93 / Wirklich/Unwirklich / Prosa / Janko Ferk: Einakter

Eine dunkle Sackgasse in Prag. Lang nach dem „Frühling“.
Im Hintergrund streicht jene Katze durch die Gasse, die Franz Kafka während eines Landurlaubs bei seiner Lieblingsschwester Ottla eine schlaflose Nacht bereitet hat. Als er sich zur Ruhe begeben wollte, lag die Katze auf seinem Bett und starrte ihn unverwandt an. Der sensible Dichter war unter ihren Augen nicht imstand, sich seiner Kleider zu entledigen und verbrachte die Nacht auf einem Stuhl sitzend.
Drei Männer – mit verschieden langen Haaren – schlendern in Richtung des leeren Zuschauerraums. Keiner macht auf besonders wichtig. Alle tragen mehr oder weniger zeitgenössische Anzüge; der Älteste einen auffällig eleganten; der Mittlere einen angedeutet trachtigen; der Jüngste einen unauffällig schmuddeligen.

KAFKA (vornehm leise wie ein Geist): Meinem Vater habe ich einen Brief geschrieben. Ich bin der ewige Sohn.
HANDKE (nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidend): Ich! Ich habe über meine Mutter das weltliterarischste aller Bücher geschrieben! Ich bin der Lieblingssohn! (ohne falsche Bescheidenheit) Ja, ich!
BERNHARD (wie eine Litanei leiernd): Vater? Mutter? Briefe? Bücher? Handke? Ich? Alles Theater! Alles! Die wahren Lehrer sind die Großväter. Und die einzigen Theatermacher die Enkel. Nur die Enkel. Sagte er, meine ich.

Ende.

 

Janko Ferk
Lebt in Klagenfurt/Celovec. Er ist Jurist und Schriftsteller. Zuletzt hat er den wissenschaftlichen Essayband „Kafkas ‚Strafen‘, neu ausgelegt“ (Leykam Verlag, Graz 2022) veröffentlicht.