Kafkaesk / Etcetera 95 / Heftkünstler / Josef Enz

Eva Riebler las die Publikationenen und interviewte den gebürtigen St. Pöltner Künstler und Psychologen Josef ENZ.

Du schreibst äußerst metaphysische Aphorismen über die Kunst oder den Kopf usw.
Das kommt aus der Natur des Aphorismus. Kunst lässt wunderbar verarbeiten, das ist ein sehr reichhaltiger Begriff. Genauso wie Kopf, der lässt sich endlos verarbeiten.

Wieso schreibst du nicht für den Handel, den interessierten Leser, sondern nur im Eigenverlag?
Ich hatte einen tollen Grafiker und der legte das Augenmerk auf die Qualität der Bilder und nicht auf die Aphorismen. Diese sind mir sehr wichtig!
Durch die Kürze und Rätselhaftigkeit des Aphorismus ist man gezwungen weiterzudenken.

Was ist dir bedeutender: deine literarische Arbeit oder deine malerische, zeichnerische?
Das geht Hand in Hand. Ein Journal, Tagebuch habe ich immer bei mir, um eine Idee sofort aufzuschreiben, denn die Idee, den Witz bekommst du nie wieder! Es gibt drei bis vier Verarbeitungsstufen beim Aphorismus: antithetisch, paradox, verfremdet. Für die grafische Arbeit baute ich mir ein Turmatelier, einen blauen Turm …

Wieso blau?
Das Blech war blau und ich schliff Figuren hinein.

Geht es dir immer um den Menschen?
Ja, auch das Pferd als Tier-Mensch-Symbol ist mir wichtig.
Das Pferd als Begleiter ins Jenseits, der Psychopompos und ich liebe das Figurative. Ich gehe von einem Chaos, einem Liniengewirr aus und hole die Gestalt dann heraus …

Oder das Gesicht ...
Ja, es wird keine Mimesis, sondern etwas Originäres.

Hast du eine künstlerische Ausbildung, warst du Aktzeichner?
Nein, ich bin Autodidakt. Ich möchte etwas Eigenes machen.

Da passt dein Aphorismus: Vorsicht und Rücksicht bringen die Kunst zum Stehen.
Mit Vorsicht kommt man zu keiner eigenen Handschrift. Mit Rücksicht nicht zum eigenen Idiotes, zu einem, der für sich steht (siehe Dostojewski: Der Idiot).

Spielt dein Beruf als Psychologe eine Rolle in deinem künstlerischen Schaffen?
Ja, weil er mit der Psychologie, Psychiatrie, Psychopathie in Berührung kommt. Die Kunst der Geisteskranken ist ja originell, diese kümmern sich auch nicht um das Rundherum.
Sie arbeiten aus der eigenen Glut heraus.

Bei deinen Skizzen und Zeichnungen bist du vorwiegend spontan …
Absolut!

Kann man bei deiner Grafik sagen: Prozess statt Planung? Bauch statt Kopf?
Immer prozesshaft: Ich weiß vorher nicht, was herauskommt …

Und immer ein bisschen Säure und Witz bei sehr viel Geist und Phantasie?
Ohne Witz bringt man das nicht zustande.

Du liebst das Paradoxe und die Antithese und zeigst den Menschen ihr Labyrinth. Goutieren sie diese, deine Meisterleistung?
Menschen, die mit Literatur sich beschäftigen, die mit Kafka Freundschaft geschlossen haben, Karl Kraus lieben, verstehen die Texte, haben diese oft am Nachtkästchen liegen.

Kann man Kafka grafisch umsetzen?
Hans Fronius setzte ihn um als Holzschnitt, Radierung usw. Meine Hand ist zu schnell, ich werde ihm nicht gerecht. Ich mache lieber Archetypen.

Welche Autoren/Literaten könntest du umsetzen?
Ich eigentlich keine – da habe ich zu viel Respekt und da kommen zwei Individuen zusammen …
Kubin war z. B. Meister in seinen düsteren, visionären Figuren und als Illustrator dann vielleicht weniger berühmt.

Hast du Lieblingsmaler/Lieblingsautoren?
Eher die Zeichner, denn ich verstehe mich als Zeichner.
Z. B. die Genies der Renaissance oder Goya, Callot, Kubin, Piranesi …

Bist du Einzelkünstler oder… ...
Ja, durchaus Einzelgänger, aber ich arbeite bei einem Projekt „KI und Kunst” in Klagenfurt mit, weil es wirklich darum geht, ob Kunst originär oder abgekupfert ist, ob die Kunst noch eine Handschrift hat.

Kannst du dich mit deinen folgenden Aphorismen identifizieren?
„Kunst ist nie harmlos, immer ist sie Resultat.“ (Kunststurz S. 29)
Harmlos ist ein interessantes Wort, da entsteht sofort der psychologische oder tiefenpsychologische Verdacht, dass da etwas anderes dahinter steht. Was so harmlos erscheint, resultiert aus innerpsychischen Strebungen, die nicht harmlos sind.

„Es lässt sich keine Kunst denken, an der man nicht das Interesse verliert.”
Ja, da gehe ich auf das Phänomen ein, dass jede Kunst verblasst. Z. B. wenn das Bild zu lange an der Wand hängt, nimmt man es nicht mehr wahr. Wenn zu viel des Gleichen konsumiert wird, ist es auch nicht mehr von Interesse. Dashat nichts mit Qualität zu tun, sondern mit dem Verblassen.
Siehe Shakespeare und man kann sich das zu den heutigen Kunstheroen dazu denken.

Kafkaesk finde ich deine Behauptung: „modern“ ist eine Kunstbehauptung, die man erst im Nachhinein nicht versteht.
Das Wort „modern” ist so oft gebraucht, mich wundert, dass man nicht längst allergisch ist, man versteht es positiv als OK. Wenn man es vermeiden könnte, wäre es besser!

Kommst du ohne Kunst aus? Im Sinne deines Aphorismus: „Kunstarmut ist ein Leiden ohne Leiden“?
Die Kunst ist verwurzelt in mir. Früher, bevor ich 50 war, habe ich viel gelesen.

Deine Sprach- wie deine Zeichenkunst ist sehr dynamisch. Ein Aphorismus von dir lautet: „Vorsicht und Rücksicht bringen die Kunst zum Stehen“.
Ja, ich habe immer Projekte im Kopf!

Der Beginn deines Schaffens war mit … ?
Als Künstler bin ich noch sehr jung, so ca. 25, denn ich kam erst mit 50 darauf, dass ich überhaupt zeichnen kann.

Hat man ohne Ausbildung Selbstvertrauen?
Ein naturgegebenes schon. Als einer, der für sich selbst steht, als „Idiot“! Mit der Zeit bekam ich schon Selbstvertrauen. Ich habe allerdings das Präsentieren nicht so gern. Jetzt nach drei Büchern arbeite ich am nächsten Projekt.

Zu welchem Thema?
Auf der Linie Archetypik und Archaik.

Ich wünsche dir viel Erfolg sowie Breitenwirksamkeit und freue mich auf jedes deiner Werke! Dankeschön für deine witzigen, hochgeistigen Zeichnungen und Aphorismen! Hoffentlich besuchst du deine Heimat St. Pölten wieder und nimmst Zeichnungen mit, wenn wir rund um Ostern dieses Heft im Stadtmuseum präsentieren werden.

 

Josef Enz
Geb. 1949 in St.Pölten, studierte in Salzburg Psychologie/Romanistik. 33 Jahre klinischer Psychologe an der ortsfesten Stellungskommission des Österreichischen Bundesheeres in Klagenfurt. Schon während des Studiums interessierten ihn projektive Diagnoseverfahren. Die künstlerischen Erzeugnisse von psychiatrischen Patienten faszinierten ihn. Das Interesse an der eigenen Zeichnung entwickelte sich erst spät im Alter von 48 Jahren, wurde aber dann sofort existenzbeherrschend. Sein Interesse für Literatur findet seinen Ausdruck im Schreiben von Aphorismen. Ihn interessieren die existentiellen Dimensionen des Menschen. Seine Zeichnungen sind daher naturgemäß figurativ.

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