

Sie hielt sich großteils an die Textvorgabe des Stücks aus dem Jahre 1895, natürlich fiel einiges den Kürzungen zum Opfer und der Ton des Stückes wurde weg vom Aristokratischen damit ins Alltäglichere gezogen, zeugt jedoch immer noch vom glitzernden Possenspiel.

Der Sprachwitz litt darunter, er ist nicht simpel wie bei Nestroy, sondern er stellt die englische Aristokratie auf den Prüfstein und will sie demaskieren. Humor ist in dieser Bearbeitung eher durch rasantes Werfen mit Tellern samt Brötchen oder Torte und exstatisches Leben und Liebes-Leiden ersetzt.

Das subtile Zeigen des Unterschiedes zwischen Dandy und Gentlemen/Pascal Lolo bliebe dabei fast auf der Strecke, wenn beide auf Spektakel getrimmt sind. Jedoch Fabian Krüger schafft es, denn Dandy und Salonlöwen, den auch Oscar Wilde gerne mimte, gekonnt herauszustreichen.

Wunderbar sind die beiden Frauen Marion Reiser und Lisa Weidenmüller, und ganz ganz exzellent in ihrer hitzigen Verschwesterungs-Szene im 2. Akt.

Pascal Gross ganz gross in seinen zwei Dienerrrollen, genauso Babett Arens als Aristokratin mit würdigem Stammbaum und Tradition, Cornelia Köndgen als leicht verliebte Governante  und Michael Scherff als verführerischer Pastor.

Ob man den schlichten Bühnenverbau von Moritz Müller aus Holz statt üblichen Zimmer-Requisiten nun liebt oder nicht, ist eine Frage des Geschmacks. Ich finde ihn optimal passen, da Schlichtheit der Bühne der Darstellung und dem Wort mehr Bedeutung lässt. Außerdem zeigt und zeugt er von den Höhen und Tiefen des Lebens und der dargestellten Charaktere, wie von der Schrägheit der Komödie, den harten Ansprüchen an die Protagonisten und den harten, hölzernen Zumutung der gehobenen englischen Gesellschaft an die handelnden Personen, die es aufzudecken und aufzuweichen gilt.

Also ganz dem Stück und seiner Aussage entsprechend!

Jedenfalls eine spannende, rasante Produktion!

LitGes, im Oktober  2015

Festspielhaus St.Pölten: Beijing Dance Theater, 27.02.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Tanzuniversum - Spannung zwischen Energie und Anmut

Festspielhaus St.P. 27.2.2016
Beijing Dance Theater
Yuanyuan Wang

Le Poison:

Uraufführung. Ein Auftragswerk im Rahmen der Woche Künstler in Residenz im Fest-spielhaus St.P. entstanden. Unterlegt mit österreichischer Elektroakustik des Trios Radian.

Das Gift ist wohl personifiziert durch Eva, die die Äpfel pflückt oder vom Boden aufhebt und vergiftet darreicht. Soweit die Symbolik von Frau und Apfel. In dieser Choreografie wird die fast nackte Kreatur zum Leben und zur Daseinsfreude erweckt. Jedoch ist es das ewig weibliche Böse, das Sünde und Leid schafft. Zugrunde gelegt ist ein Poem von Charles Baudelaire, 1857, das von der Verwandlung vom Guten ins Schmutzige, Nebelige, in Wollust oder Rausch usw., endend in Wahnsinn, spricht. Wunderbare Bilder und zarte Bewegungsabläufe gestalten sich vor den Augen des Publikums.

Farewell, Shadows:

Diese Szene ist ursprünglich als Teil der Trilogie „Wilde Grass“ von Yuanyuan Wang selbst entstanden.

Als textliche Grundlage diente ein Gedicht des chinesischen Schriftstellers Lu Xun, 1881-1936, über Licht und Schatten, über das Schweben zwischen Morgen und Abend und das unbemerkte Abreisen, -weit weit weg, unbemerkt von allen -.

So ist auch diese Choreografie gestaltet  zwischen Beraubung der eigenen Beweglichkeit und Persönlichkeit und der Selbstbestimmung und freigesetzten positiven Energie am Schluss.

Eine Umdrehung also des Endes im Vergleich zum ersten Stück! Umgekehrt ist auch die Frau – Mann Haltung. Nicht die Frau bringt das Schlechte wie bei Le Poison, sondern die männlichen Tänzer halten die Tänzerinnen gefangen und malträtieren sie. Die Dualität zwischen Licht und Schatten zeigt sich auch in den Kostümen, die wie schwarze Stoffbalken auf den hellen, zarten Körpern sitzen. Des Tanzes wahre Seele ist die Freiheit, so beschreibt der Choreograf Wang den Leitsatz des Beijing Tanztheaters. Und den hat er hier grandios verwirklicht.

The Nightingale and the Rose

Uraufführung war vor wenigen Monaten in Beijing.

Mit Musik von George Bizet und dem gleichnamigen Märchen von Oscar Wilde ist die Grundlage für diese Choreografie Wangs gestaltet. Die Nachtigall opfert ihr Blut, um die Rose des kleinen verliebten Tänzers rot zu färben. Seine Angebetete nimmt jedoch die Blume nicht an, reißt sie ihm in der letzten Szene theatralisch und feindselig weg, um sie bösartig zu entblättern und sie wie gleichfalls den Anbeter zu zerstören. Das Opfer der Nachtigall für die Liebe ist somit umsonst. Und gerade diese Rolle der Nachtigall, die sich an Dornen ritzt um ihr Blut zu geben, wurde von Qiang Zhang dermaßen erotisch und überdimensioniert vom choreografisch-inhaltlichen Wert her mehr als theatralisch demonstriert, dass hier diesbezüglich die einzige kurze Kritik anzumerken ist. Denn die beiden Handlungsträger sind die Rose und der verliebte Tänzer, der die Liebe hochhält, auch wenn sie nicht sinnerfüllt endet.

Drei äußerst abwechslungsreiche fein gesponnene Choreografien, die dem Publikum im ausverkauften Festspielhaus einen wirklich eindrucksvollen Abend bereiteten!

Landestheater NÖ, FRONT Österreichpremiere, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Jeder Soldat bleibt nur durch Zufall am Leben – oder – verflucht sei der Soldatenruhm!

FRONT Österreichpremiere
Landestheater NÖ: 20./21.2.2015
Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg
Uraufführung März 2014 im Thalia Theater Hamburg

In dieser Koproduktion führt der flämische Regisseur Luk Perceval, (geb. 1957 in Lommel/Belgien, er gründete1984 die Blauwe Maandag Compagnie, die er ab 1991 leitete), der mit der preisgekrönten Inszenierung des Stückes SCHLACHTEN 1999 bereits in diesem Genre beeindruckte, auf das Schlachtfeld des I.WK nach Belgien. Westbelgien wurde trotz seiner Neutralität zum Schlachtfeld fremder Mächte.

Daher auch die Flämische, Englische, Französische Sprache (mit dt. Übertiteln am elektronischen Sprachband) und das Deutsche als Sprache des Feindes.

Wie bei Erich Maria Remarque oder Henri Barbusse ist es der einfache Soldat im Schützengraben, der hier authentisch zu Wort kommt. Wir waren bis Kriegsende des II.WK - und vor allem damals war man - es gewohnt, das große Leid des Krieges hinter vaterländischen Sprüchen, Kriegs- und Aufmarsch-Plänen, sonstigen Theorien oder Statistiken zu verstecken. Diese werden alle nicht thematisiert, sondern mit dem ohrenbetäubenden Lärm der Kriegsmaschinerie – sprich dem Lärm von riesigen aneinander gereihten Blechplatten – hinweggefegt. Man wird taub. Übrigbleibt die grenzenlose Müdigkeit, die Stille. Die Erde wird an der Front der Freund des Soldaten, vermischt mit der süßen Schwere des Geruches des Blutes. Deckung oder Auslöschung. Die Hände verkrampft zu einer einzigen. Das letzte Feld ist das Feld der Ehre. -  Auch davon künden die Stimmen der Schauspieler, genauso wie von der Gefahr, aus 60 Meter Entfernung den Feind als Menschen wie du und ich zu erkennen oder zu verzweifelten, wütenden Bestien zu werden.

Ein eindrucksvolles Stück, herausragende Leistung der 11 Schauspieler und des Musikers, der mit Paukenschlägen und Säge die Bleche zum Klingen brachte. Zu recht DER theatrale Beitrag Deutschlands zum Gedenkjahr 2014.

LitGes, im Februar 2015

Festwochen Gmunden im Kino Ebensee, 27.7.2016.Lesung mit Musik 27.7.2016 MARX UND CHE. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Salzkammergutfestwochen Gmunden im Kino Ebensee
Lesung mit Musik 27.7.2016
MARX UND CHE
Kurt Palm
Chrono Popp-Musik

Kurt Palm las zum 16. Mal bei den Festwochen. Bekannt durch seine Lesungen „Kochen mit Stifter“, „Kochen mit Kafka“ usw. füllte er den Kinoraum Ebensee.

Diesmal hat es ihm sein ureigenstes Thema angetan: Die Theorie von Karl Marx.

Er fasste in 30 Min. die Essenz des 800 Seiten starken Das Kapital (1867) zusammen, das er zur Zeit seines Publizistik- Germanistikstudiums in Salzburg offiziell nicht lesen durfte.

Fazit: Keine Wege zu Lösungen werden von Marx angeboten, sondern die seitenlange Jammerei über die bösartige Wirkung des Geldes. Der Mensch ergründe seit 2000 Jahren den Geldkörper und begrüße den Schatz wie den aus den Eingeweiden der Erde gezogenen Pluto. Das Geld ist der Henker aller Dinge geworden, es erklärt dem ganzen Menschengeschlecht den Krieg, ist das Fett des Staatskörpers; das Fett, das den Körper verschönt und die Schulden begleicht.

 Sodann erwähnte Palm die Gier des Arbeitsgebers, nicht ohne sogleich das Wort „Arbeitsgeber“ ad absurdum zu führen. Denn der Arbeitsgeber sei der Kapitalist und Ausbeuter der Arbeiter. Er kaufe den Gebrauchswert pro Arbeitstag, daher werde der arbeitende Mensch so ausgebeutet, dass man die Arbeitszeit auf 18 St./Tag bei Männern beschränkte.

Drittens hatte Palm über die Fälschung von Lebensmittel exzerpiert. Nicht nur Eier oder Brot werden gefälscht und z.b. mit Eiter versehen; bei Mehl gab es bis zu 28 Fälschungsarten und bei Kaffee gar 30!

In Zusammenhang der entwürdigenden Arbeitsverhältnisse zeigte Palm dann die bei Marx erwähnten Krankheiten und Unterkunftsproblematik auf sowie den Gedanken, wozu die Akkumulation von Reichtum führe – nämlich zu Elend und z.B. zu den Handelskriegen der Nationen und zum Sklavenhandel. Dies alles sei im Dienste des Kapitalismus.

Die Untermalung des anklagenden Wortschwalls Kurt Palms mit rezitativer, z.T. dröhnender Angst machender  Chrono Popp-Musik war kontraproduktiv, denn die Verständlichkeit litt unter der Gleichzeitigkeit von Worten und Geräuschen und der Vortrag büßte an empathiefreier Wissenschaftlichkeit und Informationsmöglichkeit ein.

Im zweiten Teil las Palm das Bolivianische Tagebuch von Che Guevara (Im Dschungel, Ende 1966 bis zum Tod durch das bolivianische Militär 1967) und verzichtete Gott sei Dank auf die Gleichzeitigkeit mit Musik. So entstand ein berührender Abgang eines Helden, der sein Leben dem Bolivianischen Freiheitskampf opferte.  Che wurde durch seine eigenen Zeilen nicht als romantischer Held erkannt, sondern als ernstzunehmender einzelner Mensch, der  dem Widerstand und Protest  dienen wollte und schlussendlich erkannte: Die Revolution ist die höchste Stufe des Menschen. Und: Das Konzept der Weitertragung würde sich nicht halten.

Kurt Palm kann zufrieden sein: Er hat sein Publikum historisch – gesellschaftspolitisch gebildet sowie wachgerüttelt und zum Gebrauch der grauen Gehirnzellen erfolgreich animiert!

Die Intendanz der Festwochen ebenfalls: Denn aus dem für Bildungsbürger konsumierbaren kritischem und/oder ästhetischem Angebot stach dieser Abend mit Kurt Palm wie auch immer überraschend hervor.