Bühne

Landestheater NÖ: Räuber Hotzenplotz, 21.11.15. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Ein gelungener Kindernachmittag

Landestheater 21.11.15
Räuber Hotzenplotz
Von  Otfried Preußler
20. 11. 15 -30.4.16

Otfried Preußler, geb. 1923 schrieb diese Komödie 1962 und sie wurde in 55 Sprachen übersetzt. Genauso großen Erfolg hatte er mit der „Kleinen Hexe“ oder dem „Kleinen Gespenst“. Seine Werke erzielten eine Gesamtauflage von 45 Millionen.

In dieser Aufführung des Räuber Hotzenplotz müssen Sepperl und Kasperl die Kaffeemühle, die als Geschenk an die Großmutter gedacht war, dem Räuber Hotzenplotz wieder abluchsen, und das gelingt ihnen nach einigen Hindernissen natürlich.

Und was ist ein gelungener KinderTheaterNachmittag? Genau, wenn auch ich als begleitende Erwachsene (auch meine Tochter mit 10 Jahren mag nicht alleine hingehen, eh klar) quasi auf meine Kosten komme. Wie das geht -bei einem Theaterstück, das eigentlich für Kinder ist? Die Protagonisten sind hervorragend und verleiten uns Erwachsene von Anfang an dazu, auch mitzulachen (...der/die Kasperl/Liesa Weidenmüller ist ja echt herrlich...diese ausdruckstarke Mimik, ich wusste gar nicht das man/frau so herrlich starren kann, ja, und auch der Seppl/Simon Mantei ist ein kongenialer Partner - beide zusammenrocken und rappen manchesmal auch so witzig.)

Meine 10 jährige Tochter, anfangs nicht so begeistert von der Idee uns doch Räuber Hotzenplotz anzusehen (...was, das ist doch Theater für Kleine) ist von der ersten Minute an mit dabei und das noch vor Spielbeginn, weil doch dieser Seppl sich einen Schlafplatz im Publikum sucht, eine super Idee, sofort wird beobachtet und gesucht im Publikumsraum, ob doch noch irgendeine handelnde Figur irgendwo sitzt, liegt oder steht.

Die fast zwei Stunden mit einer kurzen Pause dazwischen vergehen wie im Fluge. Der Geschichte kann Kind folgen, das Bühnenbild, Requisite von Klaus Wintersteller, ist urlieb gestaltet und die Kostüme sind mitunter wunderschön und auch ein bisschen schräg (also der Polizist lässt mich immer an Freddie Mercury denken und auch meine Sitznachbarin denkt dasselbe:) und die bezaubernde Fee/Christine Jirko hat ein pompöses Feenkleid an, wie es sich eben gehört. Ja, und beim Gedanken an diesen immer wieder erwähnten Zwetschkenkuchen mit Schlag läuft mir heute noch das Wasser im Mund zusammen.

Kritik, wenn überhaupt, ganz kurz am Rande erwähnt: Der weiße Sand ist eigentlich lila (sagt mir die kleine Lady neben mir - Kinder sind eben ein aufmerksames Publikum ) und diese Sache mit dem "Bauch aufschlitzen", würde ich nochmal überdenken. Bei diesem Potential an 5 bis 6-Jährigen im Publikum bekommt man/frau diese Aussage garantiert 2 bis 3 Wochen später zum falschen Zeitpunkt beim Essen mit Omi serviert und keiner weiß mehr, woher das kommt.

Insgesamt vergebe ich ****,* Sterne von *****, weil es einfach kurzweilige lustige 2 Stunden waren.

LitGes, im November  2015

Festspielhaus St. Pölten, Neujahrskonzert, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Wieso man nach dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker noch das Neujahrskonzert des Tonkünstler-Orchesters NÖ anhören kann

Neujahrskonzert 1.1. 2015, 19.30 Festspielhaus St. Pölten, Gr. Haus
Tonkünstler Orchester NÖ
Bernarda Bobro  Sopran
Alfred Eschwé  Dirigent

Das in St. Pöltens Festspielhaus präsentierte Neujahrskonzert unter Alfred Eschwé ist das erste von ca. 12 Aufführungen und wird von der Sopranistin Bernarda Bobro, die Strauß-Ouvertüren neben italienischen Arien und Operetten als Lieblingsrepertoire angibt, gesanglich getragen.

Sie war bis 2005 fünf Jahre an der Volksoper tätig und ist nun als freiberufliche Sängerin von Hamburg bis Neapel engagiert und von den Salzburger Festspielen bis zu den Bregenzer Festspielen unterwegs. Ihr zartes Timbre und ihr einfühlsamer jubelnder (Das Gretchen vor dem Spiegel aus “Faust“ von Charles Gounod sowie die Norina in „So ancho io la virtú“ aus „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti) oder spitzbübisch spöttischer Vortrag (Carl Millöcker „Höchste Lust und tiefstes Leid“) passte wie der emanzipierte strengere Ton bei Joh. Strauss „Was mir der  Zufall gab aus „eine Nacht in Venedig“ zum Inhalt der jeweiligen Arien. - Hier sei ein Dank an den Programmgestalter Alexander Moore, ausgesprochen, der die Textpassagen auch in deutscher Übersetzung ins Programmheft des Abends drucken ließ! –

Alfred Eschwé ist als begeisterter wie begeisternder Dirigent bekannt und kam mit seiner launigen Moderation bestens an!.Das Lächeln, die gut gewählten Zwischentexte und Informationen zur Stückauswahl und deren Inhalte sowie die Hinwendung zum Publikum, nicht nur bei der Anweisung zu dem rhythmischen Klatschen der Zuhörerschaft, waren ein wichtiges Element des Konzertes und schweißten Musikstücke wie Publikum und Interpreten zusammen.

Ein sehr schwungvolles Konzert! Ein hervorragender Auftakt für ein Neues Jahr im Festspielhaus!

LitGes, im Jänner 2015

Festival 2016 Glatt & Verkehrt im Schloss Spitz, 16.7.2016: Erwin Steinhauer & klezmer reloaded extended: Ich bin ein Durchschnittswiener. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Festival 2016 Glatt & Verkehrt im Schloss Spitz, 16.7.2016
Erwin Steinhauer & klezmer reloaded extended:
Ich bin ein Durchschnittswiener

Erwin Steinhauer mit klezmer reloaded extended = KRE ist auf Sommertour!
Am Bass Christoph Petschina, Akkordeon Alexander Shevchenko, Klarinette/Duduk Maciej Golebiowski, Perkussion Peter Rosmanith. Mit gleicher Besetzung ist aus dem Mandelbaumverlag 2015 die dazugehörige CD mit 15 Songtexten um 25,- Euro zu haben. Denn bei „Schnucki, ach Schnucki“, einem der späteren Lieder von 1952, kennt man den Text vielleicht noch, aber bei „Ich bin ein unverbesserlicher Optimist“ geht einem sicherlich der Text aus. Das der Veranstaltung titelgebende Wienerlied  „Ich bin ein Durchschnitts-Wiener, dabei ein feiner Mann“ trifft natürlich auf viele zu. Bei fast allen Liedinhalten kann sich der Durchschnittsösterreicher wiedererkennen und köstlich schmunzeln. Leopoldi wollte allerdings nicht nur unterhalten, sondern auch berühren.

Und das ist Erwin Steinhauer mit seiner Band und den Neuinterpretationen von Leopoldis Musikschatz glorreich gelungen.

Hermann Leopoldi (1888-1959), begleitete sich ursprünglich selbst am Klavier und ging in der Zwischenkriegszeit von Wien, Prag, Budapest etc. bereits auf Tournee. Er nahm seinen Humor ins KZ nach Dachau und Buchenwald und später nach dem Freikauf durch seine Schwiegereltern ins Exil nach Amerika mit. Er wahrte ihn, was man getrost ein Wunder nennen kann, und spielte vor 3000 bis 4000 Leuten in Pittsbourg, Cleveland, Baltimore, NY usw. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er einer der Wenigen, die offiziell von Österreich zur Rückkehr eingeladen wurden. Und er kam, wie auch Karl Farkas! Vielleicht weil er ein „unverbesserlicher Optimist“ wie in seinem gleichlautenden Lied von 1929 war.


Steinhauer und seine kongenialen Musiker wagen sich nicht nur an das traditionsreiche Wienerlied, sei es als Tango oder Foxtrott oder im Kletzmer-Stil, oft mit osteuropäischen oder- südeuropäschen Einflüssen garniert, sondern sie schaffen es,  das Publikum zu bewegen, zu begeistern und mittels der Liedauswahl zur Gegenwart den Bezug herzustellen.

Ein köstlicher Abend!
 

Landestheater NÖ: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, 25.11.15. Rez.: Susanne Klinger

Susanne Klinger

Landestheater 25.11.15, Werkstattbühne, Klassenzimmertheater
Regie Michael Schlecht
Dramaturgie Julia Engelmayer
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß mit Jan Walter/ Monolog

…ist der erste Roman von Robert Musil ( 1880 bis 1942 ) und erschien 1906. Vermutet werden autobiographische Züge, da Musil sowie sein Protagonist im Roman - der Zögling Törleß, eine Mititärerziehungsanstalt in Wien besuchten, um eine angestrebte Offizierslaufbahn zu verwirklichen.

In vielen Rezensionen hat man sich schon darüber den Kopf zerbrochen, was Musil hier „zu Sprache bringt“, bzw. was hier Jan WALTER, genial umgesetzt, uns vermitteln möchte.

Der Roman selbst widerspiegelt autoritäre Gesellschaftsstrukturen und gleichzeitig lässt er uns eintauchen in den mitunter verwirrten Geisteszustand eines jungen Erwachsenen, der auf der Suche ist, heutzutage würde man es als Identitätssuche bezeichnen. Törleß ist ein junger Mann, den Fragen über das DASEIN beschäftigen, der den Sinn des Lebens versucht zu verstehen und darüber hinaus in der  Beschäftigung  mit dem Gegenüber auch seinen eigenen Abgründen begegnet.

….. gegen Ende des Romans konstatiert der Erzähler: „Eine Entwicklung war abgeschlossen. Die Seele hatte einen neuen Jahresring angesetzt wie ein junger Baum – dieses noch wortlose, überwältigende Gefühl entschuldigte alles, was geschehen war.“ …..

Faszinierend war für mich die Umsetzung als Klassenzimmertheater. Selbst hab ich Klassenzimmer-theater in meiner Schulzeit nie erlebt und war deswegen auch sehr neugierig auf die Umsetzung.

Von Anfang an zieht mich die schauspielerische Leistung von Jan WALTER in den Bann. Er wagt es, durchaus auch sehr anzüglich, fast auch dreist, uns Zuschauer mitreinzubeziehen und trotzdem verzeiht mann/frau es in der Sekunde weil dieses Miteinbeziehen gleichzeitig den Atem anhalten lässt und  die Frage aufwirft „ ist es das – oder geht er noch einen Schritt weiter?“ - genial.

In diesen 50 Minuten ist dermaßen viel eingepackt an großartig vorgetragenen Monologen ( einzige Kritik: die sind mir manches Mal zu schnell vorgetragen )und Dialogen ( Jan WALTER spielt in kurzen Momenten gleichzeitig schon mal 4 Personen ) das ich nicht umhin kann, mir dieses Stück ein zweites Mal anzusehen. Nochmal den Atem anhalten und nochmal daran erinnert werden wie diese Zeit vom Jugendlichen zum Erwachsenen damals geprägt war von geistigen Höhenflügen und  mitunter niederschmetternden Wahrheiten, wie sehr wir auf der Suche sind und Antworten wollen, und dabei unsere eigenen moralischen Ansprüche schon mal hintanstellen, wenn es darum geht Antworten zu finden.

LitGes, im November  2015

Landestheater NÖ, Traummaschine. Freud-Projekt, Rez.: Ernst Punz

Ernst Punz
Schaubude, Spiegelkabinett, Projektionslabor

Premiere von „Traummaschine. Freud-Projekt“ von Bernd Liepold-Mosser 
in der Werkstatt des Landestheaters Niederösterreich am 17.01.2015.

 

 „Treten sie näher, kommen sie ran. Hier sehen sie die außergewöhnlichsten Abnormitäten der menschlichen Psyche. Staunen sie, lachen sie, grauen sie sich und seien sie froh, dass nicht sie es sind. Oder vielleicht doch?“ 

Leonardo da Vinci, der große Künstler und Erfinder, schlicht das große Universalgenie der Renaissancezeit, hat sich unter anderem auch für das Innenleben des Menschen interessiert. Nein, nicht für die Psyche, für den Körper. Dabei musste er mit großen Schwierigkeiten kämpfen. Das Sezieren eines menschlichen Körpers war grundsätzlich verboten und nur mit Genehmigung von höchster politischer Instanz erlaubt. Trotz ausnahmsweiser Erlaubnis gab´s nur streng rationierte Pathologiehäppchen. Eine weitere Schwierigkeit mit der da Vinci fertig werden musste, waren die damals fehlenden Kühl- und Konservierungsmethoden, die Haltbarmachung der Leichen und Körperteile war folglich nicht ganz einfach. Bis ein Auge die notwendige Festigkeit erhielt, um es sezieren zu können, brauchte es zahlreiche Versuche. Die Lösung bestand im Kochen in Eiklar, aber darauf musste man erst einmal kommen. 

Sigmund Freud hatte es auch nicht ganz leicht. Wie seziert man eine Psyche? Wie kommt man hinein in dieses körperlich nicht fassbare Gebilde, dieses flüchtige Gespinst. Nach Versuchen mit Hypnose und Drogen, Stichwort Kokain, fand er schließlich mit der Traumdeutung die via regia, den Königsweg, ins hinterste Kämmerlein, zum menschlichen Spiegelorgan, zur Psyche. Und daraus entwickelte er schließlich die Psychoanalyse. Was er in der Psyche fand, war nicht unbedingt angenehm und leicht auszuhalten. Vielleicht ist es Freud und da Vinci ähnlich ergangen, vielleicht graute Ihnen vor ihren Werkstücken. Doch die Neugier, der Wissensdurst und der Wille, Ursachen und Heilung für Krankheiten zu finden, waren stärker. 

Vor hundert Jahren noch gab es Schaubuden, in denen körperliche Abnormitäten und Besonderheiten ausgestellt wurden und gegen Bezahlung besichtigt werden konnten: Die bärtige Jungfrau, der größte Mensch, der kleinste Mensch, der in Spiritus eingelegte Fötus mit zwei Köpfen, das Glied eines Wals. Es brauchte einige Zeit, bis die Sensationslust der Zuschauer befriedigt war und bis moderne Sichtweisen klarmachten, dass es sich hier um empfindende Wesen handelt und die Schaugier erniedrigend wirken kann. Außer vielleicht beim Wal, den kratzt das nicht mehr. 

Auch mit Freuds Entdeckungen wurde viel Schindluder getrieben. Begriffe, die im Rahmen der Psychoanalyse und Psychotherapie ihre guten Dienste leisten, wurden auf den Markt geschmissen und werden seitdem oftmals falsch, zweckentfremdet und sinnentstellt verwendet. So als ob man eine Apotheke plündert und die Pillen wie Zuckerln unter die Leute schmeißt. Halbgebildete werfen mit psychiatrische Diagnosen um sich und Mütter halten Freud gar für den Gott-sei-bei-uns, weil er ihnen angeblich die Generalschuld für alles unterschoben hat: „Die Mutter ist an allem schuld!“. Einige werden sagen, selber schuld, hätte er nicht so viele Bücher geschrieben und veröffentlicht. Gegenfrage: „Was wüssten wir über uns ohne sein weit verbreitetes Wissen?“ 

Seit 17. Jänner 2015 werden in der Werkstatt des Landestheaters Niederösterreich psychische Abnormitäten und Besonderheiten ausgestellt und können gegen Bezahlung besichtigt werden: Neurosen, Psychosen, Traumatisierungen, Verdrängungen, Frigidität, Impotenz, Inkontinenz, Kastrationsangst, Penisneid, sexueller Missbrauch, Süchte, Tics, Tötungswunsch, Selbstzerstörung. Ein Freudsches Versprechen: In diesem Psychoptikum ist für alle was dabei. Autor und Regisseur Bernd Liepold-Mosser hat sein Mögliches getan, die schwere Kost und die ausgesuchten Grauslichkeiten halbwegs verdaulich auf die Bühne zu bringen, manchen werden sie dennoch wie ein Stein im Bauch liegen. 

Hundert Jahre nach den Schaubuden erfreuen sich die Menschen in hochmodernen Ausstellungen an hygienisch und appetitlich zubereiteten Präsentationen des körperlichen Innenlebens ihrer Spezies, den sogenannten Plastifizierungen. Bis Psychifizierungen erfunden werden, müssen die Schauspieler Helmut Wiesinger, Christine Jirku, Michael Scherff, Lisa Weidenmüller sowie Nadine Zeindl weiter knietief in den Untiefen der menschlichen Psyche waten und brauchen vor allem ein gesundes Organ: Einen guten Magen.

LitGes, im Jänner 2015