94 / Herz&Haut / Prosa / Christa Elisabeth Neumayer: Zombieparadies u. a.

Zombieparadies
Mama, ich mag sooo gerne ein Haustier.
Du weißt ja, ich muss im Büro arbeiten. Bei Papa hast du doch einen Hund.
Mama, später, wenn ich größer bin? Einen Hamster, ein Meerschweinchen oder einen Hasen?
Vielleicht, wenn du sieben bist oder so…

Oma, warum hast du keine Haustiere?
Weil Tiere versorgt werden müssen und das viel Zeit und Mühe braucht.
Aber, aber, ich kann dir doch dabei helfen.
Und wenn du nicht hier bist?
Dann macht das Opa.
Opa ist krank.
Okay, ist gut.

Oma, ich liebe Haustiere!
Aber, aber, die Zeit, die Zeit.
Ich weiß, ich weiß. Wenigstens eine Maus, einen Schmetterling oder…

… erzähl mir bitte eine Froschgeschichte!

„Eines schönen morgens hüpfte ein kleiner grünbrauner Quak vergnügt über die taunasse Wiese. Er war unterwegs zum Teich. Hungrig verfolgte er eine freche Fliege. Schon streckte er seine klebrige Fangzunge nach ihr aus und schnappschlapppp…“

Aber Oma, das hat der Frosch doch heute selbst erlebt. Ich will eine falsche Geschichte!

„Eines Tages verirrte sich Frosch Hugo in einen Keller. Dort war es düster und es roch muffig. Im hintersten Raum hauste eine Mäusesippe. Die kleinen schusseligen Nager waren mit Käse, Brot, Schokolade und Trinkwasser ausreichend versorgt. Und sie hatten einen supertollen Spielplatz mit Klettergerüsten und so fort. Hugo verabscheute Mäusefutter. So wagte er einen Abstecher ins Erdgeschoß; im Kinderzimmer entdeckte er die gemütlich ausgestattete Zombieecke unter dem Schreibtisch und gesellte sich zu den Zombies an den langen Speisetisch. Alle begrüßten ihn überschwänglich und teilten ihr opulentes Mahl mit ihm. In den Schüsseln wimmelten kiloweise Insekten und Raupen und Schnecken. Endlich fangfrische froschmagentaugliche Leckereien für ihn! Der Partylärm lockte Nachti den Nachtfalter aus der Vorhangfalte hervor. Übermütig umflatterte er die fröhliche Gesellschaft. Allerdings hielt er gebührend Abstand zu Hugo, dem Frosch. Man konnte ja nie wissen….
Zwischendurch schauten die Mäuse kurz vorbei; leider war der Lärm ihren feinen Ohren nicht zuträglich und sie verzogen sich wieder in ihre Kellerwohnung.
Hugo führte fortan ein ausgelassenes zufriedenes Froschleben inmitten des Mäuse- und Zombie- und Nachtfalterparadieses und wenn er nicht gestorben ist…...“

Oma, toll, dass wir nun doch Haustiere haben.
Ja, wunderbar, einige, viele, es werden immer mehr…
Wenn wir sie gut versorgen, bleiben sie zufrieden und fröhlich und streiten nicht miteinander.
Aber, aber, es ist sehr viel Arbeit!
Du hast ja mich. Ich helfe dir. Und wenn ich im Kindergarten bin, machst du das allein.
Okay, ist gut.
Wir müssen alle unsere Tiere ordentlich erziehen, dann machen sie bestimmt keine Sauereien.
Ja, ganz gewiss, dann leben wir alle zusammen im Paradies.

Röslein Rot
Ich beginne, aufzublühen. Diese wärmenden Sonnenstrahlen! Viel zu lange warte ich schon. Aber jetzt, jetzt hält mich nichts. Blatt für Blatt, eines nach dem anderen, manchmal zwei zugleich, wird der Sommer wach küssen. Zuerst die äußeren Ränder, dann mein Innerstes. Mit jedem Grad Wärme und jedem Lichtstrahl gebe ich mehr von mir preis. Mein Körper besteht aus 121 Blättern, groß und klein, zart und fein. In meiner Mitte eingebettet schlummert ein Kelch, mein Kostbarstes. Je nach Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung benötige ich drei bis fünf Tage zur Entfaltung meiner Blütenpracht.
Spätestens nächsten Sonntag zeige ich all mein Können, meinen Liebreiz und mein Intimstes. Nur für dich, wenn du magst. Freue dich darauf!
Ich bin sicher, du berührst mich behutsam, vergisst auch nicht auf meine Knospen und Blätter, die jugendlichen, die drängenden. Streichle uns sanft, du darfst uns mit Wasser benetzen. Meine Blüten dürsten wie du.
Jeden Morgen werde ich auf dich warten und meine Köpfe deiner Hand entgegenstrecken. Dich begrüßen mit dem Tauglitzer meiner Blattspitzen. Der Wind wird mich trocknen. Du darfst mich pflücken, ich habe nichts dagegen. Sei vorsichtig, bediene dich dazu der Schere. Dann tut es mir nicht so weh. Stecke mich in eine Wasservase und lasse dich eine Nacht lang von meinem Duft betören.
Das allein wird sommerlang meine Bestimmung sein.

 

Christa Elisabeth Neumayer
Geb. 1958 in der Steiermark, lebt in NÖ. Absolventin des BÖS Lehrgangs Schreibpädagogik. Der Weg zum Schreiben führte über die Bibliotheksarbeit. Leben und Lesen und Schreiben gehören zusammen.