Bühne

Landestheater NÖ. Wo verdammt ist Frau Wermes?. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Zwischen Spaß und Ernst!

Wo verdammt ist Frau Wermes?
von Claudia Trondl, Preisträgerin des Peter Turrini-DramatikerInnenstipendiums des Landes Niederösterreich 2012

NÖ Landestheater: Theaterwerkstatt 
Premiere 16.5.15, Aufführung 22.5.15, Dauer 1h 30min.

Vorweggenommen: Eine wirklich schauspielerische großartige Leistung, tolle rhythmische Sprache und Performance sowie Wandelbarkeit der jeweilig verlangten Charaktere und sehr gute musikalische Singstimmen dieser sechs SchauspielerInnen!

Außerdem auffallend raffinierte, wandelbare Kostüme (Ausstattung Stefanie Muther), vor allem der beiden Arbeitssuchenden bzw. Besucher des Arbeitsamtes Marcel Mohab und Anna Kramer sowie auch die schlichten grauen Overalls der Informantin Dora Balog und des Hausdiensers/Büroboys Franz, wunderbar markant und einfühlend gespielt von Daniel Keberle und eine gut ausgeklügelte, hervorragende Regie von Caroline Welzl! Besonders bemerkenswert waren die oft zeitversetzten Anweisungen des Reporters Hans Munk –hervorragend gespielt von Simon Jaritz – die so den Reporter für das Timing der Auf- oder Abtritte der Schauspieler in eine autoritäre Position brachte und auch etwaige Missgriffe kaschieren hätten können. Die Regie hat Denkarbeit geleistet und die schwierigen Örtlichkeit (vom Innenhof hört man kaum, wann es soweit ist, dass man die wichtige Türe 0805, durch die alle endlich treten dürfen, die für ein Jobbewerb überhaupt ein- und vorgelassen werden, öffnen soll) einkalkuliert.

Zum Inhalt des Stückes selbst, das 2012 den Peter Turrini-Dramatikerpreis erhielt:

Es ist eine Reportage, die vom Reporter Munck im stück gebracht wird, die die Missstände und Widerstände am Arbeitsamt zeigen soll, die Schwierigkeit überhaupt Arbeitsplätze zu haben oder zu schaffen (im Stück kann das nur der Kranführer, der hie und da einen Arbeiter erschlägt) und die Lust aus einem robotermäßig ablaufenden Arbeitsjob und Arbeitstag auszubrechen, vor allem wenn einem die ansonsten mit Süßspeisen versorgende Kollegin in die Südsee abhanden gekommen ist und obendrein noch eine Karte sendet. – Soweit so gut und einfallsreich!

Versteht man das Stück als Komödie, ist alles gut! Mit mehr Schwung und Einfällen (überzeichnet sind die Rollen bereits genug) in den ersten drei Akten - fast ein Slapstick!

Wollte jedoch die Preisträgerin tatsächlich auf die Arbeits-Problematik aufmerksam machen, dann passt inhaltlich der lockere, musikalisch und rhythmisch bewegte Schluss des Werkes nicht zum hoch gepriesenen Wert der Arbeit, denn wenn sich diejenigen, die einen sooo! begehrenswerten Job haben, diesen aus Neid auf eine in der Sonne liegenden Kollegin verlassen, ist die Arbeitslosigkeit nicht bedacht worden. Wo verdammt ist Frau Wermes? zeigt auch nicht den Gegensatz zwischen verschiedene Ausprägungen unserer brüchigen Arbeitsgesellschaft, wo die Arbeitssuchenden lange, inhaltsleere Wartezeiten auf sich nehmen müssen, während die wichtigste Kontaktperson des Arbeitsamtes, Frau Wermes buchstäblich in ihrer Arbeit versinkt – denn sie versinkt im Betrachten der Postkarte ihrer Kollegin aus der Südsee in Neid! – und alle Mitarbeiter des Amtes haben wie sie vor, den Job nicht mehr korrekt auszuführen. Diese Polarität hätte natürlich ihre Reize! Dem Publikum sollte ja hoffentlich nicht ein amerikanisch-komödienhafter sinnentleerter Wohlfühlschluss vorgesetzt werden!                                                               

Auf alle Fälle ein lockeres und spannendes Bühnenereignis!

Besetzung

Hans Munk - Reporter
Simon Jaritz

Helga Wermes
Claudia Kottal

Informantin - Nr. 0815
Dora Balog

Franz
Daniel Keberle

Bildungsträger, Nr. 0809 - Der Esser, Nr. 0810 - Alte Frau
Marcel Mohab

Nr. 0811 - Gewinnerin, Nr. 0812 - Teenager, Nr. 0813 - Einsteigerin, Nr. 0814 - Schwangere
Anna Kramer

Regie
Caroline Welzl

Ausstattung
Stefanie Muther

Musik
Philipp Erasmus, Clemens Sainitzer
Weitere Szenenfotos gibt es auf https://www.flickr.com/photos/landestheaterniederoesterreich/sets/721576...

LitGes, im Mai 2015

Landestheater NÖ. Wo verdammt ist Frau Wermes?. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Landestheater NÖ: Lichter der Vorstadt. Uraufführung, Premiere: 22.04.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Ohne Arbeit kein Preis

Landestheater NÖ 28.4.2016
Lichter der Vorstadt
Nach Motiven und den Drehbüchern von Aki Kaurismäki
Fassung: Alexander Charim
Uraufführung
Premiere 22.4.2016

Aki Kaurismäki interessiert sich für Vorstadtfiguren, lässt in seinen Filmen immer wieder deren Arbeitsplätze oder Arbeitssituation vorkommen. Arbeit ist identitäts-stiftend und wie bei „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horvath ein gesellschaftliches Muss.

Insbesondere interessieren ihn Vorstadtfiguren, wie z.B. das Mädchen Iris, siehe sein Film „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (das letzte Kapitel seiner Trilogie, die mit „Schatten im Paradies“ begonnen hat und von Kaurismäki „Loser-Trilogie“ – nach dem Mann, der gegenüber der Frau weniger leicht mit dem Lebenzurecht kommt -  genannt worden ist).

In der Fassung von Alexander Charim sind außer dem  „Mädel aus der Streichholzfabrik“ noch Texte und Szenen aus „I Hired a Contract Killer“, „Wolken ziehen vorüber“ und „Der Mann ohne Vergangenheit“ ineinander und nacheinander verwoben.

Die Drehbühne mit dem Haus, das vierseitig bespielbar ist, leistet bühnentechnisch Großartiges. Besonders erwähnenswert, außer den hervorragenden Leistungen der SchauspielerInnen und Musikern ist die Idee der Personalisierung der Maschine, die eingangs und zwischen den Szenen zum Einsatz kommt. Das ganze Ensemble (12 Mann/Frau- hoch)steht en block in blauen Arbeitsuniformen wichtig und bedrohlich z. B. der einzelnen Arbeiterin Iris, Swintha Gersthofer gegenüber und zeugt von der massiven Bedeutung eine Arbeitstelle inne zu haben. Der Feind ist nicht ein Einzelner – wie der Chef, der Arbeiter entlässt -, sondern z.B. die Maschine.

Eine tolle Bearbeitung und Aufführung der Arbeiterkulur und -problematik in Form eines Arbeiter-, Vorstadtdramas ! 

Landestheater NÖ: Bürgerproduktion 4.0 Stadtgeschichte, 29.04.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Stadterneuerung

Landestheater NÖ 29.4.2016
Bürgerproduktion 4.0 Stadtgeschichte

Regie Renate Aichinger
Dramaturgie Matthias Asboth
Bühne Patrick Loibl

Kostüme Laura Malmberg
Produktionsleitung Stephan Pfister
Techn. Leitung Albert Haderer

Unter der Regie von Renate Aichinger, die im letzten Jahr mit der Bürgerproduktion 3.0 Glanzstoff den äußerst begehrten Nestroy-Preis bekam, ging es in die vierte Runde. Wiederum wurde ein Stationentheater an 8 Örtlichkeiten vorbereitet: Von der Leiner Auslage mit einem Gespräch des Ehepaares durch die Auslagenscheibe; weiter zu der  Sparkassa-Aula mit dem Gründungsbericht bzw. spaßigen Werbefeldzug zur Hauptstadterhebung St. Pöltens vor 30 Jahren, betitelt „Siegfried oder Die Generalmobilmachung“ von Michael Zieglwagner, dem Dom-Refektorium als Stätte der Einwanderer mit dem Sprechstück „Wir leben“  von Zdenka Becker; dem Pittner-Drama mit Norbert Pohl/Doris Figl als seine Enkelin zur Zeit Hitlers, betitelt: „Warten auf den Tod“ von der jüngsten Autorin Cornelia Travnicek; dem barocken Ambiente der Kirche und des Internats der Mary Ward- Räumlichkeiten mit „krosse töchter“, einem Blick auf die starken Frauen – krass krossen töchter - dieser Stadt von Renate Aichinger; dem Steingöttersaal mit dem Lebensdrama des begabten Dichters und Kunstreiters, -.reiterin Emil Alois Mario Ferdinand Hugo Vacano (1840-1892) in spannender Doppelrollenbesetzung „kein Blick zurück jetzt “ von Moritz Beichl und bis zum barocken Bürgermeisterzimmer mit dem Drama um den Bürgermeister von 1900-1905 Wilhelm Voelkl/Merten Gareiss, der die Stadt elektrifizierte, genannt „Illuminatus“ von Bernhard Moshammer.

Die Blasmusikkapelle der Musik- und Kunstschule St.P., 50 tatkräftige Unterstützer und über 50 St.Pöltner BürgerInnen als Laienschauspieler waren dabei und stürzen sich mit einem derartigen Können und Engagement in ihre Rollen, dass die Bewunderung und Spannung bis zum großen, gemeinsamen Auftritt am Riemerplatz keine Sekunde riss!

Niemand konnte glauben, dass in der Tat Laien die meist historischen St. Pöltner BürgerInnen so grandios, einfallsreich und authentisch verkörperten!

Das historische Ambiente und diese personifizierten Geschichten einer Stadt machen St. Pölten noch liebenswürdiger, lebendiger und den BürgerInnen, spielenden wie zuschauenden, enger verbunden!

Landestheater NÖ: Bürgerproduktion 4.0 Stadtgeschichte, 29.04.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Festspielhaus St.Pölten. Al Di Meola plays the Beatles and more. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Festspielhaus St. Pölten
Al Di Meola plays the Beatles and more
30.5.15, 19.30 Gr. Saal

Al Di Meolas Gitarre und die Songs der Beatles, wie passt das zusammen? Die Singstimme der Beatles, die jedermann im Ohr hat, ist natürlich weg. Völlig weg und nicht ersetzt durch nachahmende Weisen des Sturcz String Quartets. Al Di Meola macht keine Kompromisse! Auch wenn er z.B. „ With a little help fromm y friends“ oder „Eleanor Rigby“ fast unverändert lässt, so klingt es ohne Gesang doch völlig neu. Andere Songs, wie  „She,s leaving home“ –gegeben als erste Zugabe- oder „And I love her“ sind eher frei interpretiert und klingen jazzig. Perfekter Jazz-Sound legt sich über alle Liede, die da außerdem erklingen: Infinite desire, Benefit, Mawa, Esmeralda, Café 1930, Adour, Turqouise, Double Concerto …  Als zweite Zugabe und 17. Stück gab er „Mediterenean Sundance“ zum Besten

4o Jahre Showgeschäft haben den italienischen, schnellsten Gitarristen der Welt perfektioniert!

Eine hervorragende Vorstellung, eine außergewöhnliches Tributprogramm an die Beatles, mit dem Al di Meola und die ungarischer Streichband durch ganz Europa tourt!

LitGes, im Mai 2015

Festspielhaus St.Pölten: Cameron Carpenter. Rez.: Susanne Klinger

Susanne Klinger

Festspielaus St.Pölten.
Großer Saal. 23.Mai 2016, 19.30 Uhr 
Cameron Carpenter

Cameron Carpenter gilt als der exzentrischste Organist der Welt wenn man Recherchen glauben darf und dieser Abend hat dem wieder zur Genüge gereicht um diese Aussage zu bestätigen. Cameron Carpenter, ein Ausnahmekünstler im wahrsten Sinne des Wortes. 1981 in Pennsylvania, USA, geboren, hatte er schon im Alter von 11 Jahren seinen ersten großen Auftritt mit Sebastian Bachs Wohltemperierten Klavier. Er studiert Komposition und Orgel an der North Carolina School of the Art bei John E. Mitchener. Das Transkribieren, sprich die Umschreibung einer Notenschrift in eine andere, von mehr als über 100 Werke für die Orgel und eigene Kompositionen in dieser Zeit sind selbsterklärend.

Er wird als  "Bad Boy des Orgelspiels" bezeichnet und  andere preisen ihn als "Wladimir Horowitz seines Instruments", Fakt ist, seinem Orgelspiel zuzuhören macht ungemein Spaß und ist äußerst sexy. Mit seinen Beinen bei den Bassläufen ist er schneller als viele Pianisten mit ihren linken Händen. Hier die Augen davon zu lösen, ist fast unmöglich, ein virtuoses Zusammenspiel von Händen und Füßen, wobei der Körper selbst fast ausgleichend ruhig wirkt, so als wolle er dem  nicht im Wege stehen.

Dass Cameron Carpenter eine Liebesbeziehung mit seinem Instrument hat, (das er sich übrigens nach eigenen Plänen fertigstellen ließ, und sich damit einen Traum erfüllte), lässt sich nicht verleugnen. Ob es eine schonungslose Offenlegung der Seele eines genialen Musikers ist, wie es heißt, traue ich mir so nicht zu sagen, außer dieser Satz  würde selbst aus dem Munde des Künstlers so kommen. Jedoch, dass hier mit „vollem Einsatz“ gespielt wird, ist für jedermann ersichtlich.  Dieser Profimusiker ist einer, der sein Werkzeug beherrscht und so mitten im Zuhören und vor allem auch Zusehen kommen einem so Wortblitze wie Besessenheit oder Abhängigkeit in den Sinn, umgarnt von einer grenzenlosen Liebe zu seiner Gespielin und Weggefährtin – die nahezu perfekte Kombination von Beherrschung eines Instruments einerseits und  unglaublichen Liebe andererseits zu diesem, mit allem, was das Gefühlsspektrum dazu bereithält.

Ein gelungener Abend mit Werken von Richard Wagner, Johann Sebastian Bach,  Pjotr Illjitsch Tschaikowski und Louis Vierne und natürlich einer Improvisation vom Feinsten, deren geistiges Vorbereiten wir im Zuschauerraum beiwohnen durften. Es läuft einem ein Schauer über den Rücken, wenn hochkonzentriertes Arbeiten so offensichtlich wird!