Heil-Froh / Etcetera 88 / Heftkünstlerin / Susanns Kos

Das Interview führte Eva Riebler

Liebe Susanne, welches Talent musste als erstes heraus, Deine Zeichen- und Malbegabung oder Deine Lust aufs Texteschreiben?
Die Malerei, aber zuerst studierte ich Theaterwissenschaft und war Regieassistentin am Stadttheater Klagenfurt und führte dann in Wien Regie in einem Kellertheater und erst mit 27 Jahren bemerkte ich, dass ich beim Theater, um künstlerisch arbeiten zu können, abhängig davon bin, dass ein Team zusammenkommt. Es kam mir auch fremd vor, als Regisseurin stets die Leute zu dirigieren. Ich wollte eine Kunstform finden, in der ich alleine künstlerisch
tätig sein kann. So studierte ich zuerst in England Kunsttherapie, und zwar Maltherapie und übte diesen Beruf drei Jahre in Deutschland und der Schweiz aus.

Wieso studiertest Du nicht in Wien?
Das gab es nur in Deutschland und UK. Und die Maltherapieausbildung war der Anstoß zum künstlerischen Malen.

Du widmest Dich seit über 40 Jahren der Malerei. Was fasziniert Dich besonders?
Meine Suche gilt eigentlich dem Wesen der Farbe. Die expressive Malweise und die Farben im Besonderen bestimmen meine Malerei. Der Klang der Farben und ihr jeweiliges Eigensein haben mich immer bewegt. Ich beobachte das Zusammenspiel der Farben, z. B. zwischen einem warmen Rot und einem bestimmten Blau. Oder jetzt male ich in Türkis und Gelbgrün kombiniert mit Orangerot und setzte Schwarz als Kontrast …

Siehst Du Änderungen in Deinem Programm, Malstil, Motivauswahl oder Malduktus ….. ?
In den letzten Jahren scheinen die Kompositionen klarer und kompakter zu werden. Lange Jahre war die abstrakte Landschaftsmalerei von mir bevorzugt, jetzt geht es stark in die rein farbig abstrakte Malerei.

Du hast einen offenen, bewegten Malstil, war das immer so?
Ja schon, denn beim Malen im Sommer im Freien, bei der abstrakten Landschaftsmalerei, bestimmen die Elemente z.B. der bewegte Kamp oder die ruhige Thaya den Stil. Dadurch kommt Dynamik in meine Bilder.

Du machst keine Naturfotos oder –skizzen, nach denen Du dann im Atelier malst?
Nein, ich bin unterwegs wie ein Handwerker, mit Rollwagerl und Rucksack …

Und Staffelei?
Nein, ich lege die Papiere auf den Boden.

120x80 große Papiere! Und Schiefermehl, Wachsfarben und Ölkreide oder Pastellkreide schleppst Du außerdem mit!
Ja und den Sonnenhut, denn man ist der Sonne ausgesetzt – das werden dann ganz andere Bilder als im Winter in meinem Atelier in Wien.

Du bist seit 69 Jahren in Wien und im Sommer im Waldviertel. Bist Du dort in Großmutters Haus?
Fast, meine Mutter war zwar auch Wienerin, aber sie wollte immer als Sehnsuchtsort ins Waldviertel und da erwarb sie vor 30 Jahren ein altes Bauernhaus, in dem auch meine Schwester im Sommer wohnt.

Als ich Dich heuer bei einem Lyrikseminar in Horn kennen lernte, dachte ich nicht, dass Du aus Wien, sondern dass Du aus dem Waldviertel bist.
Ja, im Sommer bin ich eben in meinem Atelier in der Nähe von Allensteig und im Winter in Wien, wo dann die Bilder ruhige, große Flächen aufweisen.

Malen ist für Dich Poesie und in der Dichtkunst bevorzugst Du auch die Poesie, die Lyrik – warum?
Die kurze Form, der Rhythmus, die Bildhaftigkeit. Die Sprache kommt zu mir in dieser Form.

Gab es für Dich Vorbilder bei der Dichtkunst?
Ingeborg Bachmann, ihre Lyrik ist Gesang und die Bilder voller Geheimnisse.

Welche Werke liebst Du besonders?
Ihre Gedichte: Nebelland, Böhmen liegt am Meer, Erklär` mir Liebe, Die große Fracht, das ganz bekannte: Die gestundete Zeit, Im Gewitter der Rosen... …

Auch Ihre Romane?
Ja, vor allem: Malina und die Erzählung „Das dreißigste Jahr“. Und Du schriebst nie Prosa? Ich kann es nicht! Zu viele Worte werden in meinem Mund unverdaulich!

Ich fand ein Lyrik-Buch von Heinz Janisch, das du illustriert hattest. Wie war da Deine Ideenfindung?
Meine Bilder (Monografien) waren inspiriert durch die Gedichte von Heinz Janisch, die mit dem Meer und dem Reisen im Süden beschäftigt sind. Daraus haben sich Blaue Horizontgestade Bilder ergeben.

Welche Bedeutung haben oder hatten je Türme für Dich? Unser letztes Heftthema hieß nämlich Turm. Was assoziierst Du als Wienerin mit Donauturm, Stephansturmturm - Wehrturm …?
Der Donauturm er dreht, der Stephansturm hat eine Himmelsleiter, der Flakturm ein monolithisches Verbrechen.

Unser jetziges Heftthema ist HEIL-FROH. Was inspiriert Dich dabei besonders?
Deine Assoziationen?

Zuerst bin ich vor dem Wort zurückgeschreckt aus historischen Gründen, dann kam zu mir das heile, heile Segen des Kinderspruches. Dem Wort wohnt eine Magie inne und es ist mutig von dir, nicht vor dem vergangenen Missbrauch zurückzuweichen.

Heil bedeutet vielleicht „gesund oder ganz” – oder was bedeutet es für Dich?
Ja, viele schöne Begriffe gehören zu diesem Wort: wie unbeschadet, unverletzt, wieder gesund. Begnadigung, Erlösung. Ist gerade in unserem aktuellen Zeitgeschehen eine Wohltat.

Ist HEIL ein konfliktbesessenes Wort, das aus unserem Wortschatz gestrichen werden soll?
Nein, es ist gut damit umzugehen und vergangenen Missbrauch zu heilen.

Als HEILFROH hat das Frohe eine gewisse Steigerung bekommen im Sinne von „besonders froh“ – kannst Du da differenzieren?
Es bekommt das Froh ein Halleluja durch das Heil.

Dann bedanke ich mich für den tiefen Blick in Dein Leben und Deine Kunst. Ich lass Dich in Deiner Werkstätte für Kunst und Kultur im 2. Bezirk, die Du vor 24 Jahren gegründet hast, Deiner Arbeit nachgehen!

 

Susanne Kos
Geb.1952 in Wien, Studium der Theaterwissenschaft. Arbeit als Regisseurin und Schauspielerin. Maltherapieausbildung in Gloucester/ England und Besuch des Malseminars B. Ketterlinus in Stuttgart. Internationale Sommerakademie in Salzburg bei Prof. Günther Damisch, Gastjahr auf der Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse für Graphik. Gründung der Werkstätte für Kunst und Kultur in Wien, 1998. Lebt und arbeitet in Wien und im Waldviertel.

 

 

Heftcover und Bilder sind dem Folder Kamp forever, den Zeichnungen, den Serien Nebelkamp, Kamp und Schlucht 2011-2015 entnommen.
Siehe www.susanne-kos.

bild_susanne_kos.jpg

© Susanne Kos
© Susanne Kos