in der schürze sammelt die großmutter
samen, monat für monat neue, sie gleiten
durch die geäderten finger, die roten
und gelben und dunkelvioletten samen
fürs nächste jahr, wohl ausgewählt,
damit der garten blüht wie im sommer zuvor
und im sommer zuvor, der mohn
und der rittersporn und die bohnen und
immer so fort, ich weiß gar nicht, wann
er das erste mal da war, der garten
***
auf dem plastikstuhl unter der linde
liegt hin und wieder ein blütenblatt,
ein abgebrochener zweig, honigtau,
dann wischt die großmutter mit der schürze
darüber, sitzt eine weile im schatten,
ohne die schwarzen wollsocken
oder das kopftuch abzulegen, sitzt da
wie hingeweht und regt sich nicht,
während die gerillte sitzfläche
ganz warm wird

Ulla Schuh
Geb. 1978 in Nürnberg. Studierte Germanistik und Geschichte in Erlangen und Wien. Sie arbeitet als Lehrerin an einem Gymnasium und leitet eine Schreibwerkstatt für Jugendliche. Veröffentlichungen von Lyrik und Prosa in Literaturzeitschriften (Wortlaut 27, Wortlaut 28, DUM 99, Am Erker 82, introspektiv #3)