Bühne

Landestheater NÖ, Die schmutzigen Hände von Jean-Paul Sartre, Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Landestheater NÖ, St.P. 14.2.2015
Die schmutzigen Hände von Jean-Paul Sartre
Neuübersetzung von Eva Groepler
Premiere 23.1.15

„Les mains sales“, geschrieben 1943, aufgeführt nach dem Krieg 1949,  ist eines der viel gespielten existentialistischen Dramen Sartres. Nach und mit Les Mouches, Huis-clos, Les Jeux sont faits, und morts sans sépulture schaffte er den Durchbruch seiner philosophisch begründeten Richtung. Und vor allem in Die schmutzigen Hände ist der innere Widerspruch in der Politik, Parteiführung wie im Inneren der Hauptperson Hugo zu spüren, ja vielmehr vor allem in diese Figur der Bourgeoisie verlegt. Das Paradoxon, dass die ermordete politische Figur Hoederer (großartig gespielt von Jürgen Maurer) nach dem Absitzen der für den Mord verhängten Haftstrafe ruhmreich verehrt wird, ist der dicke, tragische Endpunkt der Handlung. Hat sich doch Hugo (ein hervorragender Pascal Gross) dies Tat wirklich nicht leicht gemacht, sich dem zukünftigen Opfer anvertraut und vertraut gemacht und hat schließlich dessen politische Überzeugung rein von der Logik und politischen Erfahrung her und gegen seinen sturen, stupiden Parteigehorsam akzeptieren müssen. Politik ist eine Wissenschaft. Die Partei ist nur ein Mittel ein Ziel zu erreichen. Lüge oder mord sind auch nur Mittel! Das Ziel ist Macht! Durch die Weigerung zu lügen, wird die Lüge nicht bekämpft oder aus der Welt geschafft! Und eine persönliche Beziehung macht einen Mord unmöglich! Jedoch Andersdenkende muss man im Krieg umbringen! Noch dazu stehen einem Intellektuellen ständig die Gedanken zwischen der Tat. Aber eine Revolution macht man nicht mit Blumen! Die bürgerlichen Anarchisten, wie Hugo einer ist, wollen sich nicht die Hände schmutzig machen, sondern unschuldig und rein sein! –

„Moralische Reinheit im Sinne eines puritanischen Ideals kann nicht Leitbild eines Politikers sein“ oder „ Politik spielt sich im Spannungsfeld zwischen Macht und den Ideen ab; man muß, um die Ideen verwirklichen zu können, zunächst die politische Macht errungen haben“, lauten u. a. Sartres Thesen.

So gibt uns Sartre viele Leitsätze mit, die für die heutigen Kriegsherde ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Dramaturgie (Matthias Asboth) und Regie (Maaike van Langen) haben mit Kindersoldaten und verhüllten (muslimischen) Kämpfern wie modernen Maschinengewehren die aktuelle Beziehung hergestellt.

Ein Drama par excelence!

Gespielt par excelence von Swintha Gersthofer als einfache jedoch schnippische, emanzipierte Ehefrau Hugos, die im Stück/Spiel doppelbödig spielt, und der zweiten weiblichen Figur der Partei, Marion Reiser als dominante Liebende und trotzdem parteitreue Olga. Auch Marion Reiser verwirklicht die Zwiespältigkeit zwischen privat und Partei herausragend! Die multi verwendeten Schauspieler Wojo van Brouwer und Tobias Voigt wie Jan Walter vom hiesigen Landestheater ebenfalls großartig!

Ein perfektes,  modernes Bühnenbild, eine dezente Kostümierung für Machtappeal (z. B. Haarhut Olgas) oder Sexappeal (schulterfreies Kleid, Stiefel … Jessicas) oder gelbe Stiefel und Handschuhe für den Schmutz-Kübelträger der Partei (zur praktischen Beseitigung eventueller Erschossener) runden das Bild und tragen (wie viele hier nicht Erwähnten) zur großartigen Aufführung bei! Gratulation!

LitGes, im Februar 2015

Festwochen Gmunden, 25.7.2016. Autorenlesung/Gespräch mit Franz Schuh. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Salzkammergutfestwochen Gmunden 25.7.2016 in der HIPP-Halle Gmunden
Autorenlesung/Gespräch mit Franz Schuh
Clemens J. Setz
DIE STUNDE ZWISCHEN FRAU UND GITARRE

Der 1982 in Graz geb. Autor las aus seinem zuletzt (2014 Gedichtband Die Vogel-straußtrompete, 2011 Indigo, Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes) veröffentlichten gleichnamigen Roman vor.

Der Roman war 2015 für den dt. Buchpreis nominiert, hat über 1000 Seiten und beginnt eigentlich erst ab Seite 80, so Setz. Äußerst anregend und angenehm waren seine immer wieder mit persönlichen Notizen unterbrochene Vortragsweise und sein stetes Zurücknehmen einer allwissenden, autoritären Autorenpersönlichkeit. Seiner Meinung nach ist die Handlung, die sich um die Pflegerin Natalie  rankt, nicht wichtig. Er möchte dem Publikum gute Tricks und Tipps, sei es, dass man auch die Zunge bürsten soll oder sich eine gedankliche Privatmaus gegen eventuelle Schmerzen auf die Schulter zu setzen, mitgeben, meinte er fast nicht augenzwinkernd. Sein offener, durch seine Alltagsbeobachtungen geprägter Zugang zu Sprach- und Handlungsmaterial ist alleine schon ein Erlebnis. Er will weder in seinem Roman noch im wirklich spannenden Gespräch mit dem Schriftsteller, Philosoph und Kurator der Literaturschiene der Festwochen, Franz Schuh, komplexe Erklärungen und analytische Aussagen vorzuweisen haben. Es gehe ihm stets um Möglichkeiten. Er zitierte zahlreiche vor allem englische Schriftsteller oder auch Jandl bezüglich eines durchgehenden Handlungsstranges in einem Roman: Zu einem Inhalt kam es nur aus organisatorischen Gründen!

Setz selbst wollte im Inhalt dieses Werkes endlich einmal nicht wieder als Handlungsfigur vorkommen, daher schrieb er um dies wirklich vorzubeugen, über den abwesenden sanftmütigen (= bedeutet Clemens) Hasen (= Setz). Seine Privatphilosophie sei: Der handelnden Figur etwas aufzunötigen, denn diese ertrage es besser als er selber!

Diese Offenheit macht ihn und sein Werk äußerst sympathisch und regt an, das neue Werk zu lesen. Und zwar nicht trotz des großen Umfangs von 1000 Seiten, sondern sich genau auf diese Reichhaltigkeit zu freuen.

Clemens J. Setz wäre sicher ein spannender Autor und eine ebensolche Persönlichkeit für einen 3-4tägigen Literaturschwerpunkt der Salzkammergutfestwochen der nächsten Jahre!

Eine überzeugender Literat und ein höchst niveauvoller Abend!

Landestheater NÖ. Ein Sommernachtstraum v. w. Shakespeare, 2. Oktober 2015. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Liebe, Sex & Eselei! Oder: Der Verliebte, der Irre, der Dichter sind gleich!

Landestheater NÖ Saisoneröffnung 2.10.15
Ein Sommernachtstraum v. w. Shakespeare

Der Verliebte, der Irre, der Dichter sind gleich. Des Dichters Feder verleiht den Dingen Form, schafft sich selbst die Bahn dieser Freude! – soweit ein Zitat aus dem Stück, das wie eine Entschuldigung klingt für subjektive Phantasie und Erfindungsgabe samt Betonung der Freude!

Die Freude, der Spaß beginnt bevor der Vorhang sich hebt mit dem Anblick eines Helmut Wiesingers als Elfe, rundherum eingewickelt in rosa Tüll mit Unterrockbeleuchtung und mit dem Einstieg des Theseus (Lukas Spisser) als Conchita Wurst-Animation. Unter der Regie von Sebastian Schug und der Dramaturgie von Matthias Asboth geht es natürlich in rasantem Tempo weiter. Es sind keine Kalauer, auch nicht in der Rüpelszene, es ist verwirklichte Spielfreude, Verzauberung und Abstoßung, Liebe und Abscheu. Der Eros wird von Swintha Gersthofer und Lisa Weidenmüller auf die Bühne gebracht und von Marion Reiser als Titania und Tobias Voigt als Esel mit nacktem Plastikglied bis zu purem Sex gesteigert. Einfach herrlich auch die schauspielerische Leistung Jan Walters, Pascal Gross oder der Puck-Frau Elzemarieke de Vos als Gastschauspielerin aus Berlin.

Jedoch geht es nicht um den Tumult an sich, sondern um die Durchbrechen der Genderrollen, z.B. grandios Magdalena Helmig als Dichter Squenz oder Spinnweb oder gar als graue Wand, durch deren Lucke sich Pyramus/Tobias Voigt und die geliebte Thisbe/Michael Scherff sich erblicken und verabreden.

Die gute Wahl der phantasievollen Kleidungsstücke, der knappen Röckchen und kontrastierenden Knieschoner unterlag der Kostümbildnerin Nicole Zielke und die musikalische Berauschung und die schmissigen Songs (z.b. „you need the drugs“) Johannes Winde.

Einfach köstlich, schräg, mitreißend, witzig, spritzig und einmalig!
Ein gelungener Start in das letzte Jahr der Intendantin Bettina Hering!

LitGes, im Oktober  2015

Festspielhaus St.Pölten, Tonkünstler plugged-in: Emerson, Lake & Palmers Symphonic, 17.02.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Jazz me if you can! Man könnte süchtig werden!

Festspielhaus 17.2.2016
Tonkünstler plugged-in: Emerson, Lake & Palmers Symphonic
Dirigent Yutaka Sado

Ein Konzert der Sonderklasse. Ernst Jandl hätte gerufen: Jazz me if you can!

Das Tonkünstlerorchester hatte mit dem Dirigenten Sado eine eigene Orchesterfassung der 2. Platte der Rockband „Emerson Lake & Palmer“ erarbeitet. Und zwar „Tarkus“ aus dem Jahre 1971. Eine wilde, kreative Symphonic-Rock Aufführung, die trotz pompöser Teile zu sanften, zarten Vogelstimmen wechselte oder ruhig esoterisch dahin floss.

Am Klavier einzigartig Yosuke Yamashita (geb. 1942), der seit 1969 seine Solokarriere im Free-Jazz Stil in Amerika, Europa oder Japan betreibt. Berühmt und einzigartig! Da er üblicherweise, wenn nicht auf Jazzfestivals, mit Symphonieorchestern spielt, lud ihn das Festspielhaus St.P. ein mit den Tonkünstlern zu gastieren. Er brachte seinen 4. Satz der „Encounter“ Komposition aus dem Jahre 2000 und die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin sowie als großartige & großzügige Zugabe den „Bolero“ von Maurice Ravel, locker und rasant als Klavierstück im ¾ Takt.

Beschwingt und begeistert geht das Publikum aus dem Saal oder an die Bar und wünscht sich euphorisch, dass eine Fortsetzung folgt….

Landestheater NÖ, Die Radikalisierung Bradley Mannings von Tim Price, Rez.: Eva Riebler-Übleis

​Eva Riebler-Übleis
Wie werde ich radikal …. oder …. whistle off the secrets

Die Radikalisierung Bradley Mannings von Tim Price
Landestheater NÖ 28.2.15 Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen
Österr. Erstauff.
Bozen Premiere 4.3.15

Regie Daniela Kranz
Dramaturgie Matthias Asboth/ Ina Tartler
mit
Swintha Gersthofer, Pascal Gross, Christoph Kail/Bozen, Hannes Perkmann/Bozen, Jan Walker, Lisa Weidenmüller.

Das Wort Entlarvung und Zivilcourage wird hier groß geschrieben! Was nützt es jedoch, wenn Bradley Manning, heute Chelsea genannt, 35 Jahre bekommt und kein einziger von ihm aufgedeckter Fall verfolgt oder bestraft wurde?

Ein Theaterstück gegen die Gleichgültigkeit und Lüge. Alle sechs Schauspieler stellten abwechselnd Bradley, jeweils symbolisiert durch gelbe Bekleidung, dar. Das vermag zu symbolisieren, jeder von ist oder kann/soll/muss Bradley sein!

Alle geht alles an!, so Alexander Solschenizyn 1970 bei seiner Nobelpreisrede.

Bradley wollte vier Jahre in der US-Armee dienen um anschließend ein Studium von der Armee finanziert zu bekommen. Er wurde 2009 in den Irak verlegt und schummelte 2010 ein Video über die Tötung von Zivilisten mit dem Originalton der Soldaten aus dem Stützpunkt Base Hammer. Er zahlte für die Veröffentlichungen weiterer geheimer Dokumente vor allem über den Irak-Krieg der USA  einen hohen Preis, er ging ins Gefängnis aus Pflichtgefühl, um unsere Gesellschaft zu verbessern und aus Liebe zum Vaterland, wie er sagte. So ist es nur billig und recht, dass dies in einem so drastischen Theaterstück seinen Niederschlag fand.

Die sechs Schauspieler, Regier, Technik etc. leisteten Hervorragendes, zeigten deutlich Belastungen, Missstände, Ungerechtigkeiten usw. des sozialen Koordinatensystems in der Armee-Ausbildung, instrumentalisierten impliziten und expliziten Druck.

Ein starkes zeitgeistiges, zeitgemäßes Stück, umgesetzt im Gewand und der Sprache der Zeit!

LitGes, im März 2015