Bettina Wilpert: Herumtreiberinnen

Cornelia Stahl

Bettina Wilpert:
Herumtreiberinnen

Roman
Berlin: Verbrecher Verlag
2022, 266 Seiten
ISBN: 978-3-957325-136

Widerständige Frauen- und Stadtgeschichte.
Drei Frauen mit unbeugsamem Willen. Die Geschichten um Manja, Robin und Lilo spielen in einem fiktiven Leipziger Gebäude, in der Lerchenstraße. Sie verlaufen an drei unterschiedlichen Zeitebenen entlang. Was die drei Frauen miteinander verbindet, ist ihr unbeugsamer Wille zum Widerstand gegen das herrschende System. Sie leisten Widerstand gegen Normierung, Anpassung und Ausgrenzung.
Im ersten Romanabschnitt befinden wir uns in Leipzig, in den1980er Jahren, lernen Manja und Maxi kennen, die sich um alles kümmern und dabei jeglichen Schulbesuch vernachlässigen. Ihr nonkonformes Verhalten wird von der örtlichen Volkspolizei beendet und Manja wird in die Venerologische Abteilung des Krankenhauses eingewiesen, wo sie Gewalt durch medizinisches Personal erfährt und den gewalttätigen Insassinnen ausgeliefert ist. Repressionen als Spiegel des autoritären Staates – innen wie außen.
Säter, 2015, arbeitet Robin als Sozialarbeiterin für Geflüchtete im Gebäude in der Lerchenstraße. Das Haus nimmt Flüchtlinge auf, scheint erneut die repressive Form zu absorbieren, kaserniert und kategorisiert. Wiederholt geht es um konformes, nonkonformes Verhalten der Bewohner*innen in der Lerchenstraße.
In einer Rückblende versetzen wir uns ins Jahr 1940. Lilo, Tochter eines Kommunisten im Widerstand, wird nach der Verhaftung durch die Gestapo in der Lerchenstraße interniert und beinahe von der Putzfrau beim Schreiben eines Flugblatts erwischt: Nieder mit der 72-Stunden-Woche! Gegen den totalen Krieg! Für den totalen Frieden! (S.169).
Wilperts Roman erzählt von (begrenzten) Handlungsspielräumen von Frauen und repressiven Formen der Gewalt gegen sie in unterschiedlichen Zeiträumen. Er verfasst fiktive und recherchierte (Stadt)Frauengeschichte, die in ihrer Form einzigartig ist.
Wir freuen uns auf weitere Romane!

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