90/Unter Wolken/Lyrik/Hermann Niklas: Journal der Absenz (Auszug)

Nacht. Was ich will.
Steht in dunklen Linien der Nacht.
Die Terrassentür auf.
Die Abfolge der Handgriffe / ein Stakkato aus Mechanik.
// mein Matratzenabdruck ein Geist.
Anweisungen, die mir fehlen werden: du schläfst /sicher schläfst du / hoffentlich schläfst du sicher
es soll schlummern in dir, bei dir
leise
wie ein Atem
der sein Gehör darauf richtet
wer es ist
der da atmet
und beruhigt
von sich selbst
schläft

unter dem Augenlid am Ziliarkörper liegst du am ausgetrockneten Schlaf
auf lederner Haut die dich in den Norden Ghanas bringt / wo sie mit Blasen schwimmt in eisernen Töpfen, / der Himmel
wie Gift ist du wagst nicht zu atmen / dort wirst du erwachen und an der Stille dich messen / die Hütten sind rund sie
verweigern die Kanten / der Boden gestampft aus trockenen Lehm und dem Saft roter Nüsse / dort wirst du die Beine
bewegen bedächtig und zart / den Moment schon erwarten gegen den du stößt / in dem Schlaf plötzlich sein aus dem
du erwachst / unter dem Lid des Auges das andere nun / und der Schlaf ist nicht trocken: er hat Tau an der Haut

das Hemd aus Welt
am Lungenbläschenast
wir atmen schwer
an Heimat

nichts will ich sagen nichts von der Trauer zwischen den Säulen in der Luft will ich etwas sagen das nichts ist das so sanft
so wenig so zart wie nichts ist als nichts ist es wie ein einzelnes Blatt eines Zweigs eines Asts eines Baums der fällt weil
er loslässt nicht mehr halten will was wenig ist und im Weggehen des Wenigen das Gewicht sich selbst erahnt im Fallen
ist die Luft wie Pölster die nicht sprechen die nichts sagen nichts

das Buch, das durch das Dunkle kam, verdrehte Hände und die Körner des Schelfs: wir haben bewegliche Leuchtturme
auf offener See, Bäume in Wüsten und eine Welle an Land. Jeder einzelne Finger befeuchtet bekanntgemacht mit Papier
klebt erst trocknet eröffnet Räume, die aus Zellulose bestehen, handgemacht und schön: darin darunter stehen wir

die Tage sind weiß und unentdeckt
wir sehen die Bewegungen sind langsam unseren Händen
wird es bloß langsam kalt die Haut dreht sich
der Wind bläst ins Gesicht
vor dem wir uns wenden
der Tanz hat uns gehabt
das Beugen des Knies

 

Hermann Niklas
1976 in Marbach an der kleinen Erlauf/NÖ geboren, Studien der Geschichte und der Sozialpädagogik, lebt als Schriftsteller und Politischer Bildner mit seiner Familie in Wien. Sprecher für verschiedene Ensembles für Improvisationsmusik, gemeinsam mit Maria Seisenbacher bildet er das literarische Projektteam WORTWERFT. Stipendien zuletzt: Artist in Residence Casa Litterarum Paliano/Italien, Österreichischen Gesellschaft für Literatur, 2022. Publikation zuletzt: WETTER. Gedichte, Innsbruck/Wien: Limbus Lyrik, 2020. ZWEI. instant poetry and improvised music, Hermann Niklas und Divine Musical Bureau, CD, Wien, Session Work Records, 2022. Projekt zuletzt: WUTBOX. Ein Projekt für Politische Bildung und Literatur (noch bis Dezember 2022): https://wutbox.xpe.at/?state=menu
Webseite:www.niklashermann.com