Philosophie

15. Philosophicum Lech - 3. Tag - Peter Strasser. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
KULTIVIEREN WIR UNSERE LEBENDIGKEIT!

 

15. Philosophicum Lech
GLÜCK IST DAS GEFÜHL LEBENDIG ZU SEIN
Peter Strasser

Freitag, 23.09.11, 09.30 Uhr
Neue Kirche Lech am Arlberg

Peter Strasser (geboren 1950) ist Professor für Philosophie und Rechtsphilosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Der Mensch ist kein besonders glückbegabtes Wesen!

1. Der erste Teil des Referates befasste sich mit dem faktischen Glück und der falschen Lebendigkeit.

Unser Glück ist oft flach oder unecht, obwohl wir nach Glück streben, fühlen wir uns nicht lebendiger, wenn wir es erreichen. Episoden des Glücks sind erkennbar, aber ist das Endorphine ausschütten, vielleicht eines Extremsportlers unter Todesrisiko und Todesangst der Kick, der so genannte Red-Bull-Flash?

Bietet eine allgemeine Hochstimmung, die Erhitzung des Kollektivs die Möglichkeit sich als Teil der erregten Masse, sich wirklich selbst zu fühlen? So erkannten bereits die Römer die Wichtigkeit des Sports, vor allem des Massensports (Brot und Spiele). Die Antwort ist Nein, dies ist nicht das wahre Glück, es ist von den vitalen Quellen abgeschnitten und macht süchtig.

2. Das Glück des Durchschnittserdenbürgers und seine Kritiker

Wie wertvoll oder unwürdig ist das Glück im Sinne von trautes Heim, Glück allein? Irgendwie fühlt man sich tot. Ja, dies können wir nachvollziehen, früher war dies wohl auch so. Nachdem die bürgerliche Schicht dem Adel punkto Lifestyle und Gesittung eingeholt hatte, machte sich Langeweile breit.

3. Lebendigkeit: Eine verkappte Minitheologie des Glücks:

Glück hat stets einen persönlichen Erfahrungshorizont. Es nützt nichts, jemanden seine Glücksmomente auszureden oder zu meinen, das Glücksgefühl der Reichen ist kein wahres, das man selber erleben wollte. Wir glauben zu wissen, dass authentisch zu leben und die Fähigkeit zu tieferen Empfindungen, dem wahren Glück schon näher kommt. Doch stellt sich oft an Stelle des Glücks der Glaube ein, dass man glücklich sei.

Die Definition, die da lautet: „Glück ist das Gefühl lebendig zu sein.“, ist vielleicht zu theologisch unterfüttert und legitimiert ein religiöses Konzept. Wir sind lebendige Geschöpfe und heben uns aus der toten Natur heraus. Wir können also den Weg der Gnade oder den der Natur gehen, bzw. schließt der eine Weg den anderen nicht aus. Das heißt: In unserer säkularisierten Welt können wir den Glückspol innerhalb einer natürlichen Welt etablieren und kultivieren, die weder einen Schöpfungsakt noch ein Gnadengeschenk kennt. Der Mensch kann durch Anschauung und Mitgefühl, durch Miterleben oder Mitleiden Lebendigkeit erlangen.

Fazit: Der Weg in die Tiefe ist angesagt, bzw. der Weg ohne Egoismus nach oben in die Helligkeit der Erkenntnis.

15. Philosophicum Lech - 3. Tag - Peter Strasser. Rez.: Eva Riebler

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Karlheinz Ruckriegel. Rez.: Ingrid Reichel

Ingrid Reichel
POLITIKER IM DORNRÖSCHENSCHLAF

 

15. Philosophicum Lech
GLÜCKSFORSCHUNG – WORAUF ES WIRKLICH IM LEBEN ANKOMMT
Karlheinz Ruckriegel

Freitag, 23.09.2011, 15.30 Uhr
Neue Kirche Lech am Arlberg

Univ. Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel (geboren 1957) ist Professor für Makroökonomie, insbesondere für Geld- und Währungspolitik, Psychologische Ökonomie und Glücksforschung an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg.

Der im Titel erwähnte Begriff der Glücksforschung lässt einen zunächst schmunzeln. Doch Ruckriegel schafft es in seinem eloquenten Vortrag mit übersichtlicher Power-Point-Präsentation der Definition die Lächerlichkeit zu nehmen. Am Ende erfasst einen sogar eine gewisse Traurigkeit, die sich zum Zorn auf die Politik steigert, wenn man bedenkt, dass laut Ruckriegel die Erkenntnisse zu einem besseren und glücklichen Leben global bereits aus den 1960er Jahren stammen. Glücksforschung ist also nur ein modernisierter Begriff von dem, was wir schon lange wussten. Nun sollen nach einer UN-Resolution vom Juli 2011 und einem Beschluss der EU-Staats und Regierungschefs, nämlich der EU-Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2006, diese Erkenntnisse endlich umgesetzt werden. Hat die OECD die letzten 50 Jahre die Politik im Sinne des Wirtschaftswachstums beraten, so unterstützt sie nun den gesellschaftlichen Fortschritt zu einem besseren Leben, erklärt Ruckriegel.

Letztendlich geht es darum, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um die sozialen und ökologischen Indikatoren zu ergänzen. „Diese Wende im Denken kommt einer Epochenwende gleich: Weg vom Wirtschaftswachstum hin zur Lebensqualität (well-being). Dieses neue Denken war aber für die Väter der Sozialen Marktwirtschaft bereits vor mehr als 50 Jahren zentraler Angelpunkt ihres Denkens.“, denn der Mensch ist das Maß der Dinge, aber dafür müssten wir erstmals lernen Menschen zu werden. Und das ist durch Forschung möglich, zumindest versetzt uns Ruckriegel in diese Hoffnung, der unter anderem den Hirnforscher Manfred Spitzer zitiert, der behauptet, je mehr wir über das Glück wissen, umso mehr könnten wir es auch trainieren.

Die Glücksforschung ist die wissenschaftliche Disziplin, die sich seit mehr als 20 Jahren mit der Frage beschäftigt, was uns glücklicher bzw. zufriedener macht. Sie ist interdisziplinär ausgerichtet, wobei insbesondere Erkenntnisse aus der Psychologie, der Soziologie, der Ökonomie und der Neurobiologie Eingang finden, erklärt Ruckriegel, der seinen Vortrag in drei Teile gliederte:

1. Was ist Glück, bzw. Zufriedenheit?
2. Wie ist der Zusammenhang zwischen Glück/ Zufriedenheit und Wirtschaftswachstum?
3. Welche Schlüsse sind aus den Ergebnissen der Glücksforschung für Politik, Unternehmen und für jeden Einzelnen zu ziehen?

Ruckriegel scheidet das subjektive Wohlbefinden in emotionales (positive und negative Gefühle im Verhältnis eines Tagesdurchschnitts 3:1) und kognitives (Verhältnis: Erwartung und Tatsache) Empfinden.
So sind persönliches Wachstum, zwischenmenschliche Beziehungen, Gesundheit, psychologische Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit die wahren Glücksfaktoren statt der herkömmlich angestrebten Bedürfnisse wie Geld, Schönheit und Popularität.

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die häufig verwendete Messform mit einer Skala von 0-10. Die Umfragen werden am Einzelnen durchgeführt. Auch werden Selbst- und Fremdeinschätzung verglichen. Die bereits von Bruno Bettelheim und Erich Fromm geäußerten Feststellungen in den 60er Jahren, dass trotz erstandener Freiheit und erfolgreicher Ökonomie ein Verlust von Inhalt, Zielen und Sinn zu beklagen sei, haben sich bewahrheitet. Im gezeigten Ländervergleich kann man beobachten, dass in Deutschland trotz Senkung der Steuern (1995 bis 2009 ist die Steuer- und Abgabenquote von rund 48 % auf gut 42% gesunken) die Zufriedenheitswerte gefallen sind.

Im Vergleich zu Deutschland sind aber die Dänen, Schweden und Finnen, trotz höherer Steuer- und Abgabenquoten, deutlich zufriedener mit ihrem Leben. Grund hierfür liegt in einem höheren Vertrauen zu ihrer Gesellschaft, einer geringen Einkommensungleichheit und einer positiveren Einstellung zum täglichen Leben. Laut dem Gallup-Well-Being-Index für Deutschland vom September 2011 sind nur 34,3 Prozent der Bundesbürger mit ihrem eigenen Leben sehr zufrieden und schauen optimistisch in die Zukunft. (Ruckriegel Zitat: „Reich, aber unzufrieden“, Der Spiegel, Nr. 38, S. 83.)

Man spricht vom Easterlin-Paradoxon. Der Ökonom Easterlin stellte bereits 1974 fest, dass ab einem gewissen Einkommensniveau (BIP pro Kopf) ein Wirtschaftswachstum zu keiner oder kaum einer Zunahme der Lebenszufriedenheit führt. Die Gründe hierfür sind einerseits Gewöhnung und andererseits Vergleich. Mit Gewöhnung ist gemeint, dass Ziele sich der Entwicklung anpassen und eine „hedonistische Tretmühle“ auslösen: steigendes Einkommen steigert die Ansprüche. Bei gesicherter materieller Existenz ist dann im Vergleich das relative und nicht das absolute Einkommen entscheidend. Das bedeutet, dass, sobald die Grundbedürfnisse (Essen, Wohnen, Kleidung, Sicherheit) gewährleistet sind, die Korrelation fehlt. Bei einem Einkommen über 20.000 US-$ im Jahr würde dies laut Statistik bereits stattfinden, analysiert Ruckriegel.

Das wahre Problem liegt nun darin, dass weder Gewöhnung noch Vergleich in der traditionellen ökonomischen Mainstream-Theorie vorkommen. Dies führe zu einem Erklärungsdefizit.
Es gilt daher die richtigen Indikatoren zu finden. In Bhutan ist z.B. das Brutto-National-Glück übergeordnetes Konzept. Das bedeutet, dass in Bhutan die ökonomische Entwicklung nur mehr ein Mittel zum Zweck zur Erreichung des Glücks ist. Nach dem Vorschlag der Stieglitz-Kommission vom September 2009 kann sich eine Ausrichtung nicht mehr am Wachstum des BIP festhalten, sondern müsse sich an der objektiven Lebensqualität (Gesundheitsstatus, Bildungsniveau, Umweltzustand, …) und dem subjektiven Wohlbefinden der gegenwärtigen Generation sowie an der (ökologischen) Nachhaltigkeit für zukünftige Generationen orientieren. Das Indikatorenset der OECD schließt sich dem im generellen an.

Für die Unternehmen ist daher eine positive Unternehmenskultur unerlässlich. Das Geheimnis guter Führung liegt im Aufbau guter sozialer Beziehungen zu seinen Mitarbeitern. Dies bedeutet Interesse am Wohlergehen, Förderung zur Weiterbildung, Vorbildfunktion, Entscheidungsfreiheit im Aufgabenbereich, Förderung von Teamwork & Arbeitsklima, Fairness (gerechtes Vergütungssystem) und vor allem Anerkennung.

Schließlich zitiert Ruckriegel noch die Psychologin Sonja Lyubomirsky mit ihrer Anleitung Glücklich sein (2008): Wer aktiv etwas zum Glücklichsein tut, fühlt sich subjektiv besser, hat mehr Energie, ist kreativer, stärkt sein Immunsystem, festigt seine Beziehung, arbeitet produktiver, erhöht seine Lebenserwartungen.

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Karlheinz Ruckriegel. Rez.: Ingrid Reichel

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Dieter Thomä. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
DAS GETRIEBENSEIN ERGIBT EINEN MANGEL AN HAPPINESS, DAS SIND JEDOCH GLÜCKSQUELLEN

 

15. Philosophicum Lech
GLÜCK 1776
Dieter Thomä

Freitag, 23.09.11, 11.00 Uhr
Neue Kirche Lech am Arlberg

Dieter Thomä (geboren 1959) ist Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen.

Was ist Glück, was ist Unglück? Was ist der Baustoff unserer Fantasien vom Glück? Ist glücklich, wer die Not beseitigt? Ist jeder seines Glückes Schmied? Falsch ist jedenfalls, dass man das Glück wie ein Handwerk lernen kann! Der Weg liegt zwischen technischer Machbarkeit und liberaler Freistellung.

Eine besondere Nahtstelle war der 4. Juli 1776, der Tag der Unabhängigkeitserklärung der USA. An dem Thomas Jefferson formulierte: ...dass alle Menschen „mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind, dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“ Jefferson nahm John Lockes Kurz-Formel „Life, Liberty, and Proberty“. Er liebte zwar das Eigentum, nahm jedoch statt „Proberty“ the „pursuit of happiness“, das Streben nach Glück in die Unabhängigkeitserklärung hinein. Es hat sich jedoch eingebürgert, in Jeffersons Glücksbegriff eine Spannung zwischen Privatinteressen und Gemeinwohl zu sehen. Nach der wir wohl die Wahl zwischen Raffhand und pädagogischem Zeigefinder haben.

Fest steht: Glück kann man trotzdem nicht einklagen, auch wenn es in der Verfassung verankert ist. Es ist zwar Wohlfahrt, die von der Verfassung angestrebt wird, aber Wohlergehen ist wieder etwas anderes.

Der liberale Strang führt zum Individualismus des 19. Jhdts. und weiter zum „self-made man“ und zur Selbstbedienungsmentalität der Gewinnmitnahme unserer Tage. Auch ein Kurzschluss, der unser Leben prägt, ist der, dass Volltrunkenheit ein Recht sei. (Urteil von 1909)

Arendt wehrt sich dagegen, dass man zwischen glücklosen Zuständen des Mangels und denen der Fülle hin und her pendelt. Mit Oscar Wilde lautet dies, wie folgt: “In this world there are only two tragedies. One is not getting what one wants, and the other is getting it.”

Glück ist jedoch nicht Bedürfnisbefriedigung. Es gibt ja noch das Gemeinwohl. Die Tugend der Frau nach Smith ist die „humanity“= „Menschlichkeit“, die des Einfühlens, des Mitgefühls und die des Mannes ist die „generosity“, die Tugend des Edelmutes (nach Aristoteles: Seelengröße, Hochsinn).

Fazit (z. T. mit Oscar Wilde): Zu den Glücksquellen gehört das Mitwirken an einer gemeinsamen Sache, die Sympathie im Sinne der Erfahrung einer Abweichung, der sozialen Differenzierung und nicht die Sympathie als Mitleid. Man sollte mit der Gesamtheit des Lebens sympathisieren, nicht nur mit den gebrechen und Krankheiten, sondern mit des Lebens Freude, Schönheit, Kraft, Gesundheit und Freiheit. Es gehört das Streben nach Selbstüberwindung, das individuelle Streben, das Vorankommen, das Bestehen von Herausforderungen zu den möglichen Quellen. Glück ist jedoch nicht im Stress des Konkurrenzkampfes und des Kampfes um Positionen zu finden.

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Dieter Thomä. Rez.: Eva Riebler

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Wilhelm Schmid. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
GLÜCK IST, WENN MAN NICHT MEHR DARAN DENKT, GLÜCKLICH SEIN ZU WOLLEN

 

15. Philosophicum Lech
GLÜCK IST WICHTIG, ABER NICHT DAS WICHTIGSTE IM LEBEN
WILHELM SCHMID

Freitag, 23.09.11, 09.30 Uhr
Neue Kirche Lech am Arlberg

Wilhelm Schmid (geboren 1953) lebt als freier Philosoph in Berlin und lehrt als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt Philosophie.

Ist es ungerecht, wenn alle anderen glücklich sind? Bin ich glücklich? Der Glücksdiskurs ist asozial, denn er suggeriert: Du musst glücklich sein!

Es gibt die Glückshysterie. Das Glück wird überschätzt und verfolgt bis zum bitteren Ende.
Es gibt 1. Das Zufallsglück, bei dem wir glauben, es gehe ständig so.
2. das Wohlfühlglück. Dies stellt ein Maximum an Glück dar, als wäre Glück messbar!
3. das Glück der Fülle und der Sinn: Das Glück muss nicht auf der positiven Seite sein. Auch die, die nicht glücklich sind, leben mit Sinn. Wir wissen nicht, ob das Leben sinnvoll oder sinnlos ist. Auch der Unsinn oder das Unglück ergeben zumindest für andere) Sinn, siehe Filme von Woody Allen! Auf alle Fälle gilt: Sinn vermittelt Energie. Beim Fehlen von Sinn versiegen die Quellen des Lebens, da die Zusammenhänge von Tun und Leben nicht mehr sichtbar sind. Sinn stellt Kräfte frei, begeistert und nährt. Sinnlosigkeit entkräftet, verkürzt das Leben, schafft Zynismus, schwächt.

Sinn setzt die Erfahrung von Sinnlichkeit voraus. Auch das berühmte Kribbeln im Bauch ist ein Sinn, nicht nur ein weiblicher. Viele Menschen begnügen sich mit einer Einschränkung der Sinne, sei es das kleine Sichtfeld des TV-Schirmes statt dem Rundblick in der Landschaft, das Fastfood, dem Fehlen der eigenen Bewegung …

Darüber hinaus gibt es den Seelischen Sinn, der Beziehungen stiftet über ganze Zeitspannen hinweg. Liebesbeziehungen so wie Kinder ergeben trotz negativer wie positiver Seiten Sinn.

Über die eigene Existenz hinaus gibt es den transzendenten Sinn, die Endlichkeit, wie das Überschreiten der gewöhnlichen Wirklichkeit im Denken und Fühlen.

Fazit: Ob man an ein mögliches anderes Leben glaubt, ist nicht wichtig. Vielmehr ist wichtig, ob unter der Annahme, dass es einen transzendenten Sinn gibt, besser gelebt werden kann.

Die Sinnfrage trägt weiter, als die Frage nach dem Glück. Ohne Sinnzusammenhänge lässt sich nicht leben! Eine veränderte Moderne wird am Sinn im Leben und Sinn am Leben arbeiten und nicht mehr an seiner Auflösung! Es wird glückliche Menschen geben, die keinen Anlass dazu haben werden, über das Glück nachzudenken!

15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Wilhelm Schmid. Rez.: Eva Riebler

14. Philosophicum Lech - 4. Tag: Michael Köhlmeier. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
REIF FÜR DIE INSEL

 

OHNE STAAT.
TRAUM UND ALBTRAUM DER DICHTER.
Michael Köhlmeier

26.09.2010, 11.30 Uhr
Neue Kirche, Lech am Arlberg

 

 
 

Wiederum war es anfangs Daniel Defoes Robinson Crusoe, der für die Bildung oder die Sehnsucht nach einem Staat und somit einer geordneten Lebensweise analysiert wurde.
Daniel Defoe entwickelte sozusagen einen literarischen Gegenentwurf zu der 1713 von Richard Steele verfassten Robinsonade des Seemannes Selkirk.
Robinson Crusoe sah bereits die Zivilisation als notwendig. Wer dies wie der Wilde Freitag nicht einsieht, kann oder muss bekehrt werden. In Wirklichkeit, so Köhlmeier, ist Robinson der Kannibale, der den anderen zwangsbeglückt. Robinson Crusoe erreicht nach 28 Jahren auf seiner einsamen Insel England, jedoch erfreut die Zivilisation ihn nicht endlos, denn die Unruhe treibt ihn wie Odysseus, der 20 Jahre fern der Heimat war, wieder weg aus dem geordneten Leben.
Im Film „Herr der Fliegen“, in dem die Triebe überhand nehmen, und im Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad erweist sich jedoch die Zivilisation als nicht resistent.
Robert Louis Stevenson hat eine Metapher gefunden, das Böse nicht siegen zu lassen, indem er seinen Mr. Hyde, der aus dem guten Dr. Jekyll heraus sich entwickelt, im Tode verschwinden lässt. Nur das Gesicht des Dr. Jekyll erscheint als Todesantlitz. Eine Erlösung im christlichen Sinne ist dies jedoch nicht. Der Staat dürfte nicht genügen.
Den Wahrheitsgehalt Goethes Zitates: „Es ist besser, es geschehe dir Unrecht, als die Welt sei ohne Gesetz“ kann man an der Erzählung „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad ermessen oder eben auch nicht. Hier im hinteren Kongo stößt ein Elfenbeinjäger auf die Barbarei in ihm selbst und erhebt sie zur falschen Legitimation seiner brutalen Staatsform, also siegt die innere Wildnis der Lüge und des Selbstbetruges über die Zivilisation, die eigentlich auch nur Betrug und Hülle darstellt.
Interessant wäre noch eine Analyse des utopischen Romans „Die Wand“ von Marlene Haushofer oder ähnlicher neuzeitlicher Werke gewesen.
Der Albtraum des Dichters oder Lesers an einem Zuviel an Staat hätte ja auch an George Orwells „1984“ oder an moderneren Werken abgehandelt werden können. Aber dies könnte ja vielleicht zur Grundlage eines weiteren Vortrages werden.

LitGes, September 2010

14. Philosophicum  Lech - 4. Tag: Michael Köhlmeier. Rez.: Eva Riebler