Heil-Froh / Etcetera 88 / Essay / René Kürben: Die Entlarvung der Papstlüge

Eine gnadenlose Enthauptung katholischer Oberhäupter –
Ein Essay

Am Anfang war das Wort, logisch. Und es war bei Gott. Dann kamen die Prediger, kleideten sich in kostbare Gewänder und sprachen über Gott. Mit ihnen kamen die Reden. Den
Ministranten verkündeten sie Wasser und versprachen ihnen himmlische Geheimnisse.
Dieses Siegel wurde nach jahrzehntelangen Entstaubungsversuchen endlich aufgebrochen. Weltliche Be-Richter haben den stumpf gewordenen Spiegel der Beichtgeheimnisse auf den Tisch geknallt. Es kann nicht mehr geleugnet werden: Seelsorger haben über die Seelen, die sie von Schuld absolvieren sollten, die sich ihnen in gutem Glauben anvertraut haben, einen Berg an Sorgen getürmt. Nun folgen die Ausreden der Absolutionisten. Aus den Scherben blöken Unschuldslämmer.
Mit haarspalterischer, spitzfindiger Eloquenz reden sie sich heraus.
Das Missbrauchs-Bösachten der Wahrheitssucher lässt jedoch nur eine Buß-Folgerung für die Kardinäle der Münchner Erzdiözese zu: Zerreißt ihre Gewänder, doch werft nicht das Los über sie. Das sollen die Absolutionsexperten selbst tun, bis ihre Reue allen ein-sichtig wird. Die Opfer aber rehabilitert vollumfänglich und von den Staats-Gehältern der Hehler und Täter entschädigt sie angemessen.
Wie sich der bajuwarische Papst aus den Kardinalsverfehlungen windet, ähnelt dem Gebaren eines getroffenen Platzhirschen. Rechtzeitig hat er sich jenseits der Alpen in ein Austrags-Kloster der Vatikanischen Gärten zurückgezogen. Von dort hat er schon manche Auslassungen korrigiert. Mit bald 95 Jahren habe er jedoch noch immer ein gutes Langzeitgedächtnis, behauptet er in seiner wiederholt redigierten Stellung-Nahme gegen die juristische Beweislast. Darin nimmt er die Stellung ein: Die anderen waren zuständig für die unzumutbaren Zustände. Ich war der Hüter des guten Wortes, der Frohen Botschaft. Wie Pilatus schreibt er sich selbst frei. Und wahrlich, er hat viele Seiten geschrieben, hat mit dem „Licht der Welt“ Erleuchtung vorgeblendet, damit die Wahrheit im Schatten bleibe. Täglich hat er seine Hände in Unschuld von Ministranten waschen lassen. Wenn er sich folglich bis heute nicht erinnern könne, ein Verbrechen gesehen zu haben, dann sei das seine benefizierte Tatsache.
Dennoch bete er, Benedikt XVI., für alle Schuldigen und Unschuldigen.
Das einzig Schwere, das die Hochwürden-Träger auf sich geladen haben, ist Schuld. Erb-Schuld und Buße haben sie ihren Gläubigen eingetrichtert mit unsäglicher seelischer Grausamkeit. Sie verwalten allein das Erbe. Auf ein Vergelt‘s Gott sollten sie nicht hoffen. Eigene Schuld lässt sich nicht wegbeten.
Vielleicht hat Benedikt XVI. deshalb die Tiara im Petersdom abgelegt. Den Bischofshut hat er in den Sakristeischrank hängen lassen. Er zelebriert Privatissime-Messen in der Kapelle der Enklave Mater Ecclesiae. Aus der Unfehlbarkeits-Verfehlung könnte der Emeritierte nur durch den zweiten Fort-Schritt gelangen: Der Kirchendogmatiker aus dem Voralpenland nimmt in seinen letzten Erdentagen als Privatmann ohne Meriten-Zwang wieder den Filzhut mit Gamsbart als Buß-Symbol und er widerruft den Unfehlbarkeitsanspruch der Petri-Nachfolger. Kosequenterweise zöge er den Ring der Menschenfischer vom Finger und würfe ihn dem Walfisch zu, der die wahre Prophezeiung ans Ufer von Ninife speien wird. Weil es nicht mehr zum Sagen ist und einem die Worte im Mund stecken bleiben angesichts der Unfassbarkeit penetranter Abwiegelungsfloskeln entscheidungsbefugter kirchlicher Verantwortungs-Funktionäre, bleibt allein die Reduktion auf den Kern der Sache. In der Sprache und in Bildern liegen sie sich angesichts des verfilzten Verdrängungs-Systems auf der Hand.
Beim Barte des Propheten, ein Gamsbart ist nicht der Kinnbart einer Gämse. Zum büschelförmigen Fassen solcher Männlichkeitspinsel werden die dunklen Grannenhaare am Rücken, der Aal-Streif, erwachsener Gams-Böcke verwendet.
Davon soll der „Reif“, das sind die hellen Spitzen, als besonderer Hingucker von den Erlegten ablenken. Seine haarige Zier wippt auf einem Filzhut, mag er auch so bleich gefärbt sein wie der weiße Talar des Papa emeritus. Heilig ist ein solcher Vater niemals zu sprechen und des Heils wird er nimmer froh werden – weder im Himmel noch auf Erden.
Das elastische und knitterfreie Filz-Material ist von lebenden Schafen gewonnene Rohwolle. Weiterhin ist der Filz schallhemmend und isoliert gegen Umwelt-Einsichten. Wollfilz besitzt hohe Saugfähigkeit, er kann aber das Aufgenommene ebenso gut und schnell wieder abgeben. Vor allem ist Filz schwer entflammbar. Ob er dem kommenden höllischen Feuer standhalten kann?
Weil die Filzfasern kaum trennbar sind, sind sie zum Identitätszeichen des bedingungslosen Gehorsams gegenüber der mystischen Union geworden, die man nicht zu Günstlingswirtschaft, Klientel-, sprich Klerikalpolitik, Klüngel, Korruption, Nepotismus, Seilschaft, Vetternwirtschaft, herabwerten darf. In der Herkunftsheimat des Rat-Singer-Josephs nennt man solche speziellen Verbandelungen Spezlwirtschaft. Bei den Missbrauchsvertuschungen geht es aber um Ahndungs- Unterlassung und Mitwisserschaft krimineller Handlungen, die selbst der Codex Juris Canonici (Kirchenrecht) als Ausschlusskriterien für die Ordinationstauglichkeit ihrer Priester- Amtskandidaten anführt.
Es handelt sich um eine episkopale Vertuschungsstruktur in mafiosem Stil. Die Täter hätten widersprochen, keiner habe es gesehen, was geschehen. Erbarmen müsse walten über kranke Gestalten. Die kein Mitleid kannten, flehen nun um Erbarmen und Einsehen. Den Herrn bitten sie um Gnade und Güte. Jedoch Güte folgt nicht auf Lüge. Welchen Herrn werden sie noch bitten können? Er hat sie längst verlassen die Eminenzen und Exzellenzen wie einst die Pharisäer aus den Tempeln. Blasphemisch ist es den Opfern gegenüber von einer Missbrauchs-Kultur zu reden.

Kein Weg ist kurz genug, auch nicht der synodale, um das unsägliche Leid sofort zu stoppen. Das rechtsanwaltliche Gutachten über die Untersuchung zum „Sexuellen Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019“ bedeutet den Super-GAU der römischen Kurie und ihrer klerikalen Klüngel-Krypta. Auf diesem Sumpf ist keine Felsenburg zu bauen. Es darf keine Sekunde gezögert werden, die Ära des Hinauszögerns via Übertuschung trocken zu legen.
Das gelingt nur von außen ohne Litaneien leer gedroschener Worthülsen.
Der Herr wird sich die holen, die an Hecken und Zäunen das Leben in Fülle haben. Sie werden Worte der Wahrheit reden im Neuen Reich der Aufrechten. Und dieser Aufbruch kann die Welt lebensfroh stimmen. Die Lügner aber werden am Rande stehen und sie werden weiterhin jene des Ungehorsams bezichtigen.

 

René Kürben
Geb.1949, Erzählungen, Kurzgeschichten, Lyrik in Literaturmagazinen und Anthologien. Rezensionen in Tageszeitungen und online. Diverse Einzelveröffentlichungen (Prosa, Lyrik). Homepage: https://heinerbrueckner.jimdofree.com/