94 / Herz&Haut / Lyrik / Jan-Eike Hornauer: Nachts im OP u. a.

Nachts im OP
… und Hoffnung schiebt dir nun mit dem Katheter
der Kardiologe unter deine Haut.
Ihr sprecht, das hilft, und lacht gar laut;
dabei geht’s vorwärts, viele Zentimeter.

Du spürst den Schlauch in dir, das sanfte Drücken,
wie er vom Handgelenk zum Herz hinstrebt.
Der Arzt wirkt sicher. – Dass man überlebt,
selbst diesen Großinfarkt, ja, hier kann’s glücken,

das weißt du. Und bist ohnehin zufrieden:
Von Schmerzen, dass man nach dem Tod fast schreit,
so glühend, zehrend, bist du frisch befreit.

Nun kurz mal still, bedacht und schweigend liegen:
Es hakt. Der Doc ruckt sachte her und hin
– und ist bald drauf in deinem Herz schon drin …

So eine Art Liebesgedicht
Ja, wenn Du schwitzt, ist das erotisch.
Das kommt, weil ich verschossen bin.
Die Liebe ist an sich despotisch.
Und herrscht sie erst, ist alles drin.

Ja, wenn Du sprichst, ist das entzückend.
Denn hormonell, da seh ich’s so,
dies sich’re Wissen unterdrückend:
Dich hören macht nicht jeden froh.

Seh’ ich Dich schreiten, bebt die Erde!
Nun gut, sie bebt nicht nur für mich …
Doch bleib’ ich, selbst wenn ich dann sterbe!
Ach, diese Liebe: fürchterlich …

Ausdrücken eines Pickels
Seit Tagen unaufhaltsam angeschwollen,
so thront er prall rot-gelb nun im Gesicht.
Wer ihn sich schnappt, geht wirklich in die Vollen.
Und ihn sich schnappen, das ist fraglos Pflicht.

Du willst es. Schaust gespannt ins Spiegelglas,
fixierst per Blick ihn, dann mit Fingerspitzen,
du konzentriest dich. Drückst. Ein Plopp, dann Spritzen.
Ein blut’ger Krater, wo der Pickel saß.

Du atmest durch, befreit – und leicht benommen.
Du säuberst dich und putzt die Spiegelfläche,
und du beäugst, mit Stolz sowie beklommen,
das Loch, das vorerst bleibt als kleine Zeche.

Du tupfst noch Blut und klare Flüssigkeit
aus ihm – und gehst, fürs Leben nun bereit.

In der Savanne
Zerschunden liegt’s Zebra im eigenen Blut.
Sein Pulsschlag bringt schwache Fontänen hervor.
Es zuckt noch ein Huf, die Schnauze, ein Ohr.
Im Abgrund der Augen erstirbt alle Glut.
Es schnaubt nun das Zebra zum Abschied nochmal,
gesteht damit ein: Ja, es ist hier am Ende.
Dann liegt’s, schwarz-weiß-rot, still und tot im Gelände,
in grüner Savanne lebendigem Tal.

Dort drüben, ein Löwe: Er leckt sich das Maul,
genießt es, die Tat dadurch wiederzuschmecken.
Wie herrlich, ein Zebra so niederzustrecken!
Bald döst er, vom Jagdtrieb erlöst, köstlich faul.

Es nahen schon Geier, Hyänen heran.
Noch fehlt es an Mut, um ein Stück zu erbeuten.
Doch äußerst begierig sind längst beide Meuten:
Der Löwe, nur spielend, ließ alles hier dran!

 

Jan-Eike Hornauer
Geb. 1979, lebt als leidenschaftlicher Textzüchter (freier Autor, Herausgeber, Lektor, Texter) in München. Zuletzt erschienen: sein zweiter Solo-Lyrikband »Das Objekt ist beschädigt« (Rez. Seite 67) und die Anthologie »Wenn Liebe schwant« (beide muc Verlag). Hornauer-Gedichte finden sich in zahlreichen Anthologien (u. a. von Reclam und dtv), dazu in Publikumsmedien wie taz und Main-Echo sowie WDR 3 und 5. Seit 2014 wirkt er als freier Redakteur bei »Das Gedicht blog« mit.
www.textzuechterei.de