92/LitArena XI/Interview/Eva Riebler & Sophie Reyer

Interview gegen mich selbst:
Eva Rie (Antwortende) gegen Eva Riebler-Übleis (Fragende) im kalten April 23 um 23 Uhr

Warum bist du seit dem ersten LitArena 2003 erst jetzt wieder Jurorin?
Weil ich bei jedem Heft auch über 140 Einsendungen lesen darf und mir nicht die verantwortungsvolle Abwägung und Reihung in Platz 1, 2, 3 obliegt.
Nach einem Germanistikstudium schreibt man keine Tagebücher..

und sollte keine Bücher schreiben …
Einwurf genehmigt, sondern veranstaltet einen Tagebuchtag und Lesungen. Nach 32 Jahren Korrekturarbeit als Deutsch-Professor darf ich sagen: Ich genieße lieber Sprache, als diese zu bewerten!
Aus der Literatur kann jeder sich stets holen, was ihm fehlt. Außerdem finde ich Einsendungen, die tatsächlich zu einem vorgegeben Thema passen sollten, nochmals spannender.

Warum ist von dir als Jurorin kein Jugendtext im Heft?
Weil ich alle Tagebücher und Texte unter 45 Jahren weggeworfen oder gar nicht geschrieben habe.

Was hat sich in den letzten 20 Jahren an den Textinhalten verändert?
Die AutorInnen sind zahmer, weicher und kontemplatorischer geworden. Die Experimentierfreudigkeit punkto Aufbau und Sprache sind im Verschwinden begriffen.
Wir selbst besitzen trotz Katastrophen alles, sind satt bis übersatt und sehen den Mangel für andere oder Nachkommende, aber wollen statt uns einzuschränken nur aufzeigen und aufschreiben!
Abbilden statt Anliegen haben, statt sich mit jemandem anlegen und Aufruhr machen!

Warum machst du keinen Aufruhr?
Ich stelle dafür die Plattform, die Gelegenheit zur Veröffentlichung her. Für Aufruhr tauge ich nicht. Ich bin harmoniesüchtig!
Ich denke immer weiter und da mündet jeglicher Aufruhr in Denken, Sprache und nicht in Tat. Ich kann in keine Sackgasse sehenden Auges gehen. Da schon eher in eine Einbahn, aber noch viel lieber gegen eine Einbahn und über eine Sperrlinie!

Was interessiert dich nach 20 Jahren noch an der LitGes?
Die Freiheit Texte, Lesende, Musiker und Künstler nach Gutdünken zu wählen und zu werkeln. Mein Wissen und Unwissen in der Literatur- und Kunstszene zu erweitern, gedanklich zu profitieren und mich zu wundern!
Und das gibt’s gratis! Ja, ein 20-jähriger Kurs im Wundern und Bewundern!

Wir danken für die Lebensweisheiten und das Gespräch!

 

Interview Sophie Reyer
Das Interview führte Eva Riebler

Liebe Sophie, du bist bekannt als Lyrikerin. Wie kamst du zur Lyrik? Bereits mit 20 J. kam dein erster Lyrikband „geh dichte“ heraus.
Sprache hat mich immer interessiert; als 4-Jährige hörte ich das erste Mal das Wort „parallel“, und bin vor Freude über den Klang fast ausgetickt. Eigentlich hab ich immer gern geschrieben, schon in der Volksschule, und später Tagebuch und Lyrik in Form von Songtexten. Eines hat das andere ergeben.

Du liebst Sprachspielereien: „Geh“! Wie gehen und „dichte“ wie sehr dichte Lyrik …
Unbedingt, unsere Welt ist zu wenig verspielt, dabei ist doch das Tolle am Erwachsensein, dass man in Ruhe spielen kann!

Wird deine Lyrik auch immer sparsamer, verhaltener?
Kürzt du viel?

Ja, ich specke immer ab, wie ich es nenne. Aber ich würde nicht sagen, dass sie generell sparsamer wird - jedes Thema fordert einen anderen Sprachduktus.

Was bedeutet dir Lautmalerei?
Ich liebe sie!

Was hast du beim Lesen der vielen Lyrikbeiträgen bei diesem LitArena Wettbewerb empfunden?
Ich bin begeistert und sehr froh, dass so eine Fülle an kreativer Kraft da ist, das gibt Hoffnung!

Du bist ja an der Pädagogischen Hochschule Krems ebenfalls stets mit unter 27-jährigen zusammen. Wie soll man sich deine Tätigkeit vorstellen? Was ist an deiner Arbeit besonders interessant?
Ich unterrichte Kreatives Schreiben und betreue Außerschulische Projekte - das ist eine tolle Aufgabe! Außerdem: Meine StudentInnen sind irrsinnig kreativ!

Wie muss man sich einen „Doktor der Sprachkunst“ vorstellen? Ist unsere Sprache erst seit kurzem krank?
Kranke Sprache - kranke Gesellschaft- und umgekehrt! Nein, Scherz beiseite, das Studium gibt es ja noch nicht so lange. Ich habe da eine künstlerisch- wissenschaftliche Arbeit geschrieben; hier soll Denken vernetzt werden, soll der kreative Prozess sich mit der Forschung überlappen.

War die Zeit um 2010 nicht sehr stressig? Du machtest das Diplom in Sprachkunst und ab 2011 begannst du das Studium „Drehbuch und Filmregie“ und bekamst den Förderpreis in Graz und bei Manuskripte …?
Nein, es war ein gutes Jahr, ich habe viel Neues erlebt!

Ist dein Text, der im Folgenden abgedruckt ist und den du mit 21 Jahren geschrieben hast, autobiographisch?
Ja und nein. Abgetrieben habe ich selber nie, aber ich habe bei anderen mitgefühlt.

Was sind deine Favoriten punkto Literatur, als du unter 27 Jahren warst und warum?
Es war Elfriede Jelinek für ihre Sprachbehandlung, Peter Handke für seine Poesie und Langsamkeit.

Deine Favoriten punkto Theater/Schauspiel?
Shakespeare für seine Charakterstudien.

Bezüglich Prosa? Bezüglich Lyrik?
Das Gilgamesch Epos für seine ewig wahren Erkenntnisse. Punkto Lyrik: Rumi, weil seine Sprache so musikalisch ist Und Paul Celan wegen des Versuchs mit der Form.

Was ist dein neues Projekt?
Mein neues Projekt ist die Arbeit an einem Text über den Tod und seine Kinder, eine Art Sciencefiction....

Danke liebe Sophie und alles Gute für deine nächsten Projekte!