Bühne

Festwochen Gmunden, 18./19.7.2016: Literaturschwerpunkt Thomas Mann. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Salzkammergutfestwochen Gmunden
Literaturschwerpunkt Thomas Mann
Kurator  Franz Schuh
18./19.7.2016 im Stadttheater Gmunden

Der heurige Literaturschwerpunkt findet nicht am letzten Wochenende des Juli statt, sondern von Montag bis Freitag im Stadttheater Gmunden.

Wer sich am ersten Tag eine biografische Einführung zu Thomas Mann wünschte, galt als unvorbereitet. Die 1. Lesung war als Ergänzung zu Thomas Mann, gesehen als Nur-Literaten, gedacht. Dass er, wenn er nicht Dichter, so Musiker, sogar Komponist geworden wäre, ist durch seine Arbeit als Textbuch-Schreiber für Richard Strauss und als Geiger, der sich an Sonaten von Edward Grieg und R. Strauss wagen konnte, erklärbar.

In seinen Romanen spielt die Idee die Rolle des musikalischen Motives, meinte er.

Richard Wagners Werke waren für Thomas Mann „Kunstwerke der höchsten Bildungsperiode“. Er attestierte ihm Ausdauer statt Spontaneität, unendliches Nachdenken, bis er herausgebracht hatte, was er wollte. So bezeichnete Mann Wagner als „Bauchredner Gottes“!

Und diese Lob: Wagner als Theaterdionysos, wurde dem Publikum am ersten Abend nahegebracht.

Am 19.7.2016 führte Franz Schuh an Thomas Manns Roman bzw. Bildungsromans eines Hans Castorp heran und stellte th. Mann als Person und als schaffenden in den Zeitgeist und Kontext zu Bert brecht oder Georg Lukacs. Die ergänzende Biografie konnte man im ausführlichen Beiprogramm nachlesen. 

der Burgschauspieler Roland Koch trug das Kapitel „Schnee“ aus dem Zauberberg Th. Manns vor. Die Hauptfigur, Hans Castorp, befand sich als Schifahrer in einem schweren Schneesturm und war dem Erfrierungstode nahe. Der Text handelt von der langsam schleichenden Fast-Aufgabe eines Menschen in lebenbedrohlicher Situation. Der Verzicht aufs Reale, die Nähe von Eros und Tod kam in diesem Postromantischen Werk zur Geltung.

Da dieses Werk seit sicher 30 Jahren nicht mehr im Kanon der Schullektüre steht, ist das Publikum zwar zahlreicher gesät als am Vorabend, aber eben nicht so zahlreich wie bei moderner Lektüre noch lebender Autoren, wie es bei den Literaturschwerpunkten zu Christoph Ransmayr oder Josef Winkler in den letzten Jahren gekommen war.

Der leichte Zugang zum Gegenwartsbezug ist dem Publikum offensichtlich wichtig. Die Postromantische Ära eines Thomas Mann scheint eher für spezielle Literaturliebhaber, Germanisten und Fachleute anziehend genug zu sein, um diesen Literaturschwerpunkt so genussvoll wie er es verdient, zu inhalieren.

Festspielhaus St. Pölten, SASHA WALTZ & Tonkünstler-Orchester: CONTINU, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
"durch und durch"

Festspielhaus St. Pölten, 25.9.15
SASHA WALTZ & Tonkünstler-Orchester: CONTINU

Mit hochkarätigem Werk und Besetzung wird die neue Saison eröffnet!

Grandiose Ballettszenen, die vor allem im ersten Akt, dem schwarzen Teil bedrücken, bedrängen und durch und durch gehen. Es geht um das Ausgeliefert-Sein, die Entfremdung und das immer wieder aus dem Alleingang in die Masse Zurückgeholtwerden. Heute sehen wir im Zuge der Syrien-Flüchtlinge dies aus einer noch betroffener machenden Perspektive!

En-Block agieren die TänzerInnen und werden durch die sehr gelungenen, strengen, schlichten schwarzen Kostüme (Bernd Skodzig) unterstrichen.

Dieses ungeheuer beeindruckende, dramaturgisch wuchtige Stück begann Sascha Waltz 2009 in Berlin, als sie beauftragt worden war, das nach der Renovierung noch leer stehende Neue Museum Berlin choreografisch zu eröffnen. Besonderen Bezug hatte sie, wie sie in der Einführung erwähnte, zu der Musik Edgar Varèse, der mit vielen Schlagwerken instrumentalisierte. Die Frauenpower war im ersten Stück wegen der 6 Tänzerinnen und der weiblichen Schlagzeugerin besonders stark.

Im zweiten Teil hat sie das Positive und Kontemplative unterstrichen und das Kraftvolle zurückgenommen. Eher das Thema Sehnsucht, Zuneigung oder Frieden könnte gemeint sein. Passend unterlegt durch die Musik von Claude Vivier und W.A. Mozarts Quartett für Oboe, Violine, Viola und Violincello, wunderbar ausgeführt vom großen Orchester der Tonkünstler, unter der hervorragenden Leitung des Dirigenten Pietrari Inkinen, der die 9 Blasinstrumente und die 13 Schlagwerke bei den stücken Edgar Varèses aus einer neu geschaffenen Oberbühne tönen ließ.

Eine grandiose Eröffnung!

LitGes, im September  2015

Festspielhaus St.Pölten, Mnozil Brass,20.01.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
"Die glorreichen Sieben"

Festspielhaus St.P. 20.1.2016,
19.30 Uhr, Großer Saal

MNOZIL BRASS: YES! YES! YES!
Angewandte Blechmusik mit abartig guter Komik!

Ob in Western- oder Stierkampf-Manier,  die sieben Blechbläser verbinden so richtig  Clownerie mit perfektem Jazz. Versatzstücke allgemein bekannter Musiktitel reihen sich aneinander und bevor man, da man jedes Mal die Melodie erkennt, aber oft Text oder Autor vergessen hat, glücklich mitswingt, bieten die Sieben bereits eine launische Szenerie nach der anderen. Bevor man überlegt, ob man Dave Brubecks „Take Five“ und Joe Cockers „Affensound“ von sieben Affen gehört und gesehen hat, treten zwei schwerelose Astronauten im Raumanzug ins Szenebild, denn die „Odyssee im Weltraum“ erklingt.

Das Publikum spürt den Wiener Charme, die Traurigkeit bei Begräbnisrhythmen, die in barocker oder eher New Orleans Manier nach dem langsamen, traurigen Beginn und Begleiten des Toten dann  in Glanz und Gaudi umschlägt.  Nicht nur„Don`t worry, be happy“  oder „When the march is going in“ wird in Situationskomik umgesetzt, alles, aber auch wirklich alles, was wie so nebenbei auf höchstem musikalischem Qualitätslevel daherkommt, wird persifliert.

Roman Rinderberger gibt die kecke spanische Dame mit den Kastanetten und Leonhard Paul spielt als Draufgabe wie stets gleichzeitig mit Händen und Füßen vier Blechinstrumente. Seine Performancekunst, wie auch die der anderen Ensemblemitgliedern, ist noch ausgefeilter und exzentrischer geworden und schlägt großartige Wellen im abartig Virtuosen!

Musik und Performance gehen bei dieser Produktion mehr als je ineinander über und wenn man nach den vorjährigen Auftritten, glaubte, diese seien durch nichts zu überbieten, so wurde man heute eines Besseren belehrt!

Die Mnozil Brass ist nur durch die Mnozil Brass zu übertrumpfen!!

Ihr Wert für die österreichische Musikszene ist unglaublich! Der Amadeus Austrian Music Award 2001 und der renommierteste Kleinkunstpreis im deutschen Sprachraum - der Kabarettpreis Salzburger Stier 2006 - sind noch viel zu wenige Auszeichnungen!

Nur lautes Herauslachen hilft, um vor lauter Witz und Spaß nicht zu ersticken oder selbst die Stufen zur Bühne zu erklimmen und jedem der Musiker um den Hals zu fallen.

LitGes, im Jänner  2016

Landestheater Niederösterreich, Minna von Barnhelm, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Keine Emanzipation ohne Lessing

Landestheater Niederösterreich, St. Pölten
Großes Haus, Premiere 05. 12. 2014

Minna von Barnhelm/Lessing
Regie: Katrin Plötner
Dramaturgie: Julia Engelmaye
Kostüme: Eugenia Leis
Chor: Mitglieder des Chors 50 plus des Festspielhauses St. Pölten, Leitung Flora Königsberger

Kein Toleranz- sowie Emanzipationsgedanke ohne Lessing!

Lessing ist unserer westlichen Kultur eingeschrieben. Vorallem in Minna und Franziska sehen wir die Vorreiterinnen der weiblichen Emanzipation. Sie spiegeln die Frauen wieder, die sich die Männer für die Eheschließung nehmen, die sie brauchen oder wollen.

In dieser Bearbeitung von Katrin Plötner ist eher die Rolle Franziskas/Marion Reiser, der Zofe Minnas, so angelegt, dass ihr Emanzipationswille deutlich wird. Minna/ Lisa Weidenmüller glänzt wieder in ihrer gewohnt sexy – flapsig – verrückten Art und Weise und man vergisst, dass sie in ihrer Kostümierung (Straps und Spitzenhöschen etc.)  vielleicht nicht selbst diese Rolle so angelegt hat, sondern den Regieangaben folgt. Kurz gesagt, sie spielt wunderbar aufregend und ist flott unterwegs, was dem ursprünglich auf Passagen trockenen Theaterstück sehr gut tut. Beide Frauen sind ganz toll! Gratulation!

Der Emanzipationsgedanke wird da natürlich ein wenig zugedeckt, da die stupid-naive Ausdrucksart Minnas dem im Wege steht.

Major von Tellheim/Lars Wellings dürfte bei seiner Rolle mitdiskutiert und gewisse Vorstellungen gehabt haben. Er ist souverän und glaubhaft - so soll ja dieser Major sein, der aus der typischen militärischen Kaste nicht beim Ehrbegriff heraus fällt, sondern bei der Selbstlosigkeit (Einsatz des eigenen Vermögens statt Auspressung des Volkes um die Kriegskasse zu füllen) und dem Mitleid.

Dass der Ehrbegriff und der Wille zum Krieg weiterhin die Zukunft der Welt beherrschen wird, hat die Regie mit dem Schlusslied des Chors „Ich hatt` einen Kameraden“ exzellent ausgedrückt. Der Chor 50+ bereicherte auch den Einsteig ins Stück mit der gesanglichen Lobpreisung Tellheims meisterlich, sang andante –piano in der Tradition des griechischen Chors, der die Handlung stets dokumentiert und erläutert. Er stellte eine wirklich zielführende Modernisierung im Sinne Bert Brechts und Erweiterung des Werkes Lessings dar.

Genauso gelungen wie die Leistung der Schauspieler, Regie und Bühne!

@ Landestheater Niederösterreich

LitGes, im Dezember 2014
 

 

Landestheater Niederösterreich, LAMPEDUSA, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
"In der Kolonialzeit gab´s keine Flüchtlinge"

Landestheater Niederösterreich, Großes Haus, 11. 12. 2014
Gastspiel: LAMPEDUSA

Text und Regie von Bernd Liepold-Mosser
Musik: Herwig Zamernik
Musikalische Leitung: Günter Wallner
Video: Philip Kandler
Wiener Singakademie unter Heinz Ferlesch
Chorwerke: G. Verdi, L. v. Beethoven, J. Brahms u.a.
Klavier Kyoko Yoshizawa

Fünf Schauspieler, Magdalena Kropiunig, Nina Horvath, Maximilian Laprell, Alexander Meile, Kai Möller, bewältigen hervorragend die 1 St. 30 der Aufführung. Sie informieren über die Zustände und realistischen Details von Flucht, Tod oder Asyl der Boatpeople aus Afrika, werben für Kreuzschifffahrten und die Insel als Touristikinsel oder die Insel als Laichplatz für die berühmten Caretta Schildkröten, einer der drei Schildkrötenarten, die noch im Mittelmeer zu finden sind. Sie sprechen eindrucksvoll Texte, Postings aus internationalen Foren und geben die Meinung der Inselbewohner wieder.

Der Vortrag der Fakten wird konterkariert mit inhaltlich gegenteiligen Videoclips, z.B. Werbung für Touristik mit Schwarz-Weiß Aufnahmen von Flüchtlingen, deren Überfahrt oder Ankunft in Lampedusa. Das Publikum hat stets mit Heiß-Kalt Schauern zu kämpfen bekommt die Hilflosigkeit seitens der Flüchtlinge wie seitens der Retter, Ärzte oder Einheimischen mit. Angst und Schrecken, auch ob der Sorglosigkeit des Umgangs mit Menschen, nimmt einem fast den Atem.

Die klassische Chormusik, getragen von ca. 50 Mitgliedern der Wiener Singakademie unter der künstlerischen Leitung von Heinz Ferlesch, trägt einen großen Teil zur effektiven, kontrastreichen Auseinandersetzung bei.

Eine ganz tolle Aufarbeitung des Themas, aufregend und ungewöhnlich! Eine facettenreiche Verteidigung der Humanität! Ein ungewöhnlich interessanter, kritischer Spiegel, der der europäischen Gesellschaft vorgehalten wird! Ein explosives, äußerst gelungenes Spiel zwischen Schauspielern, Videos und Klassischer Musik!

Eine Bewusstmachung in neuem Kleid!

@ Landestheater Niederösterreich

LitGes, im Dezember 2014