Bühne

Festspielhaus St.Pölten, Gregory Porter, 16. Oktober 2015. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis

Es gefiel ihm und uns …
Festspielhaus St.Pölten, 16.10.15
Gregory Porter

Gregory Porter gefiel das große Festspielhaus mit dem Schwarz-Weißen Sitzakzent und dem Publikum sein Gesang und seine großartigen Instrumentalisten. Es ist sicher selten, dass er nach den Zugaben ein zweites Mal mit seinem Pianisten auf ein weiteres Lied auf die Bühne zurückkehrt. Seine Themen erstreckten sich von Liebe bis Freundschaft usw. und waren teilweise dem neuen, nach „Be Good“ 2012 seinem dritten, Album „Liquid Spirit“, das 2014 den Grammy erhielt, entnommen.

Seine Lieder waren von bekannter großartiger Qualität, Ruhe und Tiefe. Seine Musiker einzigartig in ihren Soli, vor allem der berühmte Altsaxofonist Yosuke Sato ist ein/der Meister seines Faches – es wäre wirklich ein eigenes Album wünschenswert!

Ein tolles Programm! Ein tolles Konzert!

Sicher ist am 7.11. beim Auftritt des Saxofonisten Maceo Parker wiederum das Haus richtig voll.

Der Jazzsuchtfaktor steigt!

LitGes, im Oktober  2015

Landestheater NÖ: Tartuffe von Moilière, 02.03.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Immer dieser Gegenwartswert!
350 Jahre Deckmantel der Frömmigkeit und Heuchelei

Landestheater St.P. 2.3.2016, Premiere 27.2.2016
Tartuffe von Moilière
Deutsch von Wolfgang Wiens

Mit dem Ensemble des Landestheaters und Albrecht Abraham Schuch als Tartuffe, Julia von Sell als Madam Pernelle und Elisa Seydel als Elmire, seine Frau.

Vorweg gesagt, die Produktion des Landestheaters NÖ, Regie von Robert Alföldi und Fassung/Dramaturgie von Anna Lengyel, Bühnenbild von Ildikó Tihanyi hält sich mit der deutschen Fassung von Wolfgang Wiens an die streng gereimte Sprache und den Inhalt des Autors. Bis auf den Schluss: Denn Molière war angewiesen auf die Freigabe des Stückes, die immerhin erst 5 Jahre nach der Uraufführung erfolgt war, und somit ließ er zu Ende des Werkes den König Ludwig IV als Deus ex machina auftreten, der für ein Happy End persönlich sorgte, da er den gesuchten Frömmler Tartuffe ins Gefängnis bringt und die betrogene Hauptfigur, Orgon/Tobias Voigt, begnadigt und dessen Besitz refundiert. Hier endet die letzte Szene äußerst beklemmend, denn der Täter und Frömmler/A. A. Schuch kommt zurück in das Haus seines Verbrechens, bleibt unter den acht Vorigen, seinen Opfern ruhig sitzen und schlürft als einziger genussvoll seinen Kaffee, während die anderen zitternd bloß in ihren Tassen umrühren. Das Böse bleibt somit in der Gesellschaft. Keine Strafe bedeutet keine Gerechtigkeit und kein Happy End! Für uns ist das Maß noch immer nicht voll. Die frömmelnden Betrüger und selbstsüchtigen Fanatiker fallen in unseren Reihen nicht auf und nicht durch! So können wir den Wertewandel der 350 Jahre, die es dieses Stück bereits gibt, Atem anhaltend kaum fassen.  Dramaturgisch ein großartiger Wurf! A. A. Schuch eine ob seiner Wandlungsfähigkeit herausragende Schauspielerpersönlichkeit!

In dieser Bühnenversion geht es extrem pointiert zu, vor allem wenn die Zofe/Swintha Gersthofer großmäulige, entlarvende Reden schwingt oder das Liebespaar Pascal Gross als Valère und Lisa Weidenmüller als Marianne sich eine Viertelstunde lang verabschieden und trennen will. Auch diese Verabschiedung ist nicht einfacher Natur, sondern gewürzt und gekonnt gelenkt von der Zofe Dorine/Swintha Gersthofer. Diese drei agieren unendlich köstlich!

Die Mischung zwischen den großartigen schauspielerischen Leistungen und der dramaturgischen Führung zum tragischen Ende hin ergibt ein Hin- und Hergeworfen Werden des Publikums zwischen frenetischem Applaus und beklemmender Verstörung!

Landestheater NÖ, aufhOHRchen, Rez.: Eva Riebler-Übleis

​Eva Riebler-Übleis

Festspielhaus St.P. Großer Saal 14.3.15
Volkskultur Österreich
aufhOHRchen
Schmelztiegel Wien

Mit Wiener Tschuschenkapelle, Philharmonia Schrammeln Wien & Birgid Steinberger, Wiener Jüdischer Chor. Moderation Dorli Draxler (Mitbegründerin des Volksmusikfestivals aufhOHRchen) und Edgar Niemeczek (u.a. Leitung der Kremser Kamingspräche, Programm des Hauses der Regionen, NÖ Museumstag, HG des Magazins „Schaufenster Kultur.Region“ und Gestalter der sendungen „aufhOHRchen“ und „g´sungen undg´spielt“ Radio NÖ).

Musik verbindet, zumindest die Wiener Tschuschenkapelle mit dem Wiener Jüdischen Chor! Zwei ausgesucht wunderbare Ensembles, die experimentieren, alte Traditionen ausgraben und quer über Osteuropa traditionelle oder komponierte Lieder, ob liturgische Lieder wie „Ose Shalom“ oder Liebeslieder oder einen häuslichen Watschentanz,  bringen.

Die Phil. Schrammeln mit Birgid Steinberger hingegen setzen sich von den zwei Gruppierungen durch weniger Kreativität und Novität der Lieder oder Weisen ab. Auch das Wiener Lied braucht nicht im Gewand von Romantik bis Kitsch daherkommen! Die Interpretation des Repertoires der Brüder Schrammel in der ursprünglichen Besetzung mit zwei wienerischen Geigen, der Alt-Wiener Knöpferlharmonika, der Kontragitarre und der Klarinette als „Picksüßes Hölzel“ muss nicht so picksüß sein!

Es sollte vielleicht die Auswahl von Band, Chor und Lied doch nicht so sein, wie es in der Moderation von Dorli Draxler ausgesprochen wird: „ Da ist für jeden etwas dabei.“! Denn es geht nicht darum, zufrieden und begeistert zu sein altbekannte Weisen zu erkennen, die fast zum Schunkeln einladen, wie z.B. „Wenn die Musi spült“, „I bin a Madl von einer eigenen Rass“, „Mei Schatz is a Schneider“, „Wien bleibt Wien“ oder gar „Das muss ein Stück vom Himmel sein“!, sondern, dass dieser grandiose Abend im Festspielhaus mit dieser Originalität und dem einzigartigen Engagement und Können der Wiener Tschuschenkapelle und des Wiener Jüdischen Chores nicht  verwässert wird.

Aber deren Originalität lässt sich nicht trüben! Sie sind großartig, sie sind toll, sie sind die echten Träger des Schmelztiegels, Einwanderer die durch ihre unterschiedliche Kultur bereichern und großen Respekt und Würde vermitteln, die wir ihnen ebenfalls äußerst gerne erweisen!

LitGes, im März 2015

Landestheater NÖ, Theaterwerkstatt: Liebesspiel von Lars Norén, 04.03.2016. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Dramatisierte Worthülsen. Kein Reigen à la Schnitzler– vielleicht Szenen einer Ehe!

Landestheater NÖ. Theaterwerkstatt, 4.3.2016
Liebesspiel von Lars Norén
Koproduktion des Landestheaters NÖ mit den
Vereinigten Bühnen Bozen als österreichische Erstaufführung.

Uraufführung Stockholm Jänner 2010

Inszenierung: Irmgard Lübke von den vereinigten Bühnen Bozen
Ausstatter: Lars Peter (beide verantwortlich für 13/14 Klaus Manns Geschwister)
Dramaturgie: Matthias Asboth/St.P. und Elisabeth Thaler/Bozen
mit Magdalena Helmig, Marion Reiser, Lukas Spisser, Dominike Kaschke und Christoph Kail von den Vereinigten Bühnen Bozen (zuletzt im Lth. NÖ in Die Radikalisierung Bradley Mannings zu sehen)

Deutsch von Katja Hagedorn

Österreichische Erstaufführung

1944 in Stockholm geboren, ist der Regisseur und Autor Lars Norén seit Jahren eine fixe Größe in der Theaterwelt.

Er liebt die alltägliche Befindlichkeit und die Problematik von Beziehungskisten, in diesem Fall die von Paarbeziehungen. Drei, bzw. zweieinhalb Ehepaare, die sich z.B. Beziehungs-Glück oder Kinder wünschen, sind Thema.

Für die Kälte der Beziehungen sprechen das Bühnenbild - eines Gletscherbaches - sowie die gläsernen Kästen an den Seitenwänden und das grelle Licht. (Diese Aufbauten stimmen hervorragend ein und werden nach zweimaligem Spieltermin bis Bozen und dann retour gebracht.)

Die beiden Dramaturgen und Irmgard Lübke haben die Verschachtelung mehrerer Handlungsstränge gleichzeitig auf die Bühne gebracht. Gerade wenn es sich um Ehe- oder Liebesszenen handelt, entsteht durch die nicht aktiv handelnden Personen, die ja stets auch, weil stets alle 5 auf der Bühne präsent sind, ein Voyeurismus. Dabei ist man als Publikum schon prädestinierter Voyeur!

Nur mit Alltagssätzen und banalen Gesten werden tragische Lebensabläufe gezeigt. Die hohle Sprache ist Programm! Die Sätze haben nichts zu sagen, Sie sind genauso austauschbar wie die Protagonisten. Daher auch ihre Namen als A, B, C, D, und E. Auch die Jahre, wann eine Reise war oder wie lang eine Beziehung gedauert hat, sind so gedehnt oder unklar, dass man keine Rückschlüsse z.B. daraus ziehen kann, wer auf eben dieser Südseereise durch eine Liebelei eine Ehe zerstört hat. Liebe oder intakte Partnerschaft erscheinen erstrebenswert, jedoch Seitensprung oder Lieblosigkeit, Interesselosigkeit oder Ungeduld und Streit  zerstören, was in unserem Leben so schwierig aufzubauen ist. Dass das siebenjährige Kind, das durch eine Trennung der Eltern traumatisiert werden wird, nicht auf die Bühne gestellt wurde, ist der Inszenierung positiv anzurechnen, denn ein druck auf die mitleids- oder Tränendrüse würde in die falsche Richtung zeigen. Der Satz des Vaters A zu seiner Noch-Ehefrau ist sowieso bemerkenswert genug: Mir gegenüber musst du nicht ehrlich sein, aber um gotteswillen gegenüber dem Kind!

Mit entgegen gesetzten Inhalten ist dieses Stück ein Loblied auf Vertrauen, verantwortungsreiche und –volle Partnerarbeit und Liebe.

Und gerade hier greift dieses Stück in die Zeit und Seele der Zuschauer!

Verstörend aber phänomenal!

Landestheater NÖ, Familienszenen von Anna Jablonskaja. Rez.: AWu&AWuN

AWu&AWuN

Familienszenen von Anna Jablonskaja
Deutsch von Olaf Kühl
Landestheater NÖ 14.3.2015
Deutschsprachige Erstaufführung

Regie Sarantos Zervoulakos
Dramaturgie Julia Engelmayer
mit Wojo van Brouwer, Christine Jirku, Marion Reiser,. Tobias Voigt, Helmut Wiesinger, Simon Zagermann

Mit wildem Ausdruck ihrer Zerrissenheit zeigt Marion Reiser als Irina Boroschenko den roten Faden ihrer immer stärker werdenden Verzweiflung. Ihr Mann Nikolaj (Simon Zagermann)  ist überraschend aus dem Krieg heimgekehrt, in dem er als Söldner gekämpft hat. Das bringt sie in Bedrängnis: Immer noch in ihren Mann verliebt, will Sie ihr Verhältnis mit dem Biologielehrer ihres verschlossenen Sohnes beenden. Nikolaj, gezeichnet vom Krieg, zeigt aber  wenig  Interesse an ihr und ihrem drängenden Begehren. Ganz anders der Biologielehrer Sergej (Tobias Voigt) – dieser versucht mit sehr ichbezogenem, ins Lächerliche sich verzerrenden Einsatz seine Liebste wieder zu gewinnen.

Vater Nikolaj uns Sohn Wanja (Wojo van Brouwer) finden über ihre Verschlossenheit und ihren Hang zu Gewalt einen Zugang zueinander. Opa Andrej (Helmut Wiesinger) und Nadja Semjonowna (Christine Jirku) sind Nachbarn, wissen um das Verhältnis von Inina und Sergej und begleiten die Familienwirren nicht zuletzt auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg. Regie und Schauspieler bringen  eindrucksvoll, fast überzeichnet die Tragik-Komik des Stücks auf die Bühne, die Darsteller übernehmen jeweils selbst die Erzählerrolle.

Auf den ersten Blick ist es der Autorin gelungen einen in die Abgründe menschlichen Liebes- und Kriegsleides zu führen. Auf den zweiten wirkt das eigene Leben auf diese Folie ganz in Ordnung. Und der dritte Blick, nach dem Lesen des Satzes von Lew Tolstoj „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise?“  bleibt wie das Ende des Stückes offen.

Anna Jablonskaja, die ukrainische, russischsprachige Autorin, kam am 24. Jänner 2011 auf einem Flughafen in Moskau auf dem Wege zu einer Preisverleihung 29-jährig bei  einem Selbstmordanschlag ums Leben. Ihren Entschluss überhaupt zu reisen fasste sie nur zögerlich, sie wollte eigentlich bei ihrer dreijährigen in Tochter in Odessa bleiben.

„Ich glaube mir ist ganz wenig Zeit geblieben“ bloggt sie kurz vor ihrer Abreise. Und in Prometheus und Buchenwald endet sie:“Nun werde ich versuchen, öfter in den Himmel zu schauen. Vielleicht wird es mir eines Tages gelingen den Adler zu sehen, der an Prometheus‘ Leber pickt und auf seinem Rücken Buddha trägt. (…) an Adler glaube ich. Ich habe welche im Lehrbuch für Biologie gesehen.“ Was sie wohl sehen mag?

Mehr ihrer Werke in deutscher Fassung wäre wünschenswert!

LitGes, im März 2015